Andreas Resch: Josephine Sison

Josephine Sison (*01.11.1941 Barrio Barangobon, Villasis, Pangasinan bei Manila, Philippinen; † 16.10.1989, ebd.) war eine über ihr Land hinaus bekannte und geschätzte Heilerin (Abb. 1).
S. war eine tief religiöse, einfache Bäuerin und Mutter. Als ethisch hochstehende, außerordentlich begabte Heilerin genoss sie weit über ihre Heimat hinaus großes Ansehen. Die Erinnerung an sie ist mir (P. Andreas Resch) aufgrund folgender Begebenheit unvergesslich.

Abb. 1: Josephine Sison

Bei meinem Besuch der Philippinen 1972 wollte ich nicht nur eine große Anzahl an Heilern und Heilungsformen kennenlernen, sondern mich auch selbst einer Behandlung unterziehen, um die Heilungsform am eigenen Körper zu erfahren. Bekanntlich erfolgen solche Heilungsriten in einer dafür errichteten Kapelle der Spiritistischen Vereinigung «Union Espiritista Cristiana de Filipinas». Wegen des zeitlich begrenzten Aufenthalts und Dauerregens kamen jedoch nur sehr wenige Menschen zur Kapelle von Pangasinan. Ich konnte dort lediglich einen Heiler bei seiner Tätigkeit beobachten, wobei alles so schnell vor sich ging, dass ich den Einzelheiten der bekannten philippinischen Heilereingriffe nicht hinreichend folgen konnte. Umso mehr wollte ich an mir selbst einen Heilungsritus erleben.

Besuch bei Frau Sison

Da die Heiler, die ich aufsuchte, bereits nach der ersten Diagnose feststellten, dass mir nichts fehlte, und es daher ablehnten, an mir ein Heilungsritual vorzunehmen, fasste ich den Entschluss, Frau Sison in ihrer Wohnung aufzusuchen. Dies war für mich umso leichter, als der Pfarrer des Ortes Frau S. gut kannte und mich gern begleitete. Er war allerdings sehr überrascht, als er von mir erfuhr, dass S. eine Heilerin sei, sind doch die Heiler auf den Philippinen meistens Mitglieder der Spiritistischen Heilergemeinschaft, die damals von der Katholischen Kirche kaum beachtet wurde, wie ich selbst feststellen konnte. Als wir dann auf dem Weg zu Frau S. ihren Mann trafen, der als Polizist in der Ortschaft Dienst hatte, wollte dieser auf die Frage des Pfarrers, ob seine Frau tatsächlich eine Heilerin sei, keine nähere Antwort geben. Die Frage war ihm sichtlich peinlich. Auch Frau S. war über den Besuch des Pfarrers in diesem Zusammenhang sehr überrascht. Zum Glück war der Pfarrer sehr aufgeschlossen und einfühlsam, sodass wir alle Hürden überwinden konnten. Ja, Frau S. war geradezu erleichtert, als sie das Verständnis des Pfarrers bemerkte, war sie doch eine tief religiose Frau, die fleißig die Kirche besuchte und zwischen spiritistischer Heilergemeinschaft und Kirche keinen Widerspruch empfand.

Um nicht wieder abgewiesen zu werden, gab ich Frau S. als Behandlungsgrund meine leichte Schwerhörigkeit an. Nach einer kurzen Diagnose bemerkte sie allerdings, dass sie mir nicht helfen könne. Sie war aber schließlich doch bereit, an mir die Behandlung von Ohrenbeschwerden vorzunehmen, um mir zumindest die Behandlungstechnik zu zeigen. Der mich begleitende Pfarrer nahm die ganze Heilungstechnik mit meiner 8 mm-Filmkamera auf. Zunächst durchsuchte ich Frau S., die einen einfachen weißen Arbeitsmantel trug, bis in sämtliche Taschen hinein nach möglichen Utensilien, Farbstoffen und Gegenständen, sodass sie scherzend bemerkte, ob sie sich denn vielleicht noch ganz ausziehen müsse, worauf ich erwiderte, dass dies zur Vermeidung jedweder Tricks tatsächlich am besten wäre. Ich konnte jedoch keinerlei Farbstoffe, Utensilien und dergleichen finden. Da in der Wohnung wegen des Regens alles sehr dunkel war, ersuchte ich Frau S., die Behandlung auf der Terrasse vorzunehmen, was sie jedoch nur unter der Feststellung machte, dass es ihr dabei um keine echte Behandlung ging, sondern lediglich um eine Demonstration ihrer Behandlungsmethode. Sie habe zu mir als Priester das Vertrauen, dass ich ihr Entgegenkommen nicht missbrauchen würde, denn eine echte Behandlung habe in der Kapelle zu erfolgen. Eine solche war aber aus Zeitgründen nicht möglich. Ich behielt daher diese Begebenheit auch völlig für mich und äußere mich erst jetzt, nach ihrem Tod, darüber, in Loyalität und Dankbarkeit.

Behandlung

Die „Behandlung“ nahm folgenden Verlauf. Ich machte den Oberkörper frei und Frau S. nahm etwas Watte, tränkte diese mit einer farblosen Flüssigkeit und rieb das rechte und linke Schulterblatt massierend ein. Wie mir der Pfarrer, der den Vorgang filmte, erzählte, rann eine rote Flussigkeit wie Blut über meinen Rücken. Dies konnte ich auch später auf den Filmaufnahmen sehen. Während der Demonstration konnte ich nur das langsame Herabrinnen als sich fortbewegende Wärmespur erleben, den Rücken selbst konnte ich nicht beobachten. Im Übrigen verspürte ich lediglich ein leichtes Brennen an den massierten Stellen, die etwas gerötet waren, jedoch keinerlei Wunden aufwiesen. Die herabrinnende Flüssigkeit ließ ich mit Watte aufsaugen, um sie zur Analyse nach Innsbruck mitzunehmen.

Nach dieser Schultermassage steckte Frau S. Watte in mein rechtes Ohr und zog diese beim linken Ohr heraus. Wie das vor sich ging, kann ich nicht näher erklären. Der Pfarrer konnte keinen Trick feststellen und auch auf dem Film lässt sich kein Trick ausmachen, doch ist in solchen Fallen äußerste Vorsicht geboten, weshalb ich hier keine weiteren Bemerkungen machen möchte, zumal die äußeren Umstande für eine umfassende Kontrolle nicht gegeben waren, wenngleich auch der Einwand des Tricks zu beweisen wäre.

Abb. 2: Falscher Rh-Faktor, 06.02.1959

Nach dieser ganzen Behandlung, die nur wenige Minuten dauerte, fühlte ich meine Ohren zwar völlig offen, eine Gehörsverbesserung konnte ich allerdings nicht feststellen, was auch die Nachkontrolle an der Klinik in Innsbruck bestätigte. Schließlich hatte mir Frau S. auch keine Besserung versprochen.

In Innsbruck ließ ich zudem die mit Watte aufgesaugte Flüssigkeit durch Vermittlung einer Krankenschwester am Institut für Gerichtsmedizin untersuchen und erhielt die Mitteilung: Menschenblut, Blutgruppe 0, Rhesusfaktor negativ. Da in meinem Blutausweis (Abb. 2) Blutgruppe 0, Rhesusfaktor positiv stand, war für mich klar, dass es sich doch nicht um mein Blut handelte und ich einem Trick aufgesessen war. wofür ich aber keinerlei Erklärung fand, zumal meine diesbezüglichen Kontrollen keine Lücken feststellen ließen. Frau S. hatte auch keinerlei Möglichkeit, sich bei der Behandlung zusätzlicher Gegenstände zu bedienen. Außerdem beobachtete der Pfarrer den gesamten Ablauf der Bearbeitung meines Rückens und hielt dies filmisch fest. Für mich blieb daher das Ganze ein Rätsel bis zu folgender Begebenheit:

Abb. 3: Korrekter Rh-Faktor, 13.07.1978

Einige Jahre später fuhr ich mit dem Auto in Begleitung meines Mitbruders Josef Oberrauch von Innsbruck nach Südtirol. Da der Mitbruder im Auto einen Ohnmachtsanfall erlitt, brachte ich ihn mit der Rettung in das nahegelegene Krankenhaus in Sterzing, wo man einen Magendurchbruch feststellte und rasch eine Blutübertragung vornehmen sollte, aber kein entsprechendes Blut zur Verfügung hatte. Da meine Blutgruppe gerade zutreffend war und die Ärzte sich auf meinen Blutausweis, den ich bei mir trug, verließen, wurde gleich eine Blutabnahme an mir vorgenommen und P. Oberrauch das Blut übertragen. Dieser wurde nach der Blutübertragung jedoch äußerst unruhig, so dass man mir scherzweise sagte, ich hätte wohl böses Blut. Das war für mich Anlass genug, mir bei einer Blutspendeaktion an der Klinik Innsbruck einen neuen Blutausweis ausstellen zu lassen. In diesem Blutausweis steht nun aber: Blutgruppe 0, Rhesusfaktor negativ (Abb. 3). Ich wollte dies nicht glauben und ließ bei einer weiteren Blutspende meine Werte nochmals überprüfen, wobei die Werte des neuen Ausweises bestätigt wurden. Das war nun auch des Rätsels Lösung, was die Untersuchung der Proben von Frau S. anbelangte: Blutgruppe 0, Rhesusfaktor negativ. Es war also tatsächlich Blut meiner Blutgruppe, das bei der Behandlung durch Frau S. über meinen Rucken rann. Auch im Film sieht es nach Blut aus.

So war die Begegnung mit Frau S. für mich in jeder Hinsicht ein großes Erlebnis. Ihre Offenheit, Ehrlichkeit und ihr Verantwortungsbewusstsein hielten die Erinnerung bis heute wach und erfüllen mich mit Dankbarkeit und Wertschätzung über ihren Tod hinaus.
Damit soll auch einmal den echten und verantwortungsbewussten Heilern Anerkennung und Dank ausgesprochen werden.