Resch: Astrobiologie

Das Weltjahr der Astronomie 2009 weist unter den vielfältigsten Veranstaltungen auf der ganzen Welt zwei internationale Tagungen auf, die weltweite Resonanz gefunden haben, weil sie vom Vatikan mitgetragen wurden und Themen aufgriffen, die in den Grenzbereichen von Wissenschaft und Glauben stehen. Es sind dies die Studienwoche zur Astrobiologie im Vatikan und der Internationale Kongress Der Fall Galilei – Eine geschichtliche, theologische und philosophische Revision in Florenz. Beide Themen ergänzen sich und wurden sowohl durch die Veranstalter als auch durch einzelne Teilnehmer in gezielter Fragestellung zu Wissenschaft und Glauben beantwortet.
Vom 6.-10. November 2009 fand im Vatikan auf Einladung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Vatikanischen Sternwarte eine Studienwoche zum Thema Astrobiologie1 im ehemaligen Landhaus Pius’ IV. (1559-1565) statt, das als einer der schönsten und malerischsten Orte im Kirchenstaat gilt.

 Grußwort des Papstes

An den Anfang des Tagungsprogramms wurde die Ansprache von Papst Benedikt xvi. vom 21. Dezember 2008 zum Weltjahr der Astronomie 2009 gestellt, woraus an dieser Stelle in freier Wiedergabe zitiert wird:
„Jenseits der geschichtlichen Dimension“, sagte der Papst unter anderem, „hat das Geheimnis der Erlösung auch eine kosmische Dimension. So steht das Weichnachtsfest in der nördlichen Hemisphäre mit der Wintersonnenwende in Verbindung. Vielen ist dabei vielleicht nicht bekannt, dass es auf dem Petersplatz auch einen Meridian gibt (Abb. 1). Gerade in diesen Tagen wirft der große Obelisk seinen längsten Schatten entlang der Pflastersteine hin zum Springbrunnen. In früherer Zeit diente der Schatten des Obelisken zur genauen Bestimmung der Mittagszeit.

Abb. 1: Vatikan, Obelisk und Päpstliche Akademie der Wissenschaften

Diese Wintersonnenwende gibt mir auch Gelegenheit, all jene zu begrüßen, die sich im Weltjahr der Astronomie 2009 zum Gedenken an die 400-Jahrfeier der ersten Fernrohrbeobachtungen durch Galileo Galilei an verschiedenen Initiativen beteiligen werden.
Selbst unter meinen Vorgängern finden sich einige, die sich mit diesen Fragen befassten, wie Silvester II. (999-1003), der darüber lehrte, Gregor XIII. (1772-1785), dem wir den Kalender verdanken, und Pius X. (1903-1914), der wusste, wie man Sonnenuhren baut. Wenn die Himmel, nach den Worten des Psalmisten, „die Herrlichkeit Gottes rühmen“ (Ps 19 [18]), so sind die Gesetze der Natur, die uns Frauen und Männer der Wissenschaft über Jahrhunderte hindurch besser verständlich machten, ein Ansporn, die Werke Gottes mit großer Dankbarkeit zu betrachten.“

Astrobiologie-Kongress

Bei der Eröffnung der Tagung bezeichneten der Vorsitzende des wissenschaftlichen Organisationskomitees, Prof. Jonathan I. Lunine, Physiker an der Universität Rom, und der Jesuit Prof. José G. Funes, Direktor der Vatikanischen Sternwarte, die Astrobiologie als „die Wissenschaft von den Beziehungen des Lebens mit dem Rest des Kosmos“ (Abb. 2). Ihre wichtigsten Themen umfassen den Ursprung des Lebens, die materiellen Vorläufer, die Evolution auf der Erde, die künftige Perspektive des Lebens auf der Erde und der Erde selbst. Mit all diesen Themen ist ein Bündel interdisziplinärer Fragen aus Astronomie, Biologie, Chemie, Geologie, Planetologie, Physik und anderer Fachbereiche verbunden.

Abb. 2: Globus vom Mars, um 1916 handgemalt von Ingeborg Bruhn

Aufgrund neuerer Erkenntnisse scheint sich nun die Astrobiologie durch ihre Entwicklung in den letzten 13 Jahren als eigener Wissenschaftszweig etabliert zu haben. Sie biete sich, nach den Vorsitzenden der Tagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, als geeigneter Gegenstand an, da sie in ihren Mitgliedern interdiszipilinär ausgerichtet sei.
So führte die Tagung Astronomen, Astrophysiker, Biochemiker, Evolutionswissenschaftler, Geologen, Planetologen, Physiker und Techniker aus verschiedenen Ländern zusammen, die ihr Wissen in folgenden acht Sektionen vortrugen: Ursprung des Lebens, Bewohnbarkeit durch Zeit, Umwelt und Genome, Leben anderswo, Suchstrategien für extrasolare Planeten, Bildung extrasolarer Planeten, Eigenschaften extrasolarer Planeten, Intelligenz anderswo und Schattenleben.

a) Der Ursprung des Lebens

Die Sektion „Der Ursprung des Lebens“ befasste sich mit der schwierigen Frage der Mechanismen, unter denen sich Moleküle so organisieren, dass Leben entstehen kann. Was den eigentlichen Ursprung des Lebens betrifft, so besteht die größte Herausforderung für Chemiker und Biochemiker in der Beantwortung der Frage, wie sich die Kakophonie der abiotischen organischen Chemie zur Symphonie des Lebens entfaltete. Es sei nämlich äußerst schwierig, aus den geologischen Spuren der einstigen Erde Hinweise auf die Umweltbedingungen zu geben, unter denen sich Leben bildete, zumal geologische Aktivitäten – tektonische Kräfte, Erosionen, Einschläge asteroiden Materials – das „Beweismaterial“ betreffend die Umweltbedingungen der Erde in den ersten 500 Mio. Jahren nach ihrem Entstehen reichlich ausgehöhlt haben.

b) Bewohnbarkeit durch die Zeit

Demgegenüber beschäftigte sich die Sektion „Bewohnbarkeit durch die Zeit“ mit der Frage, wie es die Erde überhaupt schaffte, über einen so langen geologischen Zeitabschnitt Leben zu erhalten. Bekanntlich wird die Frühgeschichte unseres Planeten allgemein in zwei Perioden unterteilt. Während der ersten Periode, der Erdurzeit, gingen dem Leben häufige Katastrophen durch Asteroiden- bzw. Kometeneinschläge sowie eine komplexe Chemie voraus. Das Ende der Erdurzeit wird bei ca. 3.9-3.8 Giga-Jahre (G = 1.000.000.000 Jahre) angesetzt, als sich die Einschlagrate auf annehmbare Werte reduzierte. Erst für die zweite Periode, das Archaikum, kann angenommen werden, dass sich lebende Organismen entwickeln und auf der Erdoberfläche ausbreiten konnten. Ein sicheres Wissen darüber, wann genau das Leben begonnen hat, gibt es allerdings nicht. Die Einstrahlung der Sonne, die oft stillschweigend als der stabile Erhalter für flüssiges Wasser angesehen wird, das lebensnotwendig ist, war nämlich zu Beginn um 30% schwächer als heute. Zudem lassen geologische Befunde vermuten, dass in Perioden der Vereisung der atmosphärische „Thermostat“ versagt hat.

c) Umwelt und Genome

Die Sektion „Umwelt und Genome“ ging ergänzend der Frage nach, wie Leben – auf molekularer Ebene – und Umwelt über die geologische Zeit hinweg zusammenspielten. Molekulare Signaturen biochemischer Reaktionen zum Erhalt des Lebens bleiben nämlich im geologischen Gedächtnis verankert und liefern Hinweise auf Veränderungen über große Zeitspannen hinweg. Dabei bleibt das verhältnismäßig plötzliche Auftreten tierischen Lebens in der Erdgeschichte ein Rätsel, dessen Lösung möglicherweise in den damaligen Umweltbedingungen und der Funktionsweise des Genoms zu finden ist.

d) Leben anderswo

Die Sektion „Entdeckung von Leben anderswo“ befasste sich mit den Möglichkeiten und Techniken zur Auffindung von Leben in verschiedenen Umgebungen anderswo im Sonnensystem. Die Erde scheint zwar, was Vielfalt und Fülle von Leben anbelangt, einzigartig dazustehen, doch lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob nicht auch jenseits des Mars bis hin zu den Asteroiden und den Monden von Jupiter und Saturn Leben möglich ist, umfasst doch allein schon das Milchstraßensystem, dessen Teil wir sind, über 100 Milliarden Sterne. Sofern dazu ganz allgemein auch Planeten gehören, ist Leben dort nicht von vornherein auszuschließen (Abb. 3).

Abb. 3 : Ein Gebiet der Sternentstehung: Nordamerikanebel und Pelikannebel im Sternbild Schwan. Möglicherweise entstehen auch hier Planeten und junge Sterne (Ausschnitt aus dem Cygnusmosaik, © Gerold Wagner 2009)

e) Auffindung, Bildung und Eigenschaften von Planeten anderer Sterne

Aus diesem Grunde widmeten sich die drei nächstfolgenden Sektionen in systematischer Form dem Auffinden, der Bildung und den Eigenschaften von Planeten um andere Sterne.
In der Sektion „Suchstrategien für extrasolare Planeten“ wurden die verschiedenen Techniken zur Auffindung von Planeten rund um andere Sterne und deren Eigenschaften beschrieben. Derzeit sind bereits ca. 380 extrasolare Planeten bekannt, und die Zahl der erforschten Sterne deutet darauf hin, dass zumindest 10% der Sterne, die unserer Sonne ähnlich sind, mindestens einen Planeten haben.
Die Sektion „Bildung extrasolarer Planeten“ berichtete über Fortschritte beim Verständnis, wie es im Entstehungsprozess von Sternen zur Bildung von Planeten kommt. Dabei stellen sich zwei große Fragen: Was ist die Ursache, dass sich einerseits ein felsiger Planet wie die Erde und andererseits ein Gasgigant wie Jupiter bildet? Und: Ist der Prozess der Planetenbildung im Umkreis von Sternen, die viel kleiner als unsere Sonne sind, von der Materie her ein anderer?
Die Sektion „Eigenschaften extrasolarer Planeten“ befasste sich schließlich mit Computermodellen, astronomischen Daten und auch mit Spekulationen zur Frage der Eigenschaften extrasolarer Planeten als Funktion der Eigenschaften und Abstände von deren Muttersternen.

f) Intelligenz anderswo

In der Sektion „Intelligenz anderswo und Schattenleben“ ging man schließlich auf die Frage ein, ob es in anderen Welten wahrnehmungsfähiges Leben gibt und ob heute auf der Erde tatsächlich auch Formen von Leben existieren, die dem unseren fremd sind. Die Suche nach intelligentem Leben anderswo geschieht durch das Abhorchen des Kosmos mittels Radioteleskopen, um vielleicht Signale eindeutig künstlichen Ursprungs aufzufangen. Die Suche nach Leben auf unserem eigenen Planeten mit einer Biochemie, die sich von allen bekannten Lebensformen auf der Erde unterscheidet, „Schattenleben“ genannt, ist ein faszinierendes Unternehmen, jedoch mit immensen Schwierigkeiten verbunden.

Äußerungen am Rande der Tagung

Allen Schwierigkeiten zum Trotz gab es am Rande der Tagung eine Reihe von Äußerungen zu diesem Thema, die vor allem die Öffentlichkeit interessierten.

a) Prof. Willy Benz, Bern

So sagte Prof. Willy Benz vom Institut für Physik an der Universität Bern, der ebenfalls zur Tagung eingeladen war, auf die Fragen von Radio Vatikan nach den Außerirdischen:
Benz: In den letzten 15 Jahren haben die Wissenschaftler über 400 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Das sind Planeten, die man vorher nicht kannte, eigene Sonnensysteme, die um andere Sterne kreisen, nicht zu weit von der Sonne entfernt. Die Frage ist: Gibt es möglicherweise auf diesen Planeten und auf den anderen, die wir noch nicht kennen, auch Leben, wie wir es auf der Erde kennen? Die meisten Planeten sind wahrscheinlich nicht dazu geeignet, weil sie entweder zu nahe bei ihrem Stern – also ihrer Sonne – sind, dann ist es zu warm. Die anderen sind vielleicht zu groß, der Druck wäre zu hoch. Aber es gibt mit ziemlicher Sicherheit Planeten, die wir heute noch nicht entdeckt haben, auf denen die Möglichkeit bestehen würde, dass sie ungefähr die gleichen Bedingungen bieten wie heute die Erde – was Temperatur betrifft, Atmosphäre, Distanz zur Sonne, Sauerstoff und so weiter. Also die Bedingungen, die wir heute glauben, dass sie notwendig waren, damit das Leben auf der Erde entstehen konnte.
Radio Vatikan: Welche wissenschaftlichen Möglichkeiten haben wir, über diese Frage nachzudenken? Astrobiologie ist zwar eine interdisziplinäre Wissenschaft, aber man kann nicht hingehen und erforschen, wie die äußeren Verhältnisse auf diesen Sonnensystemen sind?
Benz: Das ist klar. Und das ist der Vorteil unseres Sonnensystems: die Planeten sind nahe genug, dass man dahin Satelliten schicken kann, die dann in situ die Frage untersuchen können. Wie etwa auf dem Mars, wo man nach Wasser sucht. Das Problem mit den anderen Sonnensystemen ist – sie sind zu weit weg. Da kann man nicht mit einem Satelliten hingehen und direkt Messungen machen. Das einzige, was wir vielleicht von diesen Systemen bekommen, ist das Licht – auch wenn es heute erst wenige Planeten sind, von denen das möglich ist. Aber in der Zukunft mit den noch größeren Teleskopen, die heute geplant sind, wird das zu machen sein. Also man bekommt das Licht, sieht den Planeten wie einen Punkt, und dann kann man aus dem Licht, aus der Analyse des Spektrums, erhoffen, Lebenszeichen zu finden.
Radio Vatikan: Was wären solche Lebenszeichen?
Benz: Zum Beispiel: Auf der Erde braucht es Sauerstoff. Leben braucht Sauerstoff, der ständig durch die Photosynthese der Pflanzen neu erzeugt wird. Wasserstoff ist nun ein sehr reaktives Gas. Wenn es keine Wasserstoffquelle gäbe, würde der Wasserstoff in der Atmosphäre sich sehr rasch verbinden und in großen Mengen verschwinden. Eine Idee, die die Forscher haben – und das ist Thema der Diskussion – ist, so genannte Biomarker zu finden, also Zeichen, die im Spektrum eindeutig Leben beweisen würden, wie zum Beispiel Sauerstoff, der darauf hindeuten würde, dass dort Pflanzen sind und Photosynthese stattfindet. Sehen werden wir die Pflanzen nicht – der Planet ist viel zu weit weg. Aber Zeichen von Leben können wir erhoffen zu sehen.
Radio Vatikan: Ist es nicht naiv von uns Erdenbürgern anzunehmen, dass „Leben“ nur auf unsere Art und Weise möglich ist? Könnte es nicht in anderen Sonnensystemen auch Leben geben, das sich grundsätzlich anders definiert?
Benz: Absolut! Es ist aber so, dass es die Form des Lebens, wie es das auf der Erde gibt, nun einmal bereits gibt. Und wenn man etwas sucht, wovon man gar keine Ahnung hat, fängt man an zu suchen nach einer Form, von der man weiß, dass sie bereits existieren kann – wir haben ja ein Beispiel, die Erde. Aber eines ist klar: Es ist eine limitierte Suche für sozusagen erdähnliches Leben. Nun könnte man sich viele komische Lebewesen vorstellen, und die Science-Fiction-Bücher sind voll davon. Aber anfangen, solche komischen, außerordentlichen, unbekannten Lebewesen zu suchen, wäre etwas mutig heutzutage! Vielleicht ist das ein Fehler, aber man probiert lieber, nach etwas zu suchen, von dem man weiß, dass es existieren kann.
Radio Vatikan: Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften beschäftigt sich immer wieder mit Themen, die man nicht von vornherein mit dem Vatikan assoziiert. Welchen Ruf hat diese vatikanische Akademie in der Forschergemeinschaft?
Benz: Ich würde sagen, es ist eine Akademie, die es erlaubt, derart interdisziplinäre Themen zu studieren. Es ist nicht einfach, Leute von verschiedenen Disziplinen um einen Tisch zu bekommen. In der Astrobiologie gibt es Astronomen, Physiker, Biologen, Chemiker usw., und jeder spricht seine eigene Sprache. Die Gelegenheit, sich auszutauschen und ein Thema gemeinsam, aber von verschiedenen Warten aus anzusehen, ist etwas ganz Spezielles. Die Päpstliche Akademie hat eben die Gewohnheit, solche Treffen zu ermöglichen.
Radio Vatikan: Die katholische Kirche hatte in ihrer Geschichte nicht immer ein ungebrochenes Verhältnis zu den Naturwissenschaften. Diese Tatsache wirkt immer noch nach, obwohl sich die Sachlage geändert hat. Nun ist es so, wenn man Astrobiologie lang und gründlich genug betreibt, könnte sie unser herkömmliches und auch von der Kirche akzeptiertes Bild von der Welt, vom Leben, vom Himmel und so weiter umwerfen. Welches Interesse hat der Vatikan daran von daher, sich mit Astrobiologie zu beschäftigen?
Benz: Ich denke, es ist gut, dass der Vatikan das macht. Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse, die heute einfach etabliert sind. Heutzutage ist die Kirche so eingestellt, dass sie diese wissenschaftlichen Tatsachen nicht mehr anzweifelt. Die Frage ist einfach, wie sich jetzt die wissenschaftlichen Ergebnisse mit dem Glauben und der Kirche verknüpfen lassen. Ich sehe da aber kein großes Problem. Für mich ist das sehr positiv, dass man etwa ein Thema wie das Leben im Universum auch einmal an der Päpstlichen Akademie betrachtet, und dass man offen genug ist, sich darüber Gedanken zu machen. Denn ob man will oder nicht: Es ist ein aktuelles Thema der Wissenschaft, es gibt viele Forschungsgruppen, die daran arbeiten, es gibt viele Projekte, die in der Zukunft geplant werden, in allen Kontinenten, um diesem Thema nachzugehen. Und ich glaube, es gehört zur Aufgabe auch der Kirche, sich darüber Gedanken zu machen.

b) Prof. José Funes, Rom

Der Jesuit Prof. José Funes, Leiter der „Päpstlichen Sternwarte“ und Mitorganisator der Tagung, wurde vor allem mit Fragen nach der Begegnung mit Außerirdischen und der Kirche überhäuft, die sich unter folgenden Themen zusammenfassen lassen:

Begegnung mit Außerirdischen

Frage: Was würde bei einer Begegnung des Menschen mit Außerirdischen geschehen?
Funes: Es würde das für die Menschheit geschehen, was sich bei der Begegnung der Europäer mit anderen Völkern ereignete. Wir können uns auch vorstellen, was die in Amerika Geborenen gedacht haben könnten, als sie den Europäern begegneten. Es wäre jedenfalls eine Begegnung von Kulturen und Zivilisationen.
Doch heute ist die Zeit spektakulärer Ankündigungen noch nicht gekommen.
Wir können keine große Aussagen machen, dass wir Leben im Universum gefunden haben. Man muss aber den Wissenschaftern die Möglichkeit geben, ihre Forschungen fortzuführen, denn durch Forschen können wir vieles lernen.
Frage: Hat Die Kirche damit keine Probleme?
Funes: Wie es auf Erden eine Vielzahl von Geschöpfen gibt, so könnte es auch andere Wesen geben, auch intelligente, von Gott geschaffene. Das steht nicht im Gegensatz zu unserem Glauben, denn wir können der kreativen Freiheit Gottes keine Grenzen setzen.

Kirche und Astronomie

Was die konkrete Stellung der Kirche zur Astronomie betrifft, so nahm Funes hier bereits in einem Gespräch mit Francesco M. Valiante im Osservatore Romano vom 24. Mai 2008 Stellung.
Valiante: Wie entstand das Interesse der Kirche und der Päpste an der Astronomie?
Funes: Die Ursprünge dieses Interesses gehen bis auf Gregor xiii. (1572-1585) zurück, der 1582 die Kalenderreform durchführte. Der Jesuit Christoph Calvo vom Collegio Romano war Mitglied der Kommission, welche die Reform ausarbeitete. Zwischen dem 17. und 18. Jh. entstanden auf Initiative der Päpste mindestens drei Observatorien. 1891, als sich Kirche und Wissenschaft im Konflikt befanden, wurde von Papst Leo xiii. die Vatikanische Sternwarte gegründet bzw. wiedergegründet. Er tat dies bewusst, um zu zeigen, dass die Kirche nicht gegen die Wissenschaft war, sondern nach ihren Worten eine „echte und gediegene“ Wissenschaft förderte. Die Sternwarte ist daher aus einem grundsätzlich apologetischen Zweck entstanden, doch wurde sie im Verlauf der Zeit zu einem Gesprächspartner der Kirche mit der Welt.
Valiante: Führt das Studium der kosmischen Gesetze zu Gott hin oder von Gott weg?
Funes: Die Astronomie hat einen tief menschlichen Wert. Sie ist eine Wissenschaft, die Herz und Geist öffnet. Sie hilft uns, unser Leben, unsere Hoffnungen, unsere Probleme in die richtige Perspektive auszurichten. In diesem Sinne – und hier spreche ich als Priester und Jesuit – ist sie auch ein großes seelsorgliches Mittel, das zu Gott führen kann.
Valiante: Und dennoch lassen viele Astronomen keine Möglichkeit aus, um ihren Atheismus kundzutun.
Funes: Ich möchte sagen, dass die Annahme, die Astronomie fördere eine atheistische Sicht, ein kleiner Mythos ist. Mir scheint, dass gerade,wer an der Sternwarte arbeitet, das beste Zeugnis dafür bietet, wie es möglich ist, an Gott zu glauben und in der Welt ernsthaft wissenschaftlich zu arbeiten. Mehr als viele Worte zählt unsere Arbeit. Es zählen die Glaubwürdigkeit und die Anerkennungen auf internationaler Ebene, die Zusammenarbeit mit Kollegen und Institutionen in aller Welt, die Resultate unserer Untersuchungen und Entdeckungen. Die Kirche hat in der Geschichte der astronomischen Forschung ein Zeichen gesetzt.
Valiante: Zum Beispiel?
Funes: Es genügt allein schon der Hinweis, dass an die 30 Mondkrater die Namen früherer Astronomen der Jesuiten tragen und dass ein Asteroid des Sonnensystems nach meinem Vorgänger an der Sternwarte, Pater George Coyne, benannt wurde. Man könnte zudem auf die Bedeutung von Beiträgen verweisen, wie jene von Pater O’Connell zur Identifizierung des „Grünen Strahls“ oder von Bruder Consolmagno zur Deklassierung des Pluto, um nicht von der Tätigkeit von Pater Corbally, dem Vizedirektor unseres astronomischen Zentrums in Tucson, zu sprechen, der mit einem Team der NASA an der letzten Entdeckung von Asteroidspuren bei der Bildung binärer Sternensysteme mitgearbeitet hat.
Valiante: Kann man das Interesse der Kirche an der Erforschung des Universums daraus ableiten, dass die Astronomie die einzige Wissenschaft ist, die mit der Unendlichkeit und damit mit Gott zu tun hat?
Funes: Um korrekt zu sein, das Universum ist nicht unendlich. Es ist sehr groß, aber endlich, weil es ein Alter hat: ungefähr 14 Milliarden Jahre, nach unseren heutigen Kenntnissen. Und weil es ein Alter hat, besagt dies, dass es auch eine Grenze im Raum hat. Das Universum ist zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden und dehnt sich seither ständig aus.
Valiante: Woraus ist es entstanden?
Funes: Meiner Ansicht nach ist der Urknall2 die bis jetzt beste wissenschaftliche Theorie vom Ursprung des Universums.
Valiante: Und was ist seither geschehen?
Funes: Für 300.000 Jahre blieben die Materie, die Energie, das Licht in einer Art Gemisch beisammen. Dann haben sie sich getrennt. So leben wir heute in einem transparentem Universum, wir können das Licht sehen: jenes der entferntesten Galaxien z.B., das nach 11 oder 12 Milliarden Jahren zu uns gekommen ist. Dabei ist zu bedenken, dass das Licht in der Sekunde 300.000 km zurücklegt. Und gerade diese Grenze ist es, die uns bestätigt, dass das heute beobachtbare Universum nicht unendlich ist.
Valiante: Ist die Urknalltheorie nicht eine Entwertung bzw. ein Widerspruch zur Glaubensvorstellung, die auf dem biblischen Schöpfungsbericht fußt?
Funes: Als Astronom glaube ich weiterhin daran, dass Gott der Schöpfer des Universums ist und dass wir kein Zufallsprodukt, sondern die Söhne eines guten Vaters sind, der mit uns einen Plan der Liebe hat. Die Bibel ist im Grunde kein wissenschaftliches Buch. Wie Dei verbum3 unterstreicht, ist sie das Buch des Wortes Gottes an uns Menschen. Sie ist ein Liebesbrief, den Gott seinem Volk in einer Sprache von vor zwei- oder dreitausend Jahren geschrieben hat. Zur damaligen Zeit war ein Begriff wie jener vom Urknall natürlich völlig fremd. Daher darf man von der Bibel keine wissenschaftliche Antwort erwarten. Gleichzeitig wissen wir nicht, ob die Theorie des Urknalls in absehbarer Zeit nicht von einer besseren und vollständigeren Erklärung zum Ursprung des Universums abgelöst wird. Zur Zeit ist sie die beste und steht nicht im Widerspruch zum Glauben. Sie ist vernünftig.
Valiante: In der Genesis ist aber die Rede von der Erde, den Tieren, von Mann und Frau. Schließt dies die Möglichkeit der Existenz anderer Welten oder Lebewesen im Universum aus?
Funes: Meiner Meinung nach besteht diese Möglichkeit. Die Astronomen nehmen an, dass das Weltall aus 100 Milliarden Galaxien besteht, deren jede wiederum 100 Milliarden Sterne umfasst. Viele davon oder fast alle könnten Planeten haben. Wie könnte man also ausschließen, dass nicht auch anderswo Leben entstanden ist? Es gibt einen Zweig der Astronomie, die Astrobiologie, die sich gerade mit diesem Aspekt befasst und die in den letzen Jahren große Fortschritte gemacht hat. Wenn man die Spektren des Lichtes analysiert, das von den Sternen und den Planeten zu uns kommt, kann man schnell die Elemente ihrer Atmosphäre ausmachen – die sogenannten biomakers – und erkennen, ob es Voraussetzungen für die Entstehung und Entwicklung von Leben gibt. Übrigens könnten Formen von Leben theoretisch sogar ohne Sauerstoff oder Wasserstoff existieren.
Valiante: Denkt man dabei auch an uns ähnliche oder höherentwickelte Wesen?
Funes: Das ist möglich. Bisher haben wir dafür keine Beweise. Doch lässt sich diese Hypothese in einem so großen Universum sicher nicht ausschließen.
Valiante: Und das wäre für unseren Glauben kein Problem?
Funes: Ich glaube nicht. So wie es auf der Erde eine Vielfalt von Kreaturen gibt, so könnte es dort auch andere, gleichfalls intelligente, Wesenheiten geben, die von Gott geschaffen sind. Das widerspricht nicht unserem Glauben, denn wir können der schöpferischen Freiheit Gottes keine Grenzen setzen. Um es mit dem hl. Franziskus zu sagen: Wenn wir die irdischen Geschöpfe als „Bruder“ und „Schwester“ betrachten, warum sollten wir dann nicht auch von einem „extraterrestrischen Bruder“ sprechen? Er würde ebenso ein Teil der Schöpfung sein.
Valiante: Und was die Erlösung betrifft?
Funes: Nehmen wir hier das biblische Beispiel vom versprengten Schaf. Der Hirte belässt die neunundneunzig Schafe im Stall, um nach dem einen verlorenen zu suchen. Stellen wir uns nun vor, in diesem Universum gäbe es 100 Schafe, die verschiedenen Formen von Geschöpfen entsprechen würden. Und wir, die wir dem Menschengeschlecht angehören, könnten nun gerade dieses eine verlorene Schaf sein, die Sünder, die des Hirten bedürfen. Christus ist Mensch geworden, um uns zu erlösen. Würden auch andere intelligente Wesen existieren, so hieße das nicht gleich, dass auch sie der Erlösung bedürfen. Sie könnten auch in der vollen Freundschaft mit ihrem Schöpfer verblieben sein.
Valiante: Um noch einmal darauf zurückzukommen: Wenn diese aber Sünder wären, könnten dann auch sie erlöst werden?
Funes: Jesus ist ein für allemal Mensch geworden. Die Menschwerdung ist ein einmaliges und unwiederholbares Ereignis. Daher bin ich sicher, dass auch sie in irgendeiner Weise die Möglichkeit hätten, an der Barmherzigkeit Gottes teilzuhaben, so wie es bei uns Menschen war.
Valiante: Im kommenden Jahr feiert man den 200. Geburtstag Darwins und man wird sich wieder mit dem Evolutionismus befassen. Kann die Astronomie einen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung liefern?
Funes: Als Astronom kann ich sagen, dass aus der Beobachtung der Sterne und Galaxien eindeutig ein evolutionärer Prozess hervorgeht. Das ist ein wissenschaftliches Faktum. Auch hier sehe ich keinen Widerspruch zwischen dem, was wir von der Evolution lernen können – sofern sie nicht zu einer absoluten Ideologie wird – und unserem Glauben an Gott. Es gibt Grundwahrheiten, die sich nun einmal nicht ändern: Gott ist der Schöpfer, es liegt ein Sinn in der Schöpfung, wir sind keine Zufallsprodukte.
Valiante: Ist auf dieser Grundlage ein Gespräch mit den Wissenschaftlern möglich?
Funes: Ich möchte vielmehr sagen, dass es notwendig ist. Glaube und Wissenschaft sind nicht unversöhnlich. Das hat schon Johannes Paul II. gesagt und Benedikt XVI. hat es wiederholt: Der Glaube und die Vernunft sind die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist erhebt. Es gibt keinen Widerspruch zwischen dem, was wir durch den Glauben wissen und dem, was wir durch die Wissenschaft lernen. Es mag zwar Spannungen und Konflikte geben, doch brauchen wir keine Angst zu haben. Die Kirche braucht die Wissenschaft und ihre Entdeckungen nicht zu fürchten.
Valiante: Wie ist das dann aber mit Galilei passiert?
Funes: Das ist sicherlich ein Fall, der die Geschichte der kirchlichen Gemeinschaft und der Wissenschaftsgemeinschaft gezeichnet hat. Es ist sinnlos zu verneinen, dass es den Konflikt gegeben hat. Und vielleicht wird es in der Zukunft andere, ähnliche Konflikte geben. Aber ich glaube, dass der Augenblick gekommen ist, die Seiten umzublättern und vielmehr in die Zukunft zu schauen. Diese Angelegenheit hat Wunden hinterlassen. Es hat Missverständnisse gegeben. Die Kirche hat in gewissem Sinne ihre Fehler anerkannt. Vielleicht hätte man es besser machen können. Doch nun ist es an der Zeit, die Wunden zu heilen. Und das kann man im Rahmen eines ruhigen Dialogs, der Zusammenarbeit. Für die Menschen ist wichtig, das Wissenschaft und Glaube sich gegenseitig befruchten, ohne natürlich die Klarheit und Ehrlichkeit der jeweiligen Positionen zu verraten.
Valiante: Warum aber ist heute diese Zusammenarbeit so schwierig?
Funes: Ich glaube, dass eines der Probleme in der Beziehung zwischen Wissenschaft und Glauben die Unwissenheit ist. Einerseits müssten die Wissenschaftler die Bibel richtig lesen und die Wahrheiten unseres Glaubens verstehen lernen. Andererseits sollten sich die Theologen, die Vertreter der Kirche, über die Fortschritte der Wissenschaft auf dem Laufenden halten, um auf die Fragen, die diese fortlaufend stellt, wirksame Antworten geben zu können. Leider fehlt selbst in den Schulen und Pfarren ein Weg, der zur Integration von Glaube und Wissenschaft beitragen kann. Die Katholiken bleiben häufig bei dem stehen, was sie im Katechismus gelernt haben. Ich glaube, dass hier aus pastoraler Sicht eine echte Herausforderung gegeben ist.
Valiante: Was kann die Sternwarte in diesem Zusammenhang tun?
Funes: Johannes XXIII. sagte, dass es unsere Aufgabe sei, den Astronomen die Kirche und der Kirche die Astronomie zu erklären. Wir sind wie eine Brücke, eine kleine Brücke zwischen der Welt der Wissenschaft und der Kirche. Entlang dieser Brücke geht der eine in die eine Richtung, der andere in die andere. Wie Benedikt XVI. uns Jesuiten anlässlich der letzten Generalkongregation aufgetragen hat, sollen wir Männer an den Grenzen sein. Ich glaube, dass dies die Aufgabe der Sternwarte ist: an der Grenze zwischen der Welt der Wissenschaft und der Welt des Glaubens zu sein, um dafür Zeugnis zu geben, dass es möglich ist, an Gott zu glauben und gute Wissenschaftler zu sein.

Anmerkungen:
1 Study Week on Astrobiology. 6-10 November 2009, Casina Pio IV, Vatican City, 2009.
2 Der „Urknall“ ist nach dem Standardmodell der Kosmologie die Bezeichnung für den Beginn des Universums. Ironischerweise wurde der Begriff Urknall (engl. Big Bang), wörtlich also: großer Knall, von Sir Fred Hoyle geprägt, der als Kritiker diese Theorie unglaubwürdig erscheinen lassen wollte. Inzwischen ist seine ironische Bezeichnung zu einem Standardbegriff der Kosmologie geworden, der jedoch missverständlich ist. Der „Urknall“ ist nämlich nicht als eine „Explosion“ in einem bestehenden Raum, sondern als die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit aus einer Anfangssingularität zu verstehen. Doch ausgehend davon, dass mit dem Urknall nicht nur die Existenz von Materie begann, sondern auch die Existenz von Raumzeit, kann der eigentliche Urknall innerhalb aller bislang bekannten physikalischen Theorien nicht beschrieben werden, weil diese für Bedingungen immer näher am Zeitpunkt des Urknalls ungültig werden. Insofern gibt es für den Urknall selbst bislang keine akzeptierte Theorie. Zudem bleibt die Frage offen, was der Raumzeit vorausging. Nach Burkhard Heim hat sich die Kosmogonie der Materie erst ca. 10108 Jahre nach dem kosmogonischen Weltenursprung vollzogen, während das Baugesetz der Materie bereits ca. 10108 Jahre vor der Materiekosmogonie vorhanden war. Die Urknalltheorie bezieht sich also nur auf die Materiekosmogonie, jedoch nicht um deren Entstehung zu hinterfragen, sondern nur um deren Verhalten nach der Entstehung zu beschreiben. Nach ihr hat das materiegefüllte Universum nach der Entstehung mit einer Expansion begonnen, die bis heute anhält. Die Kosmologie modelliert diese Expansion des Universums mit Hilfe von Einsteins Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Nach den gemachten Beobachtungen wird das Alter des Universums und somit der Zeitpunkt des Urknalls derzeit mit vor ca. 13,7 Milliarden Jahren angesetzt.
3 Dei Verbum. Dogmatische Konstitution über die Offenbarung. Vatikan, 18. November 1965.
Aus: GRENZGEBIETE DER WISSENSCHAFT 59 (2010) 1, 27-42