Wer sich mit Grenzgebieten befasst, stößt früher oder später unweigerlich auf den Jesuiten Athanasius Kircher (Abb. 1), ein Universalgenie, das im Umfang an Wissen von der Physik bis zur Theologie und an innovativen Arbeiten und Interessen seinesgleichen sucht, war Kircher doch gleichzeitig Erfinder, Komponist, Geograph, Geologe, Ägyptologe, Historiker, Abenteurer, Philosoph, Eigentümer eines der ersten öffentlich zugänglichen Museen, Physiker, Mathematiker, Naturforscher, Astronom, Archäologe und Autor von mehr als 40 veröffentlichten Werken.
Als Zeitgenosse von Newton, Boyle, Leibniz und Descartes wurde ihm jedoch sein rechtmäßiger Platz in der Wissenschaftsgeschichte vorenthalten, weil er in seinem überragenden Weitblick als Jesuit und Theologe aus den Aussagen der Bibel und der in Entstehung begriffenen säkularwissenschaftlichen Erkenntnistheorie eine vereinheitlichte Weltsicht zu schmieden versuchte.
Inzwischen hat man die Einseitigkeit der rein naturwissenschaftlichen Weltbetrachtung erkannt und Forscher, die sich um eine umfassendere Sicht des Kosmos bemühten, gewinnen wieder mehr an Beachtung. So wurde auch der 400. Geburtstag von Athanasius Kircher zum Anlass einer Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen: 28 Februar bis 22 April im Palazzo di Venezia, Rom; 4. März bis 27. Juli 2002 in der Bibliotheca Augustea in Wolfenbüttel; 1. Oktober bis 14. Dezember 2002 im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg. Die für die Ausstellung in Rom und Würzburg erstellten Kataloge vermitteln dabei einen wertvollen Einblick in das umfassende Werk dieses Universalgelehrten, das hier nur skizzenhaft angedeutet werden kann. Schließlich hat das Jubiläum auch das Internet zu vielfältigen Informationen angeleitet, was hier ebenfalls erwähnt sei.
Schließlich sei noch auf das Symposion: »Athanasius Kircher: Jesuit und Universalgelehrter des 17. Jahrhunderts«, 6.-9. März 2003 in Fulda, verwiesen.
LEBEN
ATHANASIUS KIRCHER wurde am 2. Mai 1602 in Geisa (Rhön) im Ulstertal, Deutschland, geboren. Seine erste Ausbildung erhielt er von seinem Vater Johann Kircher, Doktor der Philosophie und Theologie, der selbst eine umfangreiche Bibliothek besaß. Im Alter von zehn Jahren wurde Athanasius auf das von Jesuiten geleitete Gymnasium in Fulda geschickt, wo ihn unter anderem ein Rabbiner in der hebräischen Sprache unterrichtete. Da er sich zum Priestertum berufen fühlte, wollte er in den Orden eintreten, wurde zunächst aber zurückgewiesen, was ihn ziemlich entmutigte. Beim Eislaufen zog er sich dann eine Verletzung an den Beinen zu, die eiterte und zu einem Wundbrand führte. Davon überzeugt, vom Orden erneut zurückgewiesen zu werden, wenn sein Leiden bekannt würde, hielt er seinen Zustand bis zu seiner Zulassung zum Noviziat am 2. Oktober 1618 in Paderborn geheim.
Bei seiner Ankunft im Kolleg erkannte man jedoch seine gesundheitliche Verfassung und erklärte ihn für unheilbar. Eines Nachts suchte Kircher in einer nahe gelegenen Kapelle eine Marienstatue auf, die für ihre wunderbaren Heilkräfte berühmt war. Nachdem er sich in innigem Gebet an sie gewandt hatte, zog er sich zum Schlafen zurück. Als er erwachte, stellte er fest, dass sowohl sein Beinleiden als auch ein chronischer Bruch, der ihm Beschwerden bereitet hatte, vollständig und auf wunderbare Weise geheilt waren.
So wurde Rom zu seinem ständigen Aufenthalt. Die nächsten Jahre verbrachte Kircher neben dem offiziellen Unterricht mit konzentrierten Forschungen zur Hieroglyphik und zur koptischen Sprache, die er schließlich erfolgreich als Nachfolgerin der (gesprochenen) ägyptischen Sprache identifizieren konnte, wobei es ihm allerdings nicht gelang, die Verbindung zur phonetischen Bilderschrift herzustellen.
1637-1638 begleitete Kircher Friedrich von Hessen, den jüngst konvertierten Landgrafen des Großherzogtums Hessen-Darmstadt und späteren Kardinal, als Beichtvater auf einer Reise durch Süditalien, Sizilien und Malta. Auf Sizilien wurden sie Augenzeugen des Ausbruchs von Ätna und Stromboli, in Kalabrien gerieten sie in das schwerste Erdbeben seit Menschengedenken und erlebten den Untergang der Insel St. Euphemia. Als die Reisegesellschaft Neapel erreichte, drohte auch der Vesuv auszubrechen. Eilends erklomm der 35-jährige Kircher den Berg und seilte sich in unerschütterlichem Gottvertrauen unter Lebensgefahr in den Krater des rumorenden Vulkans ab, um sich sein eigenes Bild zu machen (Abb. 2). Diese Erlebnisse gaben den Ausschlag für sein fortdauerndes Interesse an der Geologie, das schließlich in seinem 1665 erschienenen Großwerk Mundus subterraneus reiche Früchte trug. Es sollte dies Kirchers letzte große Reise gewesen sein.
Acht Jahre nach seiner Ankunft in Rom wurden Kirchers Forschungsleistungen in solchem Maße geschätzt, dass er 1641 gänzlich von seinen Lehrverpflichtungen befreit wurde, um sich vollkommen seinen Experimenten und dem Verfassen seiner Schriften widmen zu können. Zu den Büchern, die er in dieser Zeit veröffentlichte, gehören: Magnes sive de arte magnetica (Rom, 1641; Köln, 1643, 1654); Lingua aegyptiaca restituta (Rom, 1643); Ars magna lucis et umbrae (Rom, 1646); Musurgia universalis sive ars consoni et dissoni (Rom, 1650); Obeliscus Pamphylicus (Rom, 1650); Oedipus Aegyptiacus (Rom, 1652-1654); Itinerarium extaticum s. opificium coeleste (Rom, 1656); Iter extaticum secundum, mundi subterranei prodromus (Rom, 1657), die sich jeweils mit dem Magnetismus, der Musik und Akustik, der Ägyptologie und Geologie befassen, wobei Magnes sive de arte magnetica, Musurgia universalis und Oedipus Aegyptiacus die umfangreichsten sind.
Kirchers Erfindungsgabe machte ihn zum Schöpfer einer großen Anzahl von Instrumenten, vom Sprachrohr bis hin zu Komponiermaschinen. Im Zuge seiner gleichzeitig verfolgten Interessen für den Magnetismus, die Musikwissenschaft, die Astronomie, die Archäologie und die Linguistik erstellte und sammelte er zudem enorme Mengen wissenschaftlicher Daten, erfand zahllose optische, magnetische und akustische Apparaturen, schrieb musikalische Kompositionen, Gedichte und phantastische Geschichten.
Zu alledem fand er noch Zeit für Projekte wie seine Zusammenarbeit mit dem großen barocken Bildhauer Bernini bei der Restaurierung und Aufstellung des Obelisken und des Vierströmebrunnens auf der Piazza Navona, wo er ihn bei der Auswahl der Tiere beriet.
Als Rom 1656 von der Pest heimgesucht wurde, verbrachte Kircher Tag für Tag mit der Pflege todkranker Patienten. Auf der Suche nach einem Heilmittel beobachtete er unter seinem Mikroskop Mikroorganismen und entwickelte eine Theorie, nach der Keime für die Übertragung von Krankheiten verantwortlich waren. Diese Theorie führte er in seinem Werk Scrutinium pestis physicomedicum (Rom, 1658) aus.
Von seiner Einstellung her war Kircher grundsätzlich allem Neuen gegenüber offen. So war er einer der ersten Theologen, welche die Erkenntnisse G. Galileis nicht einfach verurteilten, sondern einer eigenen Überprüfung unterzogen. Seine wissenschaftliche „Meinung“ hat er dann in satirischer Weise im 1. Teil seines Itinerarium exstaticum (1656) dargelegt.
In den Jahren um 1660 zog sich Kircher, zum Teil aus gesundheitlichen Gründen, in die ländlichen Regionen um Rom zurück, wo er für sein Buch Latium zu forschen begann, in dem er sich mit der Geographie und Geschichte des Landstrichs beschäftigte. Auf einer seiner Reisen entdeckte er die Ruine einer kleinen Kirche bei Mentorella, die dort errichtet war, wo Eustachius, ein römischer General, sich zum Christentum bekehrt hatte, nachdem ihm in einer Vision der Gekreuzigte im Geweih eines Hirsches erschienen war. Kircher setzte sich nun mit aller Kraft durch Forschungsarbeit und Sammlung der nötigen Mittel, besonders in Deutschland, für den Wiederaufbau der Kapelle und ihre Wiedereinführung als Pilgerstätte ein, worüber er 1665 die Historia Eustachio-Mariana veröffentlichte.
Trotz dieser aufreibenden Arbeit gelang es ihm in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts, sein „Museum Kircherianum“ als separates Gebäude für seine umfassende Sammlung von Kuriositäten und Erfindungen aufzubauen und zudem fünf weitere Bücher zu veröffentlichen, darunter seine überaus populären spekulativ-historischen Abhandlungen über den Turm von Babel (Abb. 3) und die Arche Noah.
Als Kircher am 27. November 1680 starb, hinterließ er zahllose Manuskripte, Notizbücher und umfangreiche Briefwechsel, die in den folgenden Jahrzehnten nach und nach veröffentlicht wurden. Mit den Jahren verkam Kirchers Name auf schmachvolle Weise zu einer Fußnote in der Wissenschaftsgeschichte. Da nun aber das Interesse an einer Zusammenführung wissenschaftlicher und spiritueller Modelle des Universums in den letzten Jahren eine Wiederbelebung erfahren hat, ist Kirchers Name erneut in Umlauf gekommen und man hat begonnen, eine Neubewertung seines historischen Beitrags in Gang zu bringen. Heute scheint es unumgänglich, dass Athanasius Kircher bald als einer der größten und aufgeschlossensten wissenschaftlichen Visionäre seiner eigenen Zeit und aller Zeiten anerkannt werden wird.
Das gesamte Wirken Kirchers kreiste nämlich um ein Problem: die Einheitlichkeit der Schöpfungsordnung in Gott. Der wissenschaftlichen Begründung dieser Vorstellung galt sein ganzes Bemühen. Nur deshalb versuchte er, diese Thematik von vielen Seiten her anzugehen und zu behandeln. Seine Universalität beruhte also eigentlich auf dieser genuin religiösen Fragestellung, weshalb ihn die rein naturbezogene Wissenschaft aus ideologischem Machtverständnis und gedanklicher Begrenztheit bewusst verschwieg oder als Phantasten hinstellte, ohne sich mit ihm ernstlich zu befassen.
Kircher forschte in allen Bereichen der Naturwissenschaft und veröffentlichte Bücher über Physik, Chemie, Magie, Mechanik und Astrologie; er konstruierte die erste Laterna Magica, zeichnete die ersten Mondkarten und war einer der Ersten, der Meeresströmungen kartografisch vermaß. Durch seine zahllosen Arbeiten gilt er als einer der bedeutendsten Universalgelehrten der Neuzeit.
WERKE
Wie schon erwähnt, interessierte sich Kircher für alles, was sich zwischen Himmel und Erde als Gottes Schöpfung offenbart. Seine Werke umfassen mehr als 40 Bücher und 2000 Briefe, die meist an bekannte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Technik seiner Zeit gerichtet sind. Darunter gehörte der 2000 Seiten umfassende „Oedipus“ wohl zu den kostspieligsten Werken, wurde doch für seine Drucklegung von Kaiser Ferdinand III. die unglaubliche Summe von 3000 Scudi als Druckkostenzuschuss bezahlt, was nach heutiger Kaufkraft etwa ½ Mio. Euro entspricht. In den folgenden Darlegungen kann nur auf die wichtigsten Werke eingegangen werden, wobei der Zeit ihrer Veröffentlichung gefolgt wird.
Magnes sive de arte magnetica (1641)
Besonderes Interesse brachte Kircher dem Wirken unsichtbarer Kräfte entgegen, wobei er gleich mit seinem ersten Werk über den Magnetismus in diesem jene Kraft erkannte, welche die Welt zusammenhält. Im magnetischen Dualismus sah Kircher nämlich das Universalprinzip, mit dessen Hilfe sich durch Analogiebildungen die gesamte Erscheinungswelt erschließen lasse. Dazu gehörte natürlich auch das Wünschelrutenphänomen. Bei seinen diesbezüglichen Untersuchungen war er vor allem bestrebt, jede Spur von Mystizismus von der „virgula divinatoria“ zu entfernen und änderte zuallererst den Namen in „virgula metalliscopia“ (Metalloskop), die er folgendermaßen beschreibt:
„Die Wünschelrute oder das Metalloskop wird im besonderen benützt, um nach Metallen zu suchen. Wie funktioniert das? Als erstes schneidet man einen Stock aus Haselholz, den man für geeignet hält, um damit Adern zu finden, mit einem Messer ab. Es ist in der Tat notwendig, die Finger zusammenzudrücken, zum Himmel zu blicken und die Rute bei ihren Hörnern zu nehmen. In Deutschland nimmt man auch einen sehr dicken Haselzweig mit einer Gabelung, teilt ihn in zwei Teile, höhlt das Ende des einen Teils aus und lässt das Ende des anderen Teiles in der Weise spitz zulaufen, dass er in die Höhlung hineinpasst“1 (Abb. 4).
Bei der näheren Untersuchung des Wünschelrutenphänomens vertrat Kircher zunächst die Ansicht, dass die Rute von den Dämpfen aus den unterirdischen Adern angezogen würde, zumindest von salzhaltigen, doch zeigten die Experimente, dass die „Affinität“ zwischen Rute und Metall keine Rolle spielte, weshalb er zum Schluss kam:
„Ich halte die Vorstellung für unwahrscheinlich, dass die Fähigkeit der Weissagung aus irgendeiner magnetischen Kraft in der Wünschelrute selbst kommt; denn wenn wir diese Ruten nahe an Metalle legen, zu denen sie, wie gesagt wird, eine besondere Affinität haben, und selbst wenn sie genau balanciert werden und ohne den geringsten Druck gehandhabt werden, ist überhaupt keine Reaktion festzustellen. Ich habe dieses Experiment viele Male ohne irgendein Ergebnis durchgeführt … Ich nahm einen Stab von den Bäumen, von denen man glaubt, das sie eine magnetische Anziehungskraft zu verschiedenen Metallen haben. Dann stellte ich eine Nadel (aber unähnlich einer Kompaßnadel) aus verschiedenen Hölzern her, das eine mit einer Affinität zu Metall, das andere von irgendeiner Art ausgetrockneten Holzes. Ich verband sie beide in der auf der Zeichnung dargestellten Weise. Die beiden aneinandergefügten Stäbe sollten auf dem senkrechten Stab vollkommen balanciert sein. Wenn dies getan ist, und wenn du nun die Bewegungskraft erfahren willst, so gehe mit diesem Gerät zu einer Stelle, die über einer Mine liegt, dann müsste diejenige Hälfte, die zu diesem Metall Affinität besitzt, sich notwendigerweise neigen, wenn sie Bewegungskraft in sich hat“2 (Abb. 5).
Von dieser praktischen Anwendung seiner Vorstellung des Magnetismus auf den verschiedensten Gebieten der Technik kommt Kircher auf dessen Wirken in Flora, Fauna und Sternenwelt und spannt den Bogen bis hin zu den polaren Spannungen in Musik und Liebe, um schließlich Gott als den zentralen Magneten des Universums auszumachen, den Universalen Magier, in welchem sich die Bipolarität aller Dinge in der Vollkommenheit einer die Gegensätze versöhnenden Harmonie auflöst.
Musurgia universalis (1650)
Besonders auf dem Gebiet der Musik und Akustik leistete Kircher Bedeutendes. In seinem diesbezüglichen Hauptwerk, der Musurgia universalis sive ars consoni et dissoni (Rom, 1650), veröffentlichte er die von ihm in einem Kloster bei Messina gefundene Pindarmelodie, deren Echtheit heute allerdings umstritten ist. Über die Musik und sogar von der Optik her fand Kircher den Weg zur Akustik, wobei die Musurgia und Phonurgia nova (1673) im Wesentlichen ein Nachdruck der ersten vier Teile des IX. Buches der „Musurgia universalis“ zu nennen sind. Kircher fügte der Vorstellung des Archytas von Tarent (ca. 430-ca. 345 v. Chr.), eines Forschers aus der Schule des Pythagoras, dass Schall durch den gegenseitigen Stoß von Körpern entstehe, noch die Bedeutung von Luft und Wasser hinzu. Damit hatte Kircher als Erster die richtige Idee, wie man das Problem des Schall leitenden Mediums durch einen Versuch klären könnte. Allerdings hielt er an der aristotelischen Lehre der „fuga vacui“ fest, was ihm eine korrekte Interpretation seiner Versuchsergebnisse versperrte. Trotzdem bleibt es sein Verdienst, mit dem Experiment die richtige Idee gehabt zu haben, wodurch dann schließlich der Nachweis für die Notwendigkeit eines Mediums zur Schallausbreitung gelang.
Zur Erleichterung musikalischer Kompositionen konstruierte Kircher sogar einen Apparat, mit dem sich vierstimmige Tonsätze auf Grundlage gefertigter melodischer und rhythmischer Muster komponieren ließen, also eine Art elementaren Musikcomputer.
Zudem war für Kircher die Verwandtschaft von Optik und Akustik von Bedeutung. 1646, vier Jahre vor der „Musurgia“, erschien in Rom seine Ars magna lucis et umbrae. In diesem Buch, das für die Optik schon lange Zeit von Wichtigkeit war, wird von einer Parallelität von Licht und Schall gesprochen, zumal Kircher noch die Vorstellung hatte, dass Luft für die Lichtausbreitung nötig sei. Über die Höhe der Schallgeschwindigkeit findet man bei Kircher allerdings nur den Hinweis, dass sich Licht mit unendlich hoher Geschwindigkeit ausbreite, wogegen die Schallgeschwindigkeit einen endlichen Wert habe. Er betont auch deren Abhängigkeit von Faktoren wie Wind, Luftfeuchte, Jahreszeit und Tageszeit – Parameter also, deren Einfluss auf die Schallgeschwindigkeit erst späterhin genauer untersucht wurde. Allerdings vertrat er auch die falsche Auffassung, dass die Schallgeschwindigkeit von der Lautstärke abhänge.
Eine besondere Vorliebe entwickelte Kircher für die Fragen der Schallreflexion und des damit verbundenen Echos, wobei er diese Gesetzmäßigkeiten in der Praxis anwandte, um damit die Wirkungsweise von Flüstergalerien und anderen akustisch merkwürdigen Räumen zu erklären (Abb. 6). Dies ist der Hauptinhalt des IX. Buches der „Musurgia“ (Liber magicus), das er mit einigen Ergänzungen unter dem Titel Phonurgia nova (1673) neu herausgab.
Wenngleich Kircher eine Reihe von Irrtümern nachgewiesen werden können, so ermöglichte ihm seine positive Einstellung zum Experiment Schritte zu einer tieferen
Einsicht in die Natur. Diese Einsicht wird besonders im 10. Buch der „Musurgia“ mit dem Titel Decachordon naturae deutlich. Die dort vertretene Vorstellung vom harmonischen Aufbau des gesamten Universums fußt auf seiner Überzeugung, dass alle natürlichen Vorgänge von Gesetzmäßigkeiten getragen würden, wobei die Zahl zur Grundlage aller Ordnung werde: Numerus… est regula & norma omnium.
Scrutinium pestis physico-medicum (1658)
Theorie zur Krankheitsübertragung
Als Rom 1656 von der Pest heimgesucht wurde, verbrachte Kircher nicht nur Tag und Nacht bei der Pflege von Todkranken, sondern suchte auch fieberhaft nach einem Heilmittel. Er prüfte die Auswurfstoffe der Patienten mit Hilfe von Vergrößerungsgläsern und stieß dabei auf Mikroorganismen, wie sie bei Pestkranken, Pockenkranken oder bei Fleckfieber charakteristisch sind. So entwickelte er die Theorie, nach der Keime die Ursache der Pest, der Geißel der Menschheit bis in das 20. Jahrhundert hinein, seien. Er fand zwar noch nicht heraus, dass meist Nagetiere (vorwiegend Ratten) und die auf ihnen schmarotzenden Flöhe diese Krankheit übertrugen, stellte jedoch mit den wenigen und primitiven Mitteln seiner Zeit fest, dass es sich bei der Pest um eine Infektionskrankheit handelte – eine bakterielle, wie wir heute wissen.
Kirchers Zeitgenossen nahmen in der Tradition des Hippokrates (ca. 460-ca. 370 v. Chr.) als Ursache der Pest und anderer Plagen ihrer Zeit ein so genanntes Miasma an, eine krankmachende Materie, die vor allem durch faulige Prozesse in Luft und Wasser entstünde. Demgegenüber behaupteten Ansteckungstheoretiker wie Athanasius Kircher, dass spezifische Krankheitserreger die Ursache dieser Krankheiten seien. Im Blut von Pestkranken entdeckte Kircher denn auch 1669 unter dem Mikroskop erstmals Massen von „kleinen Würmern“ (lat. vermiculi) und „kleinen Tierchen“ (lat. animalcules) – vermutlich rote Blutkörperchen – und zog daraus den richtigen Schluss, dass ansteckende Krankheiten durch Mikroorganismen erzeugt würden. Endgültig konnte dies erst der Schweizer Bakteriologe Alexander Yersin (1863-1943) am 23. Juni 1894 nachweisen, als er den Pesterreger (Yersinia pestis) in toten Ratten identifizierte.
Nach diesen Erkenntnissen forderte Kircher im Jahre 1670 Gottfried Wilhelm v. Leibniz (1646-1716), mit dem er einen regen Briefwechsel pflegte, dazu auf, die Körpersäfte gesunder Menschen unter das Mikroskop zu nehmen, weil dies zur Entdeckung zahlreicher Dinge führen würde. In seinem Sammelwerk Physiologia Kircheriana experimentalis, das 1680 auch in deutscher Übersetzung erschien, entwickelte Kircher unter dem Teilabschnitt Scrutinium physicomedicum contagiosae luis quae dicitur pestis eine neue Theorie von der Übertragbarkeit von Infektionskrankheiten, wie sie bis dahin einmalig war. Zudem sorgte Kircher dafür, dass man der Pestgeißel nicht wehrlos ausgeliefert war. Er empfahl Abwehr- und Heilmaßnahmen, die im Prinzip noch bis in unsere heutige Zeit gültig sind. Dies waren zum Beispiel Isolation, Quarantäne, Verbrennen der von den Kranken getragenen Kleidung und benutzten Gegenstände, Räucherung der bewohnten Räume, Atemschutz durch Masken, diätetische Vorschriften, Einnahme von Arzneimitteln (bzw. was man damals darunter verstand), Dampfbäder und nicht zuletzt die religiöse Stärkung durch Gebet und Prozession. Erst im 20. Jahrhundert kamen sowohl Schutzimpfungen als auch Arzneimittel wie Sulfonamide und Antibiotika hinzu.
Für das Konzept der alternativen Medizin bis hin zum Mesmerismus sind hier auch Kirchers Studien über den Magnetismus zu nennen, mit dem er sich bereits in seiner ersten Schrift Ars magnesia (1631) auseinandersetzte. Nach der Darlegung in Ars magna lucis et umbrae (1646) sei das Licht der anziehende Magnet für alle Dinge und mit dem himmlischen Ursprung durch eine unbekannte Kette verbunden. Damit greift Kircher die naturphilosophische Idee der Sympathie auf und verweist auf die Signaturenlehre.
Oedipus Aegyptiacus (1652-1654)
Kirchers Hauptwerk über alles, was er mit dem alten Ägypten verband, ist der Oedipus Aegyptiacus (Abb. 7). Mit diesem Buch wollte er gleich dem jugendlichen Oedipus, jedoch ausgestattet mit dem Wissen seiner Zeit, das Rätsel der ägyptischen Sphinx lösen. Dabei symbolisiert er das Wissen durch das Bild über Oedipus, das Erfahrung und Verstand, gepaart mit Kenntnissen vieler Sprachen und der esoterischen Traditionen, darstellt. An dem ca. 2000 Seiten umfassenden Oedipus, das als eines der bedeutendsten Werke des 17. Jahrhunderts gilt, hat Kircher nahezu 20 Jahre lang gearbeitet.
Für Kircher war Ägypten (Abb. 8) der Hort der ältesten und unverfälschten göttlichen Weisheit, von der sich alle anderen Systeme ableiteten. Durch die Kenntnis und den Vergleich dieser anderen Systeme hoffte er, Rückschlüsse auf die ägyptische Weisheit ziehen zu können. Daher ist der Oedipus Aegyptiacus voll von Vergleichen mit anderen Kulturen von China bis Mittelamerika. Kircher war nämlich der Ansicht, dass alle Kulturen der Welt einen Teil der göttlichen Offenbarung und Wahrheit bewahrt hätten. Der ganze Kosmos war für ihn eine herrliche Theophanie, die es zu erforschen galt.
Für diesen Kulturvergleich war Kircher auch als führender Sprachwissenschaftler seiner Zeit wohlvorbereitet. Kaum ein anderer seiner Zeitgenossen dürfte so viele lebende wie tote Sprachen beherrscht haben. Zudem bediente er sich in wahrhaft genialer Manier einer symbolischen Logik, mittels der er komplette Texte „übersetzte“, in die er alles hineinpackte, was er über Ägyptische Weisheit, Phoenizische Theologie, Chaldäische Astrologie, Hebräische Kabbala, Persische Magie, Pythagoräische Mathematik wusste. Unter anderem habe Mose die Weisheit Ägyptens, in die er eingeweiht worden war, den Israeliten weitervermittelt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich im Oedipus Aegyptiacus auch die Beschreibung und Darstellung eines kabbalistischen Lebensbaumes findet (Abb. 9).3 Die zehn Sefirot sind entsprechend der Anzahl der hebräischen Buchstaben durch 22 Wege miteinander verbunden. Jede Sefira ist selbst wiederum ein Mikrokosmos, der sämtliche neun anderen Potenzen in sich vereinigt. Auf kosmischer Ebene entsprechen die sieben unteren Sphären den Planeten, die oberen drei dem Fixsternhimmel, dem ersten (unbewegten) Beweger und dem höchsten Licht-Feuerhimmel. Ihnen zugeordnet sind auch zehn Namen Gottes, zehn Erzengel, die neun Engelgruppen mit den menschlichen Seelen (Vertreter des zehnten einstmals gefallenen Engelchors). Kirchers Darstellungen und „Übersetzungen“ waren zudem so stimmig, dass kaum jemand an ihrer Gültigkeit zweifelte, bis J.F. Champollion 1822-24 den tatsächlichen Schlüssel fand, und zwar aufgrund der Vorarbeiten Kirchers. Die altehrwürdigen Texte entpuppten sich dabei als eher profanen Inhalts und es zeigte sich, dass Kircher einzig die waagrechte Zickzacklinie des ägyptischen M als Zeichen für „Wasser“ richtig gedeutet hatte.
Diese Erläuterung aller ihm bekannten Systeme diente Kircher letztlich jedoch nur als Hilfsmittel bei seiner Suche nach dem Gemeinsamen. Dies trifft auch für sein Bemühen um die Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen zu. Ohne den 1799 gefundenen „Stein von Rosette“ und die Arbeiten Kirchers wären die Hieroglyphen wahrscheinlich bis heute nicht entziffert. Kircher hatte bei seinem Versuch zur damaligen Zeit kaum eine Chance. Trotzdem ist sein Mut, sich an das Problem heranzuwagen, wobei weder er noch andere Erfahrungen auf dem Gebiet der Erschließung vergessener Sprachen und Schriften hatten, mehr als bewundernswert, zumal er nach der Symbolschrift suchte, die unabhängig von einer bestimmten Sprache war. Auf diese Symbole sollte man deshalb auch aus anderen Kulturen schließen, ja sie sogar nur mit Hilfe des Verstandes verstehen können. Dies mag fantastisch klingen, doch Kirchers Vorgehensweise war alles andere als Phantasterei. Wie es seiner Art entsprach, waren auch seine Ansätze, die Hieroglyphen (Abb. 10) zu entschlüsseln, von mathematisch-logischem Denken bestimmt. So stellte er sich unter anderem folgende Aufgaben:
- Suche alle Denkmäler mit Hieroglyphen zusammen.
- Vergleiche und isoliere die einzelnen Zeichen.
- Suche über die so gefundenen Einzelzeichen Aussagen aus alten Texten zu erlangen, um dadurch jedem Zeichen den richtigen Symbolwert zuzuordnen.
- Ersetze die Hieroglyphen auf den Textträgern durch die so gefundenen Symbolwerte.
- Verbinde die Symbolwerte zu einer Aussage.
Zur Gewinnung dieser Voraussetzungen für die Entzifferung der Hieroglyphen sammelte und publizierte Kircher alle ägyptischen Inschriften, deren er habhaft wurde. Er erkannte gleiche Hieroglyphen und -gruppen auf verschiedenen Denkmälern, stellte einzelne Texte synoptisch zusammen und zog aus ihrer Ähnlichkeit Schlussfolgerungen. Hauptquelle waren die Obelisken, von denen es in Rom mehr Exemplare gibt als sonstwo außerhalb Ägyptens. Kircher kopierte die Inschriften dieser Denkmäler und ließ Modelle davon für sein Museum, das Museum Kircherianum, erstellen. Von den Obelisken in Istanbul, Alexandria und Heliopolis ließ er Zeichnungen und Abschriften anfertigen oder erwarb die schon vorhandenen. Seine Kontakte mit dem gelehrten Europa gewährten ihm Zugang zu vielen Aegyptiaca aus Sammlungen in Adelshäusern und bei wohlhabenden Kaufleuten. Die Abbildungen, die man in Kirchers Schriften findet, sind oft die einzigen oder die ersten, die es von einem ägyptischen Stück gab.
In diesem Zusammenhang sind auch die koptischen Manuskripte zu sehen, die Kircher über Peiresc aus dem Besitz von Pietro della Valle erhielt. Sie ermöglichten ihm sogar, ein erstes Lehrbuch des Koptischen in einer europäischen Sprache zu schaffen. Da das Koptische die späteste Form der Sprache der Pharaonen war, bilden die Publikationen über die koptische Sprache neben dem Sammeln und Abbilden von Aegyptiaca die nachhaltigste Leistung Kirchers zur Ägyptologie. Sie ermöglichte, wie schon erwähnt, fast 150 Jahre nach Kirchers Tod dem Franzosen J.F. Champollion, der sich ausgiebig mit Kirchers Publikationen beschäftigt hatte, 1822-24 den Durchbruch bei der Entzifferung der Hieroglyphen.
Iter extaticum coeleste (1657)
Kircher und die Astronomie
Bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatten die Astronomen den Sternenhimmel mit bloßem Auge beobachtet. Durch die Erfindung des Teleskops, das im Jahre 1610 erstmals von GALILEO GALILEI (1564-1642) zu astronomischen Beobachtungen eingesetzt wurde, eröffnete sich eine neue Sicht der Phänomene des Himmels.
Kircher selbst war zwar kein Astronom, der mit seinen Beobachtungen und Berechnungen neue Erkenntnisse lieferte, doch erfüllte er durch seine eingehenden astronomischen Kenntnisse wichtige Funktionen.
a) Als Informant:
In seiner umfangreichen Korrespondenz vermittelte er Beobachtungsdaten und stellte dadurch einen Umschlagplatz für weltweite astronomische Information dar.
b) Als Koordinator:
Dank der in aller Welt verstreuten Jesuitenkollegien war er imstande, weltweit koordinierte astronomische Beobachtungen zu organisieren.
Im Iter exstaticum coeleste (Abb. 11) unternimmt Kircher eine imaginäre Weltraumfahrt, um mit einem himmlischen Begleiter Mond, Sonne und Planeten zu besuchen und sich das Firmament erklären zu lassen, wobei er sich auf die Erkenntnisse der Astronomen seiner Zeit stützt. Auf einer festgelegten Route erreicht Kircher die einzelnen Himmelskörper, beschreibt sie und gibt damit eine allgemein verständliche Einführung in die Kosmologie, die der damals vertretenen christlichen Schöpfungslehre entsprach.
Instrumentum pantometrum (1643, 1660),
„Alles-Messer“
In seinem Magnes sive de arte Magnetica (1643) beschreibt Athanasius Kircher ein Vermessungsinstrument, das er als ein Instrumentum pantometrum („Alles-Messer“) ichnographicum (kartographisch) magneticum (magnetisch) bezeichnet. Damit will er zum Ausdruck bringen, dass man mit ihm alle kartographischen Aufgaben unter Ausnutzung des Magnetismus lösen kann. Er gibt eine Bauanleitung und bringt Beispiele für die Verwendung des Instruments bei Vermessungsarbeiten. Dabei verweist er auch auf seine Erfahrungen, die er 1624 im Auftrag des Kurfürsten von Mainz bei seinen eigenen Vermessungsarbeiten an der Bergstraße gesammelt hatte.
Das Pantometrum ist ein so genannter Messtisch zur Bestimmung von Entfernungen im Gelände. Die gesuchten Strecken lassen sich jeweils als Seiten eines Dreiecks betrachten. Von den Endpunkten einer Standlinie im Gelände aus wird ein Messpunkt anvisiert. Zugleich werden mit dem Instrument auf dem Papier die Visierlinien gezeichnet, so dass ein Dreieck entsteht, das dem Dreieck im Gelände ähnlich ist. Mit seiner Hilfe lässt sich dann die gesuchte Streckenlänge bestimmen.
Kaspar Schott gab dem Instrument zu Ehren seines Erfinders den Namen Pantometrum Kircherianum und verfasste 1660 in Würzburg ein ausführliches Handbuch gleichen Titels zu seinem Gebrauch. Aus ihm stammt auch obiges Bild des Pantometrum (Abb. 12).
Mundus subterraneus (1665)
Wie bereits berichtet, ließ sich Kircher nach seiner zweijährigen Reise nach Sizilien, wo er im März 1638 Zeuge des Ausbruchs von Ätna und Stromboli wurde, bei seiner Rückkehr nach Neapel unter Lebensgefahr in den Krater des gerade aktiven Vesuvs abseilen, um dort Beobachtungen aus erster Hand zu machen. Aus diesen Erkundungen des gleichzeitigen Ausbruchs von Ätna und Vesuv zog er den Schluss, dass für die Vulkane kontinuierlich bewegte Kanäle aus Feuer (Abb. 13), die gelegentlich als an der Oberfläche auftretende Sicherheitsventile dienen, und ebensolche Kanäle aus Wasser (Abb. 14) das Erdinnere durchzögen, und dass diese, im Zusammenspiel mit dem Wind, für alle bekannten meteorologischen und geologischen Ereignisse verantwortlich seien.
Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse entwickelte Kircher in seinem am weitesten verbreiteten und erfolgreichsten Werk, Mundus subterraneus (Abb. 15), das Denkmodell einer von Gott geschaffenen unterirdischen Welt, die er in 12 Büchern aufgeteilt auf 2 Bände beschreibt, um durch die „Zwölf“ ihre Harmonie und Vollkommenheit anzudeuten.
Im ersten Buch des ersten Bandes behandelt er die Erschaffung und Schwerkraft der Welt, während er im zweiten Buch anhand des geozentrischen Weltbildes die Beziehungen der Erde zu Sonne, Mond und den übrigen Planeten beschreibt. Ferner erklärt er die Entstehung von Quellen, Bächen und Flüssen, die von großen unterirdischen Wasserspeichern gespeist würden und lokalisiert den sagenhaften Inselstaat Atlantis, über den ägyptische und griechische Geographen berichtet haben.
Die folgenden vier Bücher und der zweite Band befassen sich mit Meereskunde, Vulkanologie, Hydrologie sowie den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde.
Es folgen reich illustrierte Abschnitte über Salzstockanalysen, Fossilien und Versteinerungen (Abb. 16), Überreste von Riesen, unterirdische Bestien (Abb. 17), Dämonen und Meeresgestalten (Abb. 18), über Gifte, Metallurgie, die Universale Saat, die Entstehung der Insekten und über astrologische Medizin und Feuerwerk, ebenso wie ein ausführlicher Angriff auf die Alchemie des Paracelsus, die Kircher zugunsten seines Bildes des „Chymiotechnicus“ und der „wahren Chemie“ ablehnt. Die Idee des „Steins der Weisen“ hielt er für „mystisch und fiktiv“, beanspruchte aber für sich, die Palingenese, die Wiederherstellung einer Pflanze aus ihrer Asche, durchgeführt zu haben.
Er stellte das Resultat dieses Versuchs im Museum Kircherianum aus, bis das sie enthaltende Glasgefäß durch einen plötzlichen Kälteeinbruch zerstört wurde. Bei der Suche nach unterirdischen Salzadern bringt Kircher magnetische Kräfte ins Spiel:
Stelle man aus einem Stück fossilem Salz einen kleinen Stab her, der eine Spanne lang ist, und füge ihn irgendeinem Holzstab zu, so daß der hölzerne Teil mit dem Salzstab verbunden ist. Wenn er auf einem Querstäbchen balanciert oder frei aufgehängt wird, so bewegt er sich frei. Halte diesen Holz-Salz-Stab über einen Topf, unter dem ein Feuer brennt. Laß das Salzwasser kochen, und du wirst an dem Salzstab durch magnetischen Einfluss festhängen. Der Stab, der durch Salzkorpuskeln nach unten gezogen wird, wird sich also langsam zu dem Topf hinneigen. Ich glaube, daß dieselbe Bewegung stattfinden wird, wenn man ein ähnliches Instrument über eine Salzmine im Boden halten würde“4 (Abb. 19).
Der Ausschlag des Pendels unter Verwendung eines an einem Faden hängenden Ringes bei derartigen Mutungen werde hingegen durch den Pulsschlag in den Fingerspitzen bewirkt. Den Glauben an eine magische Wirkung des Pendels bezeichnet er als Hirngespinst.5
Kritiker hielten ihm vor, seine Werke mit zu viel Phantasie auszumalen, doch Kircher betrachtete Naturerscheinungen als Teile eines Ganzen, das nur durch Zusammenfassung von empirischer und experimenteller Beobachtung, literarischer Tradition und Spekulation erschlossen werden könne.
Organum mathematicum (1668)
Der eigentliche Schlüssel zum Verständnis der Welt ist für Kircher die Mathematik. Denn allem liegt Mathematik zu Grunde, weil Gott alles mathematisch geordnet hat, wie es schon in der Bibel steht: Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet (Weish 11,21). Seine Einstellung zur Mathematik kann folgendermaßen zusammengefasst werden:
– Mathematik ist der Schlüssel zur Erkenntnis,
– Mathematik macht Zusammenhänge sichtbar,
– Mathematik ist nützlich,
– Mathematik ist lehrbar.
Die Vielfalt der mathematischen Wissenschaften, die er bereits 1630 in Würzburg im Zusammenhang behandelte, zeigt eine frühe Vorlesungsausarbeitung seines Schülers Andreas Weick:
Arithmetik,
Kirchliche Zeitrechnung,
Geometrie,
Praktische Geometrie,
Geographie,
Astronomie,
Lehre von den Sonnenuhren,
Musik.
Im Jahr 1661 entwickelte Athanasius Kircher schließlich noch eine Sammlung von Unterrichtsmaterialien für den Mathematikunterricht, die er auf Holztäfelchen in einem Kasten unterbrachte. Er nannte dieses didaktische Hilfsmittel Organum mathematicum (Mathematische Orgel). Kaspar Schott schrieb ein umfangreiches Handbuch dazu, das 1668 veröffentlicht wurde.
Dieses Organum mathematicum (Abb. 20) ist der Vorläufer des Computers. In dem Universalinstrument befinden sich eine Rechenmaschine und mehr als 250 Holzstäbchen mit Anleitungen zu Arithmetrik, Geometrie, Festungsbau, Zeitberechnung, Uhrenkunde, Astronomie, Astrologie, Geheimschriftkunde und Musik.
Museum Kircherianum
Das nach Kircher benannte Museum Kircherianum (Abb. 21), eines der frühesten öffentlich zugänglichen Museen, wurde zwar nicht von Kircher gegründet, doch war er sein erster Kustos. Es erwuchs aus der 1650 testamentarisch dem Collegium Romanum vermachten umfangreichen Sammlung ethnologischer und antiker Funde des römischen Senatssekretärs Alfonso Donnino. Für die Unterbringung der Objekte wurde 1651 ein bis dahin offener Arkadengang im Collegium Romanum zugemauert und Kircher übernahm die Aufgabe, die Sammlung zu ordnen und zu verwalten. Die angehäuften Raritäten in der „Wunderkammer“ vergrößerten sich durch Schenkungen und Sammlungen aus aller Welt und nicht zuletzt durch die von Kircher für seine Experimente erdachten und gebauten Instrumente und technischen Erfindungen. Eine Führung durch das mit Skeletten, Obelisken, Skulpturen und Bildern ausgestattete Museum durch Kircher gehörte bald zum Programm gebildeter Rombesucher.
Leider wurde das Museum Kircherianum dann aufgelöst. Die Zerschlagung begann im 18. Jahrhundert. 1773 wurde der Jesuitenorden auch im Kirchenstaat aufgehoben und das Museum zum ersten Mal ausgeweidet. Die Kunstsammlung Kirchers landete in den Vatikanischen Museen, der Rest verblieb vorerst, wo er war. 1870 wurde es dann vom italienischen Staat übernommen und 1915 endgültig geschliffen, wobei die einzelnen Bestände auf verschiedene Museen Roms aufgeteilt wurden.
SCHLUSSBEMERKUNG
Abschließend sei nochmals kurz auf die Hauptverdienste von Athanasius Kircher hingewiesen:
Kirchers Werk umfasst, wie erwähnt, mehr als 40 Bücher, 2000 Briefe – die meisten davon an bekannte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Technik seiner Zeit – sowie unzählige Manuskripte.
– In seinen originellen naturwissenschaftlichen Experimenten beschrieb er 1640 exakt das Hörrohr bzw. dessen Funktion und zeigte den richtigen Weg auf, wie man das Problem des Schall leitenden Mediums durch einen Versuch klären könnte, wodurch dann schließlich der Nachweis für die Notwendigkeit eines Mediums für die Schallausbreitung gelang.
– Zur Erleichterung musikalischer Kompositionen schuf er das erste Modell eines Musikcomputers.
– Auf dem Gebiet der Medizin war sein Hinweis, dass ansteckende Krankheiten durch Mikroorganismen übertragen werden, von epochaler Bedeutung. Für das Konzept der alternativen Medizin bis hin zum Mesmerismus sind seine Studien über den Magnetismus zu nennen. Dabei greift er die naturphilosophische Idee der Sympathie auf und verweist auf die Signaturlehre.
– Die Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen zwischen 1822 und 1824 wäre ohne den 1799 gefundenen „Stein von Rosette“ und die umfangreichen Vorarbeiten Kirchers in seinem Oedipus Aegyptiacus und seinen Arbeiten zur koptischen Sprache nicht erfolgt.
– Zur Überwindung der allgemeinen Sprachverwirrung entwickelte Kircher das Konzept einer universalen Symbolsprache.
1671 beschrieb Kircher die seit 1665 bekannte Laterna Magica (Zauberlaterne, Abb. 22), die Vorläuferin des heutigen Projektionsapparates, so dass man lange Zeit glaubte, er sei ihr Erfinder.
Auch viele seiner Tierexperimente galten als Grundlage späterer Verhaltensforschung am Menschen.
Außerdem geht auf Kircher eine der ersten Mondkarten zurück.
Er ist der Erfinder des Organum mathematicum, des Vorläufers des Computers.
Durch die Betonung der Zahl als Maß aller Dinge und die Gesetzmäßigkeiten der Natur verweist Kircher auf ein mathematisches Modell des Kosmos, wie wir es heute in der „Einheitlichen Beschreibung der Welt“ des Physikers Burkhard Heim vorfinden.6
So kann Athansius Kircher aufgrund seiner Universalität und Originalität, die vom naturwissenschaftlichen Experiment, von außerordentlichen Sprach-, Geschichts- und Symbolkenntnissen über Kompositionen und Gedichte bis hin zu einer kosmischen Theologie reicht, mit Hildegard von Bingen zu den universalsten Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte gezählt werden.
(GW) 51 (2002) 4, 313-345
Anmerkungen:
1 Athanasius Kircher: Magnes sive de arte magnetica. Köln, 1643, Buch 3, Teil 5, Kap. 3, S. 635-663.
2 Ders., ebd.
3 Athanasius Kircher: Oedipus Aegyptiacus. Bd. 2. Teil 1. Rom: Vitalis Mascardi, 1658 (Caillet, Nr. 5788) Aufgeschlagen: Der Sefirotbaum. Kupferstich von Pierre Miotte.
4 Athanasius Kircher: Mundus subterraneus. Amsterdam, 1665, Buch 10, Abschnitt 2, S. 182.
5 Mundus subterraneus II, S. 181: <Quod et alias usu venit in iis, qui annulum filo suspensum, duobus digitis intra scyphum vitreum immittunt putantes annulum inde scypho illisum currentem horam monstrare. Pessima sane deceptio, cum totus ille pulsus non nisi pulsu venarum in extremis digitis agitatarum, contingat. …….. Totum itaque istiusmodi merum fuit phantasia ludibrium, dum quod pulsus venae moverat, ille occulte motionis praprietati adscriberer>.
6 Burkhard Heim: Einheitliche Beschreibung der Welt, 4 Bde, Innsbruck: Resch Verlag, 1996-1998.
Literatur
WERKE (chronologisch geordnet):