ETHICA 20. Jg. 2012

ETHICA – Wissenschaft und Verantwortung – Jahrgang 2012 – Heft 1
ETHICA – Wissenschaft und Verantwortung – Jahrgang 2012 – Heft 2
ETHICA – Wissenschaft und Verantwortung – Jahrgang 2012 – Heft 3
ETHICA – Wissenschaft und Verantwortung – Jahrgang 2012 – Heft 4

 

Leitartikel

Ethica 2012-1
Römelt, Josef: Von der Unvermeidbarkeit ethischer Reflexion. 20 Jahre Fachzeitschrift Ethica (Editorial)
Hennig, Lysann Hennig /Bittner, Uta: Lifestyle-Gentests. Eine Betrachtung aus rechtlicher und ethischer Perspektive 7
Horstmann, Simone: Das Tier als Bild. Ethische Ikonologie des Sprachlosen 51
Ostheimer, Jochen: Neoliberal – neosozial: der Wandel des Sozialstaats. Sozialethische Anfragen und Impulse 27

Ethica 2012-2
Franz Josef Illhardt: Bürokratie und medizinische Forschung – Das Ende von Wissenschaftlichkeit und Patientensicherheit? 119
Philipp, Thomas: Eine Philosophie der Subjektivität 99
Thiede, Werner: Wenn Strom- und Wasserzähler „strahlen“. Ethische Aspekte der künftig einzusetzenden digitalen Messgeräte 165
Trappe,Tobias: Der Eid als Vision. Ein Beitrag zur Rolle der Ethik für das Selbstverständnis des Beamten 141

Ethica 2012-3
Joób, Markus: Der Mensch als Subjekt von Freiheit und Verantwortung 195
Kraschl, Dominikus: Die moderne Demokratie und die Frage ihrer Legitimation. Zu einem Vorschlag von Jürgen Habermas 255
Schönherr-Mann, Hans-Martin: Willensfreiheit und Verantwortung zwischen Philosophie und Hirnforschung 237
Witschen, Dieter: Religionsfreiheit schützen. Eine spezifische menschenrechtliche Verpflichtung 215

Ethica 2012-4
Irrgang, Bernhard: Synthetische Biologie und künstliche Organismen 345
Münk, Hans J.: Von der Natur zur Gegennatur? Synthetische Biologie (SB) in der Diskussion 291
Westerhorstmann, Katharina: Wie weit reicht die Verantwortung? Zur Ambivalenz eines ethischen Begriffs 317

Diskussionsforum
Armbanduhren eines CEOs und eines Kirchenoberhauptes 273
Der Hirntod als endgültige Definition des Todes? 73
Ethikkomitee der Stiftung Liebenau: Stellungnahme zur aktuellen Ausschreibungspraxis von Bildungsmaßnahmen für lernbehinderte Jugendliche durch die Bundesagentur für Arbeit 363
Martina Schmidhuber: Vom Ethik-Rat zur Ethikkommission – Klärung von Aufgaben 185
Peter Seele: Die ethische Hybris des Luxus. Betrachtungen anhand wegretuschierter Armbanduhren eines CEOs und eines Kirchenoberhauptes 273

Dokumentation
Ethik der Gabe: Humane Medizin zwischen Leistungserbringung und Sorge um den Anderen (Claudia Bozzaro) 368
Intersexualität 77

Bücher und Schriften
Eike Bohlken: Die Verantwortung der Eliten. Eine Theorie der Gemeinwohlpflichten (J. Maaß) 85
Martin Dabrowski / Judith Wolf / Karlies Abmeier (Hg.): Gesundheitssystem und Gerechtigkeit (J. Koller) 374
G. Duttge / C. Dochow / M. Waschkewitz / A. K. Weber (Hg.): Recht am Krankenbett – Zur Kommerzialisierung des Gesundheitssystems (V. Schubert-Lehnhardt) 92
Veronika Fricke: Nachhaltig investieren in Mikrofinanz? (J. Maaß) 190
Caris-Petra Heidel (Hg.): Jüdische Medizin – Jüdisches in der Medizin – Medizin der Juden? (V. Schubert-Lehnhardt) 373
Bernhard Irrgang: Homo Faber: Arbeit, technische Lebensform und menschlicher Leib (J. Krämmer) 375
Hans Joas: Die Sakralität der Person – eine neue Genealogie der Menschenrechte (K. Schlögl-Flierl) 371
Elisabeth Jünemann / Peter Leuwer: Vergewissern … Führungsleitlinien nach dem Dekalog (J. Koller) 189
Susanne Kaul / Oliver Kohns (Hg.): Politik und Ethik der Komik (J. Maaß) 370
Stephan Leimgruber: Christliche Sexualpädagogik. Eine emanzipatorische Neuorientierung für Schule, Jugendarbeit und Beratung (M. Lintner) 283
Giovanni Maio (Hg.): Abschaffung des Schicksals? Menschsein zwischen Gegebenheit des Lebens und medizin-technischer Gestaltbarkeit (V. Schubert-L.) 191
Giovanni Maio: Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin. Ein Lehrbuch (V. Schubert-L.) 288
Philippe Mastronardi / Mario von Cranach (Hg.): Lernen aus der Krise. Auf dem Weg zu einer Verfassung des Kapitalismus (J. Maaß) 86
Christopher Panza / Adam Potthast: Ethik für Dummies (V. Schubert-L.) 191
Ingo Pies: Moral als Produktionsfaktor. Ordonomische Schriften zur Unternehmensethik (I. Koncsik) 88
Helmut Reinalter / Peter J. Brenner (Hg.): Lexikon der Geisteswissenschaften (A. Resch) 81
Alfred Rohloff: Das Leben denken? Eine philosophische Studie zur Natur (A. Resch) 286
Michael Schefczyk: Verantwortung für historisches Unrecht. Eine philosophische Untersuchung (J. Maaß) 287
Helmut F. Späte / Klaus-Rüdiger Otto: Irre irren nicht (E. Luther) 94
Georg Toepfer: Historisches Wörterbuch der Biologie. Geschichte und Theorie der biologischen Grundbegriffe (A. Resch) 89
Jan Verplaetse: Der moralische Instinkt. Über den natürlichen Ursprung unserer Moral (I. Koncsik) 281
Willy Viehöver / Peter Wehling (Hg.): Entgrenzung der Medizin. Von der Heilkunst zur Verbesserung des Menschen? (U. Bittner, Ulm / F. Krause, Freiburg) 92
Weltwirtschaft und Gemeinwohl. Eine Zwischenbilanz der Wirtschaftskrise (B. Irrgang) 87
Harald Welzer / Klaus Wiegandt (Hg.): Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung – Wie sieht die Welt im Jahr 2050 aus? (G. Kleinschmidt) 83

 

ETHICA 2012/1

LEITARTIKEL / Abstracts

HENNIG, LYSANN / BITTNER, UTA: Lifestyle-Gentests. Eine Betrachtung aus rechtlicher und ethischer Perspektive. ETHICA 20 (2012) 1, 7 – 25
Ein Vergleich der ursprünglich beabsichtigten Regelung sog. Lifestyle-Gentests im Alternativentwurf zum GenDG von B’90/die Grünen mit der heutigen Gesetzeslage im Gendiagnostikgesetz (GenDG) in Deutschland zeigt, dass Lifestyle-Gentests aktuell keinen expliziten rechtlichen Regelungen unterworfen sind. So fehlen jegliche Vorschriften zur Qualitätssicherung, zur Aufklärung der Bevölkerung sowie zum Schutz der Verbraucher. Insgesamt kann also festgehalten werden, dass diesbezüglich eine rechtliche Grauzone existiert. Daher werden im vorliegenden Beitrag Überlegungen zur rechtlichen Regelung solcher Gentests angestellt und diese einer rechtlichen Überprüfung unterzogen. Des Weiteren werden ethische Aspekte diskutiert, die durch die Etablierung eines Marktes für Lifestyle-Gentests entstehen. Dabei wird berücksichtigt, dass Informationen aus Genanalysen einen anderen informationellen Gehalt als Informationen aus anderweitigen medizinischen Analysen aufweisen.
Arztvorbehalt
Ethik
Heilungsauftrag
Gendiagnostikgesetz
Gentest
Lebensplanung
Lifestyle
Verbraucherschutz
Wunscherfüllende Medizin

HENNIG, LYSANN / BITTNER, UTA: Lifestyle genetic testing from a legal and ethical perspective. ETHICA 20 (2012) 1, 7 – 25
Comparing the originally intended regulation of so-called lifestyle genetic testing in the alternative draft to the GenDG of B’90 / die Grünen with the existing legal situation in the German Genetic Diagnostics Act (GenDG) one comes to the conclusion, that, for the time being, lifestyle genetic testing is not subject to any explicitly legal regulations. There e. g. is a complete lack of rules regarding quality control, information and protection of consumers. On the whole, it can be said that there is a legal grey area. Thus, observations are made on a legal regulation of this kind of genetic tests which are subjected to a legal examination. Furthermore, the ethical problems are discussed which come up by the establishment of a market for lifestyle genetic testing. And it is considered that the informational content of information gained from genetic analyses is different from information obtained from other types of medical analyses.
Consumer protection
doctor’s reservation
ethics
genetic testing
German Genetic Diagnostics Act
life planning
lifestyle
mission of healing
wish-fulfilling medicine

OSTHEIMER, JOCHEN: Neoliberal – neosozial: Der Wandel des Sozialstaats. Sozialethische Anfragen und Impulse. ETHICA 20 (2012) 1, 27 – 49
Der Sozialstaat steht unter großem Druck. Dies lässt sich zum Teil durch seine Entstehungs- und vor allem Ausbaugeschichte erklären. Denn der Sozialstaat soll unzählige und vielfach auch unbestimmte gesellschaftliche Probleme lösen. Er ist ein wesentliches Instrument in der politischen Gestaltung gesellschaftlicher Lebensverhältnisse, die von ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen gewünscht wird. Durch diese Ausweitung, aber auch durch externe Ursachen scheint der Sozialstaat an seine Grenzen zu stoßen. Als Reaktion werden oft ein Abbau sozialstaatlicher Leistungen und eine Verstärkung marktwirtschaftlicher Elemente verlangt. Diese Entwicklung, die sich in ganz Europa in unterschiedlicher Ausprägung beobachten lässt, wird von Kritikern zumeist als „neoliberal“ bezeichnet, kann aber auch als „neosozial“ betrachtet werden; trotz des Gegensatzes in der Bezeichnung gehen beide Einschätzungen in dieselbe Richtung. In einer abschließenden normativen Perspektive werden die aktuellen Entwicklungen bzw. Reformvorschläge in sozialethischer Hinsicht anhand der drei Sozialprinzipien Personalität, Solidarität und Subsidiarität diskutiert.
Personalität
Solidarität
Sozialstaat
Subsidiarität
Wohlfahrtsstaat

OSTHEIMER, JOCHEN: Neo-liberal – neo-social. The welfare state change. Socio-ethical questions and impulses. ETHICA 20 (2012) 1, 27 – 49
The welfare state is under great pressure. This is partly due to its genesis and, above all, to its progressive extension for it is hoped to solve innumerable and often indefinite social problems. It is an important instrument of politics in the creation of social life conditions asked by the most different social groups. Because of this extension and on grounds of external factors the welfare state seems to be stretched to its very limits. A common reaction is that a reduction of the benefits offered by the social state as well as a more intense integration of market economy-elements are required. This kind of development, which can be observed in various forms in the whole of Europe, is usually called „neo-liberal“ by critics, but it can also be considered as „neo-social“. Though these two expressions seem to be contradictory, they go in the same direction. In conclusion, the actual development respectively the socio-ethical proposals for reform are discussed on the basis of the three social principles: personality, solidarity, subsidiarity.
Personality
social state
solidarity
subsidiarity
welfare state

HORSTMANN, SIMONE: Das Tier als Bild. Ethische Ikonologie des Sprachlosen. ETHICA 20 (2012) 1, 51 – 71
Der Artikel nimmt aus tierethischer Sicht die oftmals normativ wirksame Sprachlosigkeit des Tieres zum Anlass, das Tier demgegenüber als ‚Bild‘ zu skizzieren, um über diesen Weg dem dekonstruktivistischen Vorwurf des Logozentrismus zu entgehen. Dabei werden sowohl klassische Sehkonventionen auf das Tier analysiert als auch ethische Perspektiven vorgeschlagen, wie ein Reduktionismus durch den Bildstatus des Tieres vermieden werden kann. Hier zeigt sich, dass das ikonische Diskurs-Korrelat der Evidenz besonders geeignet ist, normativ verfahrene Situationen, wie sie in der Tierethik in der anwendungsbezogenen Debatte um konsequentialistische und tierrechtliche bzw. deontologische Ansätze vorliegen, aufzulösen.
Bildtheorie
Dekonstruktivismus
Derrida, Jacques
Tierethik
Zoo

HORSTMANN, SIMONE: The animal as an image. Ethical iconology of the speechless. ETHICA 20 (2012) 1, 51 – 71
The article’s argument originates from the normatively effective speechlessness of animals, in order to outline the animal in contrast as an ‚image‘. Thus, the logocentric reproach of deconstructivism is avoided. Sight-conventions on animals are analysed to propose ethical perspectives, which argue against a reductionistic view due to the image-status of animals. It turns out that evidence, the iconic correlate of discourse-logic, is especially suited to clarify aporetic ethical situations, such as the debate between consequentialism and animal-rights / deontology in animal ethics.
Animal ethics
deconstructivism
Derrida, Jacques
picture theory
zoo

ETHICA 2012/2

PHILIPP, THOMAS: Eine Philosophie der Subjektivität. ETHICA 20 (2012) 2, 99 – 117
Die Sorge um die Objektivität der Wahrheit versperrt der theologischen Ethik den Kontakt mit dem faktischen christlichen Umgang mit sich selbst, etwa bei A. Grün. Als Brücke kann die Anthropologie und Ethik H. Frankfurts dienen. Sie geht vom konfliktanfälligen Verhältnis aus, das die Subjektivität immer schon zu sich selbst einnimmt. Zentral ist hier die dauerhafte Sorge um etwas oder jemand, da nur sie Identität konstituiert: in der selbstlosen Hingabe findet die Freiheit Form, Grenzen und Sinn. Die zentrale ethische Frage ist, worum sich ein Mensch sorgen soll. Die Antwort ergibt sich aus den faktischen Beziehungen, die ihn determinieren. Die Entscheidung für sie versöhnt Determinismus und Freiheit.
Eine Kritik, die Wirklichkeit mit Kant unreflektiert als objektive Kontinuität denkt, verfehlt die existentielle Sprache Frankfurts. Indes scheitert Frankfurts Versuch, die Ethik ganz von der Innenwelt her zu begründen. Ethik begründet sich aus der Kommunikation von Innen- und Außenwelt.
Beziehung
Frankfurt, H. G.
Grün, A.
Innenwelt
Objektivismus
Relativismus
Subjektivismus
Subjektivität

PHILIPP, THOMAS: A philosophy of subjectivity. ETHICA 20 (2012) 2, 99 – 117
By caring for the objectivity of truth, theological ethics is blocking its contact to the attitudes and languages which, today, mark the relations of Christians towards themselves, as in A. Gruen’s works. Here, the anthropology and ethics of H. Frankfurt could throw a bridge, because they start from the conflict-prone relationship that is typical of subjectivity. In this inner world, only a stable caring for something or someone may procure identity. The freedom of a person beyond selfishness will find form, limits and sense. The fundamental ethical question for man is about caring for what. The answer is determined by the relations he or she lives in. Accepting to care for them reconciles determinism to freedom.
A criticism presupposing reality, like Kant did, as objective continuity, misses Frankfurt’s existentialistic language. Nevertheless, his attempt to found ethics exclusively on the inner world is condemned to fail, for ethics will only find ground in the living communications between the inner world and history.
Frankfurt, F.
Gruen, A.
internal world
objectivism
relation
relativism
subjectivism
subjectivity

ILLHARDT, FRANZ JOSEF: Bürokratie und medizinische Forschung – Das Ende von Wissenschaftlichkeit und Patientensicherheit? ETHICA 20 (2012) 2, 119 – 139
Medizinische Forschung, insbesondere Forschung zu Arzneimitteln und Medizinprodukten, unterliegen einer Kontrolle durch Maßnahmen, die wir als bürokratisch einstufen. Diese Kontrolle wurde notwendig, weil Verletzungen der Patientensicherheit und der wissenschaftlichen Forschungspraxis bekannt wurden. Jedoch zeigen aktuelle Erfahrungen, dass Bürokratie dem Phänomen der medizinischen Forschung nicht gerecht wird und Forschung von der Forschungspraxis und seinen Zielen entfremdet. Ausgangspunkt ist die beispielhafte Schilderung einer Studie, die wegen bürokratischer Forderungen stark verzögert wurde. Dem folgt die Skizzierung des Phänomens und seiner aktuellen Regelungen. Danach wird ausführlich diskutiert, was die Defizite der bürokratischen Kontrolle sind und welche Prinzipien dagegen man zur Legitimation einer regelbasierten Bewertung benennen kann.
Bürokratie
Ethikkommission
Forschung
Sicherheit
Wissenschaftlichkeit

ILLHARDT, FRANZ JOSEF: Bureaucracy and medical research – The end of scientific and safe projects? ETHICA 20 (2012) 2, 119 – 139
Medical research – especially research on drugs and medicinal technical equipment – are subject to control by measures considered as bureaucratic. Bureaucratic control has become necessary because of violations of patients‘ safety and the scientific practice. Recent experiences have shown, however, that it is failing its aim and is estranging research from its practice.
The paper starts with a concrete case of a project (often referred to below) reviewed by the ethics committee of the university hospital of Freiburg which had been severely delayed by bureaucratic requirements. Then the phenomenon itself and its present regulations are outlined. In conclusion, the deficits of bureaucratic control are discussed in detail and which principles against it could be established so as to justify an evaluation in conformity with rule.
Bureaucracy
ethics committee
research
safety
scientific study plan

TRAPPE, TOBIAS: Der Eid als Vision. Ein Beitrag zur Rolle der Ethik für das Selbstverständnis des Beamten. ETHICA 20 (2012) 2, 141 – 162
Der Beitrag versucht, einen Zugang zur Rolle der Ethik für die Ausbildung, vor allem aber für das Selbstverständnis des Beamten zu finden. Exemplarischer Bezugspunkt hierfür ist der Diensteid, der sich in bemerkenswerter Weise als Konstante in der ansonsten ja recht wechselvollen Geschichte des Beamtentums durchgehalten hat (1). „Bestenfalls“ durch seine religiösen Implikationen fragwürdig, nicht aber wirklich umstritten, ist der Diensteid eine Tatsache, zu der wir ein eher unaufgeregtes, recht pragmatisches Verhältnis haben (2), ein Verhältnis, das fast nichts mehr von jenem Pathos verrät, mit dem frühere Generationen dem Eid gegenüberstanden (3). Dem entspricht, dass der Eid in der Ausbildung primär in den rechtlichen Fächern thematisiert wird. Der Ethik bleibt von daher fast nur noch die Rolle des kritischen Gewissens, das warnend den Finger auf möglichen Missbrauch und mögliche Fehlentwicklungen legt (4). So wichtig diese Funktion der Ethik ist, sie muss keineswegs die einzige sein. Insofern sie – als Lehre vom gelingenden Leben – den Menschen immer schon dabei unterstützen wollte, das komplexe Ganze seiner Existenz auszubalancieren, kann die Ethik mit ihrem historisch gewachsenen Repertoire an praktischen Übungen (5) auch den Beamten dabei unterstützen, den Herausforderungen seines Amtes – und zwar gerade auch jenseits der Korruptionsproblematik – gewachsen zu bleiben (6). Ein besonders prägnantes Beispiel dafür ist die regelmäßige Antizipation künftiger Übel (7) oder die Vergegenwärtigung maßgeblicher Vorbilder. Solche Leistungen der Imagination öffnen einen neuen Zugang zum Eid (8), der mit seiner Verfassungsbindung die faszinierende, vom Einzelnen immer wieder neu zu verlebendigende Vision einer künftigen Welt enthält (9).
Beamtentum
Diensteid
Eid
Lebensführung
Phantasie
Übungen der Philosophie
Verfassung
Verwaltungsethik
Vision

TRAPPE, TOBIAS: The official oath as a vision. On the role of ethics for the self-conception of civil servants. ETHICA 20 (2012) 2, 141 – 162
The author tries to find an access to the role of ethics for the training, but, above all, for the self-conception of civil servants. As an example in this context serves the official oath which, remarkably enough, has held on in the varied history of civil service (1). „If at all“, then the official oath may be questioned because of its religious implications, though this is not really disputable. In short, the oath is a fact that is seen rather unemotionally, quite pragmatically (2); it is no longer associated with the kind of pathos with which earlier generations faced it (3). This is also why this topic, in the period of training, is primarily talked about in the law subjects. In this way, ethics is reduced to some kind of critical conscience which makes aware of potential abuse or of things taking a wrong turn (4). Although this role of ethics is important, too, it need not be the only one. As the „science“ of how to live a truly successful life it has always been trying to help man to balance out the complex whole of his existence. Thus, with its historically grown repertoire of practical exercises (5) ethics may also help the official – even beyond the problems of corruption – to come to grips with the challenges of his charge (6). A particularly striking example would be the regular anticipation of future troubles (7) or the visualization of great idols. This kind of imagination will provide a new access to the oath (8) which, because of the loyalty to the constitution as an integral part of it, contains the fascinating vision of a future world (9) which the individual has continually to bring to life.
Civil service
constitution
imagination
lifestyle
oath
official oath
practices of philosophy
public service ethics
vision

THIEDE, WERNER: Wenn Strom- und Wasserzähler „strahlen“. Ethische Aspekte der künftig einzusetzenden digitalen Messgeräte. ETHICA 20 (2012) 2, 165 – 183
Derzeit befinden sich in vielen Ländern der Welt gigantische Netze im Aufbau, die dem digitalen Stromzählen dienen sollen. Ihr Nutzen wird allenthalben angepriesen, die Nachteile bleiben indessen weitgehend verschwiegen und werden viel zu wenig öffentlichkeitswirksam diskutiert. Dabei tun sich hier unter ethischem Aspekt eine Reihe von Problemen auf, die dringender Reflexion bedürfen. Freiheitsrechte, Datenschutz und die Rechte von elektro­sensiblen Minderheiten sind bedroht, wenn in jede Wohnung solche Zähler für Strom, Gas und Wasser hineingezwungen werden, die für die Betroffenen womöglich unzumutbare Vor­schriften hinsichtlich unkontrollierbarer Datenabrufbarkeit, Außen­steu­erungen und einzu­bauender „strahlender“ Technologie (Mobilfunk oder PLC) mit sich bringen. Es besteht akuter Handlungsbedarf.
Datenschutz
Datensicherheit
Digitale Messgeräte
Elektrosensibilität
Energiesparen
Li-Fi
Mobilfunk
PLC (Powerline Communication)
Smart Grid
Smart Metering
Strahlenbelastung

THIEDE, WERNER: When radiation escapes from electrical power and water meters. Ethical aspects concerning future digital measuring devices. ETHICA 20 (2012) 2, 165 – 183
At the moment gigantic national grids are installed all over the world to serve future digital metering. Whereas much is said about their benefits, the disadvantages are largely concealed, i.e. they are hardly discussed in the public though, from an ethical point of view, there are many problems which should really be reflected. Rights of freedom, data protection as well as the rights of minorities that are hypersensitive to electromagnetic fields are in danger if such digital meters for power, gas and water are forced on each home. This, possibly, implies unreasonable regulations as far as uncontrollable data retrieval, external control units and built-in „radiating“ technology (mobile communication systems, PCL) are concerned. There is an urgent need for action.
Data protection
data security
digital measuring devices
electromagnetic hypersensitivity
energy savings
Light Communication
mobile communication systems
PLC (Powerline Communication)
radiation (exposure)
Smart Grid
Smart Metering

ETHICA 2012/3

JOÓB, MARK: Der Mensch als Subjekt von Freiheit und Verantwortung. ETHICA 20 (2012) 3, 195 – 214
Der Artikel will dazu beitragen, die Begriffe Freiheit und Verantwortung sowie insbesondere das Verhältnis dieser Begriffe zueinander zu klären. Dabei steht der Mensch als Subjekt im Mittelpunkt. Die zentrale Erkenntnis der Untersuchung ist, dass der Umfang der persönlichen Verantwortung genau dem Umfang der persönlichen Freiheit entspricht. Die präsentierte begriffliche Klärung ist deshalb von großer aktueller Bedeutung, weil die ethisch-philosophische Fundierung des gegenwärtigen wirtschaftsethischen Diskurses zum Thema Freiheit und Verantwortung mangelhaft ist. So wird auch in Zusammenhang mit dem Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) oft der Anschein erweckt, als wären Freiheit und Verantwortung konkurrierende Begriffe.
Autonomie
Corporate Social Responsibility
Freiheit
Verantwortung
Wirtschaftsethik

JOÓB, MARK: Man as subject of freedom and responsibility. ETHICA 20 (2012) 3, 195 – 214
The author’s intention is to clarify the concepts of freedom and responsibility and in particular the relations to one another, with man as subject being in the centre of the investigation. The main finding is that the extent of personal responsibility exactly corresponds to the extent of personal freedom. The conceptual clarification presented has high actual relevance because the ethical-philosophical foundation of the modern discourse in the field of business ethics on the concepts of freedom and responsibility is inadequate. Even in the context of corporate social responsibility (csr) it often seems as if freedom and responsibility were competing concepts.
Autonomy
business ethics
corporate social responsibility
freedom
responsibility

WITSCHEN, DIETER: Religionsfreiheit schützen. Eine spezifische menschenrechtliche Verpflichtung. ETHICA 20 (2012) 3, 215 – 235
Im neueren Menschenrechtsdiskurs hat sich die Pflichtentrias des Achtens, des Schützens und des Gewährleistens zunehmend eingebürgert. Was es mit der spezifischen Verpflichtung des Schützens auf sich hat, lässt sich exemplarisch anhand des Rechts auf Religionsfreiheit aufzeigen. Der Staat als primärer Garant hat dieses Recht nicht nur zu achten, indem er selbst Eingriffe in die religiöse Freiheit von Individuen wie Gemeinschaften unterlässt. Zu seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen gehört ebenfalls, Übergriffe Dritter, seien es die von Gruppen oder Individuen, auf die Religionsfreiheit anderer zu verhindern. Für die Opfer beispielsweise von religiöser Verfolgung oder Diskriminierung hat er aktiv Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Menschenrechtliche Pflichten
Option für die Schwachen
Religionsfreiheit
Schützen
Staat

WITSCHEN, DIETER: To protect religious freedom – a specific duty in the context of human rights. ETHICA 20 (2012) 3, 215 – 235
Recent discourses on human rights have increasingly adopted the duties of respect, protection and guarantee. What is meant by the specific duty of protection may be explained by the example of the right to religious freedom. The state as primary guarantor is not only obliged to respect this right by refraining from interventions into the religious freedom of individuals and groups. The state’s duty – in the context of human rights – is also to prevent people, be them groups or individuals, from encroaching on the religious freedom of others. This includes to actively provide precautionary measures for e.g. the victims of religious persecution or discrimination.
Duties in the context of human rights
option in favour of the weak
protection
religious freedom
state, government

SCHÖNHERR-MANN, HANS-Martin: Willensfreiheit und Verantwortung zwischen Philosophie und Hirnforschung. ETHICA 20 (2012) 3, 237 – 253
Die Libet-Experimente aus den neuzehnhundertachtziger Jahren lösten eine lange Debatte über die Willensfreiheit aus. Die Verteidiger derselben entstammen primär dem Lager des modernen Rationalismus. Sie befürchten eine Beeinträchtigung der Rechtskultur, wenn man die Willensfreiheit in Frage stellt. Dabei bestätigen die Experimente von Libet und Gazzaniga denn auch primär die Einsichten der hermeneutischen Philosophie seit Schopenhauer und Nietzsche, an die Freud und Lacan anschließen: Was den Menschen bewegt, das ist ihm selbst häufig kaum bewusst und klar, steht die Vernunft nicht selten im Dienste eines dunklen Willens. Dergleichen muss aber keineswegs in die Verantwortungslosigkeit führen. Gazzaniga bestätigt ähnlich wie Vattimo, dass man aus der Ungewissheit dieser Zusammenhänge gerade Verantwortung nicht abschieben kann.
Das Bewusstsein des Anderen
Determination und Verlässlichkeit
Der Wille zur Macht
Die linke Gehirnhälfte als interpretierendes Zentrum
Die Welt als Wille
Freiheit der Wissenschaft
Libet-Experimente
Split-Brain-Patienten
Verantwortung aus Ungewissheit
vernunftbestimmter Wille
Willensfreiheit

SCHÖNHERR-MANN, HANS-MARTIN: Free will and responsibility between philosophy and brain research. ETHICA 20 (2012) 3, 237 – 253
The Libet experiments of the 1980’s triggered off a long discussion on the freedom of will. Their advocates are primarily to be found among modern rationalists. They fear a restriction of legal culture if free will is called into question. In this context, the experiments done by Libet and Gazzaniga also confirm the conclusions of hermeneutic philosophy since Schopenhauer and Nietzsche, followed by those of Freud and Lacan. What man is moved by, he sometimes himself does not clearly know as reason is quite often dominated by a dark will. However, this need not necessarily lead to irresponsibility. Like Vattimo also Gazzaniga confirms that the uncertainty of such correlations is no reason to pass the buck.
Consciousness of the other
determination and reliability
freedom of science
freedom of will
left brain hemisphere as interpreting centre
Libet experiments
responsibility from uncertainty
split-brain patients
the will to power
The World as Will
will endowed with reason

KRASCHL, DOMINIKUS: Die moderne Demokratie und die Frage ihrer Legitimation. ETHICA 20 (2012) 3, 255 – 272
Der Beitrag widmet sich der Frage der Legitimation des modernen, demokratischen Verfassungsstaates. Er knüpft dabei an einen diskursethisch motivierten Vorschlag von Jürgen Habermas an, der den Menschenrechten in ihrer Doppelgestalt als juridischen und moralischen Normen eine demokratiebegründende Funktion zuschreibt. Im Anschluss an eine Skizze des Habermasschen Vorschlags werden verschiedene Varianten der Kritik an den Menschenrechten bzw. ihrer verfassungslegitimierenden Funktion diskutiert. Ausblicke auf ein mit Habermas’ Konzeption zusammenhängendes Konfliktfeld, das sich zwischen der weltanschaulichen Neutralität des demokratischen Staates in Fragen des öffentlichen Lebens und dem Recht auf freier Religionsausübung auftut, runden den Beitrag ab.
Demokratie
Menschenrechte
Rechte und Pflichten
Rechtsstaat
Volkssouveränität

KRASCHL, DOMINIKUS: Modern democracy and the question of its legitimacy. ETHICA 20 (2012) 3, 255 – 272
The article addresses the question of the legitimacy of the modern democratic constitutional state. The author refers to the discourse ethics of Jürgen Habermas, who assigns human rights, in their two-faced form of juridical and moral norms, an important function when it comes to justify democracy. After giving a broad outline of Habermas’ proposal, various types of criticism of human rights and their constitution-legitimating function are discussed. Finally, the author also points to an area of conflict opening up between the ideological neutrality of a democratic state in matters of public life and the right to religious freedom.
Constitutional state
democracy
human rights
popular souvereignty
rights and duties

ETHICA 2012/4

MÜNK, HANS J.: Von der Natur zur Gegennatur? Synthetische Biologie (SB) in der Diskussion. Kommentierte Präsentation eines neues Tagungsbandes. ETHICA 20 (2012) 4, 291 – 316
Unter dem Oberbegriff ‚Synthetische Biologie‘ haben sich seit einigen Jahren auch im deutschsprachigen Raum eine Reihe von stark ingenieurwissenschaftlich geprägten Forschungsansätzen entwickelt, die zwar – in mancher Hinsicht zu Recht – meist noch immer von der klassischen Gentechnik her beurteilt werden, deren Zielsetzungen und Zukunftsvisionen jedoch mehr und mehr darüber hinausgehen.
In diesem Beitrag werden anhand eines neuen, von Experten aus dem betroffenen Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen verfassten Tagungsbandes die vielgestaltigen neuen Forschungswege und ihre Herausforderungen für die ethische Urteilsbildung thematisiert.
Darüber hinaus zeichnet sich eine Art Feuerprobe für herkömmliche kulturelle (gerade auch religionskulturelle) Grundverständnisse und Deutungssysteme ab (z. B. Grunddistinktion‚ ‚lebendig/nicht-lebendig‘). Hier könnte unter dem Eindruck von erosionsartig wirkenden neuen Ergebnissen aus der Synthetischen Biologie von der Philosophie, Theologie und einigen kulturwissenschaftlichen Disziplinen mancher neue Schritt auf bislang kaum bekanntes Terrain verlangt werden.
Bioengineering
Evolution
„Gott spielen“
kulturelles Gedächtnis
lebendig / nicht-lebendig
living machines
Synthetic Genomics
Xenobiologie

MÜNK, HANS J.: From nature to anti-nature? Synthetic biology (SB) under discussion. Presentation of and commentary on a new conference proceedings. ETHICA 20 (2012) 4, 291 – 316
Under the generic term ‘Synthetic biology’ a number of research approaches have developed in the last few years that are particularly characterized by the engineering sciences and are often judged – sometimes rightly – on the basis of classical genetic engineering though their objectives and visions of the future tend to go far beyond.
To enable an ethical judgement, the author of this article discusses the multiple new ways and challenges of research as presented by experts in the relevant disciplines in a recent conference proceedings.
Besides, a crucial test seems to become apparent for conventional cultural (even religio-cultural) basic understanding and systems of interpretation (e.g. basic distinction, ‘living / non-living’). Thus – in the light of potentially erosive results in synthetic biology – philosophy, theology as well as some cultural scientific disciplines might be confronted with the necessity of exploring new ground.
Bioengineering
cultural memory
evolution
living / non-living
living machinges
“playing” God
synthetic genomics
xenobiology

WESTERHORSTMANN, KATHARINA: Wie weit reicht die Verantwortung? Zur Ambivalenz eines ethischen Begriffs. ETHICA 20 (2012) 4, 317 – 343
Der Begriff der „Verantwortung“ spielt seit einigen Jahren in den großen ethischen Debatten eine zentrale Rolle. Mit Hilfe von „Verantwortung“ lässt sich eine Form der Verpflichtung und Haftung darstellen für vergangene Handlungen ebenso wie für zukünftiges Tun. Der Begriff eignet sich für ethische Positionsbestimmungen in einer pluralen Gesellschaft, da sich mit ihm Forderungen, weitgehend unabhängig von kulturellen oder religiösen Vorannahmen, erheben lassen. Gegenwärtige Tendenzen lassen jedoch die Ambivalenz des Verantwortungsbegriffs erkennen, wenn Eltern sich genötigt sehen, die Verantwortung für ihr Kind auch dadurch wahrzunehmen, dass sie bereits vor der Geburt z. B. nach Bestimmung des fetalen Genoms oder nach der Durchführung des Down-Syndrom-Bluttests über Existenz oder Nicht-Existenz des Kindes entscheiden sollen. Bereits Hans Jonas bestimmte hingegen „Verantwortung“ wesentlich als „Fürsorgeverantwortung“. Ohne die Begrenzung der Verantwortung durch ethische Begriffe wie „Fürsorge“ oder „Gerechtigkeit“ drohen die Anforderungen an Verantwortlichkeit in eine Schieflage zu geraten. Es ist zudem deutlich zu machen, dass auch verantwortliches Unterlassen die Erfüllung einer ethischen Verpflichtung bedeuten kann.
Designerkind
Gesundheit
Jonas, Hans
PID
Pränataldiagnostik
Verantwortung
Verantwortung, elterliche

WESTERHORSTMANN, KATHARINA: How far does responsibility go? On the ambivalence of an ethical concept. ETHICA 20 (2012) 4, 317 – 343
Since a few years the concept of “responsibility” has been playing a central part in the major ethical discussions, because it implies some kind of obligation concerning past as well as future actions. The concept may be used for determining ethical positions in a plural society as in this way demands can be made relatively independent of cultural or religious presumptions. However, recent developments revealed the ambivalence of the concept of responsibility if, e.g., parents feel obliged to take full responsibility for their child to the effect that they have to decide about existence or non-existence even before the child’s birth after genome analysis or the down-syndrom-test. Hans Jonas, on the other hand, essentially considered “responsibility” as a “responsibility of care”. Without limiting responsibility by ethical concepts such as “care” or “justice”, the challenges to responsibility are likely to get out of control. Moreover, it is to be pointed out that responsible refraining from doing may be equivalent to fulfilling an ethical obligation.
Designer baby
health
Jonas, Hans
parental responsibility
preimplantation genetic diagnosis
prenatal diagnosis
responsibility

IRRGANG, BERNHARD: Synthetische Biologie und künstliche Organismen. ETHICA 20 (2012) 4, 345 – 361
Die synthetische Biologie ist die Fortsetzung der Gentechnik. Die technologische Konstruktion artifizieller Lebensformen setzt in hohem Maße wissenschaftliches und technisches Know that und Know how voraus. Die Rahmenordnung experimenteller Forschung wird nicht durch experimentelle Forschung abgesteckt, sondern durch philosophische Reflexionen. Die konkreten Gefahren der neuen synthetischen Biologie werden häufig diskutiert im Kontext allgemeiner Gefahren im Verhältnis zur Künstlichkeit. Künstlichkeit oder Natürlichkeiten machen jedoch keine Aussagen über Biosicherheit. Als Philosophen sollten wir auch diese interessante und vielversprechende Entwicklungsmöglichkeit hypermoderner Technologie kritisch begleiten, um mögliche Schäden von der Menschheit abwenden zu können. Die Diskussion um das neue Schöpfertum des Menschen oder gar die Rede vom „Gott spielen“ scheint mir dagegen unangemessen.
Biologie
Biomedizin
Gentechnik
Künstlichkeit
Nachhaltigkeit
Synthetische Biologie
Technikphilosophie

IRRGANG, BERNHARD: Synthetic biology and artificial organisms. ETHICA 20 (2012) 4, 345 – 361
Synthetic biology is the continuation of genetic engineering. The technological construction of artificial life-forms presupposes scientific and technical Know that and Know how. The framework of experimental research is not defined by experimental research itself but by philosophical reflections. The concrete dangers of new synthetic biology are frequently discussed in the context of general dangers in proportion to artificiality. However, neither artificiality nor naturalness can be considered a gauge of biosafety. From a philosophical point of view one should not refrain from keeping a critical eye on this interesting and promising possibility for development of hypermodern technology so as to be able to avert potential damage from mankind. On the other hand, discussions on man “playing the Creator” are considered inappropriate by the author.
Artificiality
biology
biomedicine
genetic engineering
philosophy of technology
sustainability
Synthetic biology