ETHICA 18. Jg. 2010

Leitartikel
Christoph Ammann: Emotionslose Ethik? Überlegungen zur Ojektivität und Rationalität moralischer Wahrnehmung 291
Johannes Brantl: Wachstumsmarkt Vaterschaftstests. Ethische Implikationen gendiagnostischer Abstammungsuntersuchungen 11
Bernhard Irrgang: Technikvertrauen und autonom-intelligente Technologie 339
Helmut Etzold: Von der Selbstorganisation zur Integration. Werte für eine gelingende Welt 243
Christian Klager: Ethische Probleme der Tiernamengebung im Zoo 319
Imre Koncsik: Glaube und Technik. Impulse zur Grundlegung von TRI (technologically responsible investments) 219
Kongregation für die Glaubenslehre: Instruktion Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik 161
Emeka Vernantius Ndukaihe: Der Name als wertbewusster Schlüssel zur Identität eines Menschen – Echo aus Afrika 195
Hanspeter Schmitt: Leben – Freiheit – Würde. Ethische Analyse der organisierten Selbsttötungshilfe 129
Hans-Martin Schönherr-Mann: Das utopische Denken als Begründung einer globalen Ethik: eine philosophische Perspektive im Anschluss an Hans Küngs Projekt Weltethos 39
Karsten Weber: Gewalt in den Medien – methodologische, wissenschaftstheoretische und medienethische Reflexionen 65
Andreas Woyke: Intergenerative Gerechtigkeit und Verantwortung im Blick auf nanontechnologische Anwendungen und Visionen 99
Diskussionsforum
Sind Philosophen Experten in „Angewandter Ethik“? Zur Relevanz und Aufgabe von Ethikkommissionen (Dagmar Fenner) 83
Verantwortung für das Leben. Ethik im Christentum und Islam (Rezension von Ernst Luther) 273
Bücher und Schriften
Bohlken, Eike / Christian Thies (Hrsg.): Handbuch der Anthropologie. Der Mensch zwischen Natur, Kultur und Technik (A. Resch) 279
Hénaff, Marcel: Der Preis der Wahrheit. Gabe, Geld und Philosophie (A. Schlitte) 280
Honneth, Axel / Beate Rössler (Hrsg.): Von Person zu Person. Zur Moralität persönlicher Beziehungen (K. Bauer) 283
Krobath, Hermann T.: Werte. Ein Streifzug durch die Philosophie und Wissenschaft (A.Resch) 286

ETHICA 2010/1

EDITORIAL

GIOVANNI MAIO: Zur Hilflosigkeit der modernen Medizin im Hinblick auf die Frage nach dem Sinn

LEITARTIKEL / Abstracts

BRANTL, JOHANNES: Wachstumsmarkt Vaterschaftstests. Ethische Implikationen gendiagnostischer Abstammungsuntersuchungen. ETHICA 17 (2009) 4, 11–37
Der vorliegende Beitrag nimmt zunächst Hintergründe und Ursachen für den „Wachstumsmarkt Vaterschaftstests“ in den Blick und diskutiert, warum es für viele Menschen – und dabei insbesondere Männer – in einer modernen Gesellschaft von bleibend existentieller Bedeutung ist, über die tatsächlich gegebenen biologischen Abstammungsverhältnisse aufgeklärt zu sein.
In einem weiteren Schritt werden einige grundlegende Informationen zu den molekulargenetischen Verfahrensweisen der modernen DNA-Analytik dargeboten und Probleme erörtert, die sich bei Missachtung der gebotenen Qualitäts- und Sorgfaltspflicht ergeben.
Zudem thematisiert der Autor auch die Wahrnehmung des Rechts auf Nichtwissen bei den unmittelbar von der Klärung der Abstammung betroffenen Personen.
Fünf kurz formulierte Desiderate der Ethik im behandelten Problembereich, deren konkrete Umsetzung nicht zuletzt in die Zuständigkeit der Politik bzw. des mit der Materie befassten Gesetzgebers fällt, beschließen den Beitrag.
Abstammungsuntersuchung
Familienfrieden
Genetik
Qualitätsanforderung
Recht auf Nichtwissen
Selbstbestimmung, informationelle
Vaterschaft

BRANTL, JOHANNES: Paternity tests – a growing market. Ethical implications of proving the biological descent. ETHICA 17 (2009) 4, 11–37
The article, first of all, reveals the background of and the reason why paternity tests are becoming a growing market, and it discusses why it is of vital significance for many people in modern society, especially men, to be informed about the biological descent.
Some basic information is also given as to the molecular genetic methods of modern DNA-analysis and problems are debated which may arise if the necessary duties of care and quality are neglected.
Nonetheless, the author points to the possibility of reserving oneself the right to ignorance when being involved in questions of biological descent.
Finally, five brief suggestions of ethics in this field are brought up for discussion, whose translation into practice is within the competence of politics, i. e. the legislative power in charge of such matters.
Biological descent test
family peace
genetics
paternity
quality request
right to genetic ignorance
self-determination, informational

SCHÖNHERR-MANN, HANS-MARTIN: Das utopische Denken als Begründung einer globalen Ethik: eine philosophische Perspektive im Anschluss an Hans Küngs Projekt Weltethos. ETHICA 18 (2010) 1, 39–64
Hans Küngs Projekt Weltethos diagnostiziert gemeinsame oberste ethische Normen in den großen Weltreligionen und stützt darauf eine Perspektive des Friedens zwischen den Religionen und den Kulturen. Auch die Philosophie kennt den Frieden als Ideal und Utopie. Das utopische Denken wurde allerdings lange missbraucht, um konkrete Politik zu legitimieren. Die klassischen Utopien strebten indes nicht nach Umsetzung, sondern begründeten ethische Orientierungen. Da auch die religiöse Berufung auf einen Schöpfer keinen letzten Grund ethischer Normen liefert, geht es gerade in weltethischer Perspektive darum, wie man zu gemeinsamen ethischen Orientierungen gelangt. Just hierzu könnte das utopische Denken heute einiges beitragen.
Denken statt Handeln
Gesinnungs- und Verantwortungsethik
Idealstaat
Idee des Friedens
Technische Dystopien
Widerständigkeit
Wissenschaftlicher Sozialismus

SCHÖNHERR-MANN, HANS-MARTIN: Utopian thinking as a justification of global ethics: a philosophical perspective following Hans Küng’s Project World Ethos. ETHICA 18 (2010) 1, 39–64
Hans Küng’s Project World Ethos diagnoses supreme ethical norms that are common to the great world religions, thus founding a perspective of peace between religions and cultures. In philosophy, too, peace is considered an ideal and an utopia. However, utopian thinking has long been abused in order to legitimate concrete politics, whereas classical utopias did not strive for realization but founded ethical orientations. Since even the religious reference to a Creator does not provide for an ultimate foundation of ethical norms, it is particularly the global ethical perspective to help to attain common ethical orientations. And in this point modern utopian thinking might make a major contribution.
Ethics of conviction / responsibility
idea of peace
ideal state
resistance
scientific socialism
technical dystopia
thinking instead of acting

WEBER, KARSTEN: Gewalt in den Medien – methodologische, wissenschaftstheoretische und medienethische Reflexionen. ETHICA 18 (2010) 1, 65–82
Werden außergewöhnliche Gewalttaten verübt, wird öffentlich oft sehr emotional diskutiert, wie Gewaltdarstellungen und Gewalttaten zusammenhängen. Oft werden (mono­)kausale Theorien der Medienwirkung vertreten. So wird angenommen, dass eine Beschränkung der Gewaltdarstellungen in Zahl und Intensität unmittelbar zur Reduktion entsprechender Gewalttaten führe. Erkenntnisse der Medienwirkungsforschung bieten dafür jedoch keine überzeugenden Argumente. Der Text wirft einen Blick auf methodische Probleme der Medienwirkungsforschung und der daraus resultierenden medienethischen Fragen.
Gewalt
(Massen-)Medienwirkung
Medien
Medienethik
Wissenschaftstheorie

WEBER, KARSTEN: Violence in the media – reflections from a philosophy of science and media ethics perspective. ETHICA 18 (2010) 1, 65–82
In case of cruel violence an often emotional debate starts in the public, concerning the relationship of display of violence and violence itself. Usually (mono-)causal theories of media effects are presumed. Thus, it is assumed that a reduction in frequency and intensity of display of violence will immediately reduce violent acts. But the existing evidence does not support this point of view. The author discusses some methodological problems of research concerning media effects as well as questions related to media ethics.
(Mass) media effects
media
media ethics
philosophy of science
violence

ETHICA 2010/2

LEITARTIKEL / Abstracts

WOYKE, ANDREAS: Intergenerative Gerechtigkeit und Verantwortung im Blick auf nanotechnologische Anwendungen und Visionen. ETHICA 18 (2010) 2, 99 – 127
Wir sind den nachfolgenden Generationen in besonderer Weise verpflichtet. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist paradigmatisch für diese Verpflichtung. Eine Ausweitung dieser Verpflichtung auf den Bereich technologischer Entwicklungen führt sowohl zu einer ausgewogenen Einschätzung möglicher Risiken als auch zu einer kritischen Reflexion aller Visionen einer technologischen Transformation der menschlichen Konstitution. Hans Jonas’ Verantwortungsethik repräsentiert nach wie vor ein instruktives Konzept einer metaphysisch begründeten Ethik, die wir gerade auch für eine kritische Bewertung von Fragen nach Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im Blick auf nanotechnologische Anwendungen verwenden können. Konkrete Probleme sind die mögliche Toxizität von Nanopartikeln und die Veränderung natürlicher Stoffkreisläufe. In welchem Umfang sollen wir die künftigen Generationen mit solchen offenen Fragen und ungeklärten Risiken konfrontieren? Forschung im Bereich von „human enhancement“ bezieht sich auf Ideen einer technologischen Perfektionierung des Menschseins. Sollen wir hier nur mögliche Chancen sehen oder sollen wir in diesem Kontext auch über eine Gefährdung der zukünftigen Möglichkeit „ganzen Menschseins“ nachdenken?
Human Enhancement
Intergenerative Gerechtigkeit
Jonas, Hans
Nanotechnologie
Perfektionierung des Menschseins
Verantwortungsethik
Zukunftsethik

WOYKE, ANDREAS: Intergenerative justice and responsibility in view of nanotechnological applications and visions. ETHICA 18 (2010) 2, 99 –127
As to the following generations we are under a special obligation for which the relations between parents and children are paradigmatic. An extension of this obligation to the field of technological developments leads to a balanced assessment of possible risks as well as to a critical reflection of all the visions considerung a technological transformation of human constitution. The ethics of responsibility by Hans Jonas still represents an instructive concept of a metaphysically founded ethics which we can also use for the critical evaluation of questions concerning justice and sustainability in view of nanotechnological applications. Concrete problems are the possible toxicity of nanoparticles and the change of the natural circulation of materials. To what extent are we to confront future generations with such questions and risks not yet solved? Research in the field of „human enhancement“ refers to ideas of a technological improvement of human constitution. Shall we see – in this context – only the possible chances or also reflect upon the endangering of the future possibility of an „overall human existence“?
Ethics of responsibility
future ethics
human enhancement
improvement of human constitution
intergenerative justice
Jonas, Hans
nanotechnology

SCHMITT, HANSPETER: Leben – Freiheit – Würde. Ethische Aspekte der organisierten Selbsttötungshilfe. ETHICA 18 (2010) 2, 129–159
In der Schweiz findet derzeit ein rechts- und gesellschaftspolitischer Diskurs über die Frage statt, ob die bisher geduldeten, weit über die Grenzen der Eidgenossenschaft hinaus wirksamen Aktivitäten der bekannten Suizidhilfeorganisationen strafrechtlich eingedämmt werden sollen. Darin wird auf anthropologische Grundvollzüge wie Leben, Freiheit und Würde rekurriert, näherhin auf das Verhältnis von menschlicher Verantwortung zur Möglichkeit der Selbsttötung und ihrer Unterstützung durch Dritte. Eine ethische Erörterung der rechtlichen Erlaubtheit organisierter Suizidhilfe bemüht sich zunächst um eine angemessene Offenlegung und Interpretation solcher anthropologischer Fundamente und diskutiert von dort her die Legitimität aller in der organisierten Suizidhilfe vorausgesetzten Teilhandlungen. Während man unter bestimmten Voraussetzungen von der Legitimität einer Selbsttötung und der persönlich geleisteten Suizidhilfe ausgehen kann, was freilich kein Anspruchsrecht auf diese Handlungen begründet, ist eine öffentliche Struktur und Professionalisierung eines solchen Hilfeangebotes trotz ihrer vermeintlichen Vorteile moralisch abzulehnen. Gründe sind die damit gegebene Organisiertheit und Legitimierung der gesellschaftlich und kulturell nicht indifferenten, sondern herausfordernden Suizidhandlungen, aber auch die methodische Beteiligung der Medizin sowie die gravierende Verletzung von Freiheitsrechten Dritter. Die Problematik humaner Lebensgestaltung in Alter, Krankheit, Krise und Sterben darf nicht durch den Ausweg über diese und andere Tötungshandlungen verdrängt werden, sondern ist durch eine umfassende Politikstrategie bezüglich Palliativ-Care, Suizidprävention, Altersgestaltung und deren kommunikative Vermittlung produktiv und entschlossen aufzunehmen.
Lebensschutz
Palliative Care
Patientenverfügung
Selbstbestimmung
Suizidbeihilfe
Suizidprävention
Würde

SCHMITT, HANSPETER: Life – Freedom – Dignity. Ethical aspects of organized assisted suicide. ETHICA 18 (2010) 2, 129–159
In Switzerland the actual political as well as social discussion is about whether the hitherto tolerated activitities of the well-known right-to-die-organizations, which are effective far beyond the bounds, are to be restricted by criminal law. In this it is referred to anthropological basic values, such as life, freedom and dignity, in particular to the relations between human responsibility and the possibility of assisted suicide. An ethical debate about the legal permission of organized assisted suicide above all tries to disclose and interpret such anthropological foundations and from this aspect discusses the legitimacy of all the partial activities required in cases of organized assisted suicide. Whereas on certain conditions one may assume the legitimacy of suicide with personal assistance – which, of course, does not justify these actions as such – , a public structuring and professionalization of this type of assistance is to be morally rejected, in spite of its supposed advantages. The reasons are the organized structure and legitimization of the socially and culturally by no means indifferent but challenging suicidal actions as well as the methodological participation of medicine and the serious violation of the civil rights and liberties of third persons. The problems of living a dignified life even if being old, sick and / or dying must not be suppressed by these or other actions of killing, but has to be managed by an extensive political strategy with regard to palliative care, prevention of suicide, care of the elderly and has to be communicated in a productive and determined way.
Assisted suicide
dignity
informed consent
palliative care
protection of life
self-determination
suicide prevention

KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE: Instruktion Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik. ETHICA 18 (2010) 2, 161–191

ETHICA 2010/3

LEITARTIKEL / Abstracts

NDUKAIHE, EMEKA VERNANTIUS: Der Name als wertbewusster Schlüssel zur Identität eines Menschen – Echo aus Afrika. ETHICA 18 (2010) 3, 195 – 217
Sag mir, wie du heißt, und ich sage dir, wer du bist, woher du kommst, und woran du (mit deiner Abstammung) glaubst. Diese tiefe Verbindung zwischen Namen, Identität und menschlichem Glauben und Werten ist nicht bloß eine psychologische Behauptung, sondern für die Afrikaner auch eine kulturelle, religiöse und ethische Realität, die von den Igbo mit der Namensgebung konkretisiert wird. In der afrikanischen Kultur und ihrer Tradition gilt der Name als Geschichte, als Ausdruck für den Glauben an Gott, als Platzhalter für ethische und soziale Werte, als Erinnerungshilfe für (lokale) Sprichwörter, Weisheitsüberlieferungen und als Symbol für die Person des Namensträgers. Der Name identifiziert ein Wesen und sagt etwas Bestimmtes über dieses aus. Wer die Bedeutung seines Namens nicht weiß, kennt wahrscheinlich auch seine Identität nicht.
Der Name eines Menschen ist wie ein Schlüssel und gehört zu den ersten Erkennungsphasen der Identität des mit diesem Namen bezeichneten Individuums. Von daher gilt jeder Versuch der Banalisierung oder sogar Beraubung des Namens als eine Banalisierung bzw. Beraubung des Individuums und seiner Identität. Der Name jedes Menschen ist heilig und gleichsam die „Ikone“ der Person. Zum Zeichen der Würde dessen, der ihn trägt, soll der Name in Ehren gehalten und erhalten werden. Der empfangene Name ist ein Name auf ewig; und er bleibt ein Hinweis auf die Identität des Menschen, der den Namen trägt. Infolgedessen haben wir die moralische Pflicht, den Namen jeder Person zu schützen, weil dies einen Dienst zum Schutz der Identität bedeutet.
Afrika
Glaube
Identität
Identitätsverlust
Igbo
Name
Patchwork-Identität

NDUKAIHE, EMEKA VERNANTIUS: The name as a value-conscious key to a person’s identity – response from Africa. ETHICA 18 (2010) 3, 195 – 217
Tell me your name, and I will tell you who you are, where you come from, and what you (with your roots) believe in. This deep connection between name, identity and human believes and values is not merely a psychological assumption, but, for the African, also a cultural, religious and ethical reality meaningfully concretized and portrayed by the Igbo in the act of taking and giving names. In the African culture and tradition the name encapsulates and stands for history and the expression of belief in God; it serves as a purveyor of ethical and social values, a transmitter of philosophical wisdom and proverbs, and also as a symbolic representation of the personhood of the bearer. The name identifies a being (person) and says something substantial about it. Whoever does not know the meaning or care about what he is called, may probably be ignorant of his person and identity.
The name of a person is like the key which provides the first access to the identity of the individual; thus, any attempt at robbing or trivializing the name is considered an attempt at robbing or trivializing the individual and his identity. The name of any human being is sacred and as such the „icon“ of his person. The name must therefore be honoured as the sign of and in acknowledgment of the dignity of the person who bears it. The name one is given or which one takes should be able to accompany one forever, and should be a pointer to one’s human identity. We therefore have the moral obligation to protect the name of every person, since this is a way of protecting the individual’s dignity and identity.
Africa
belief
identity
Igbo
loss of identity
name
patchwork-identity

KONCSIK, IMRE: Glaube und Technik. Impulse zur Grundlegung von TRI (technologically responsible investments). ETHICA 18 (2010) 3, 219 – 241
Der eine Mensch in zwei ontologisch verstandenen „Dimensionen“ bildet im Grunde den Ausgangspunkt einer ethischen Evaluation technischer Artefakte und Technologien. Eine Technik soll langfristig und nachhaltig dem Menschen dienen; und „dienen“ soll sie dem Menschen im Sinn einer umfassenden Entsprechung zu seiner „Zwei-Dimensionalität“. Die horizontale Dimension einer Technik bildet die pragmatisch zugängliche und teilweise quantifizierbare Wirklichkeit, wie sie Gegenstand betriebswirtschaftlichen und technischen Kalküls ist. Die vertikale Dimension hingegen bildet den Gegenstand einer Wirklichkeit, die mit den Augen des Glaubens erfassbar ist: ein sog. Minimalglaube sollte Basis einer weiterer Konsensfindung anheim gestellten Minimialethik sein, kraft der die Evaluation erfolgen kann. Daraus resultierende qualitative Kriterien können in eine multi-perspektivische SWOT-Analyse einmünden. Sie für eine authentische Generierung von TRI’s maximal zu objektivieren, ist eine Herausforderung für weitere Forschung.
Christlicher Glaube
Minimalethik
Nachhaltigkeit
SRI (socially responsible investments)
SWOT-Analyse
Technik
Technikevaluation
TRI (technologically responsible investments)
Wirtschaftsethik

KONCSIK, IMRE: Faith and technology. A fresh impetus to laying the foundations of TRI (technologically responsible investments). ETHICA 18 (2010) 3, 219 – 241
Basically, the one man in two ontologically interpreted „dimensions“ forms the foundation of an ethical evaluation of technical artefacts and technologies. Any kind of technology is to serve man for a long time and in a sustainable way. And it is to „serve“ in the sense of an extensive correspondence with his two-dimensionality. The horizontal dimension of a technology forms the pragmatically accessible and partly quantifiable reality that is object of calculation in business management and technology, whereas the vertical dimension is the object of a reality that can be understood by faith. A so-called minimal faith should be the basis of a minimal ethics left to further consensus formation by which evaluation becomes possible. Eventually resulting qualitative criteria could flow into a multi-perspective SWOT-analysis. To objectivize it in a maximum way for an authentical generation of TRI’s is to be seen as a challenge for further research.
Business ethics
Christian faith
minimal ethics
sustainability
SRI (socially responsible investments)
SWOT-analysis
technology
technology evaluation
TRI (technologically responsible investments)

ETZOLD, HELMUT: Von der Selbstorganisation zur Integration – Werte für eine gelingende Welt. ETHICA 18 (2010) 3, 243 – 272
Selbstorganisation zu einem exklusiven und eigennützig agierenden System im Bereich des Lebendigen bei Mensch und Natur erfüllt drei Funktionen: Schutz vor äußerer Bedrohung, verbesserter Zugriff auf knappe Ressourcen, Vermeidung innerer Konflikte und Übergriffe. Der Zusammenschluss erfolgt aus eigennützigem Antrieb unter Beteiligung von äußerem und innerem Druck. Einheit und Freiheit vertragen sich darin nicht. Der Zusammenhalt ist darum prekär und hängt an der Erfüllung der genannten Funktionen. Das System gerät so in Disziplinierungs-, Wachstums- und Konfrontationszwänge. Diese bringen es in ein jeweiliges Dilemma und einen Selbstwiderspruch. Der Ausweg ist ein struktureller Wandel nach ethischen Vorgaben, die das System ohne den Wandel nicht erfüllen kann. Das Ergebnis sind entspanntere innere und äußere Verhältnisse. Es ist die Richtung der Integration, bei der Einheit und Freiheit wachsen und sich zunehmend vertragen. Der Mensch ist damit nicht überfordert, weil die Entwicklung in der Vergangenheit schon stattgefunden hat und weil sie einem spontanen Verlangen und Drängen der Menschen entspricht. Die Entwicklung folgt darum einem Zeitpfeil, der mit dem Zeitpfeil der Entropievermehrung vergleichbar ist, aber wie dieser nicht auf das Ende allen Lebens zielt, sondern Leben und Lebendigkeit vermehrt. Damit ergibt sich eine gemeinsame Bestimmung für menschliches Leben, die zur Grundlage für das Vertrauen unter den Menschen und für ein friedliches Zusammenleben und maßvolles Wirtschaften werden kann. Hiermit lassen sich auch die moralischen Werte, an denen sich die Entwicklung orientiert, und eine Ethik des Gelingens begründen.
Das unbedingte Gute
Disziplinierungszwang
Ethik und Maximen gelingenden Lebens
Integration
Konfrontationszwänge
Normalisierung der Beziehungen
Selbstorganisation
Tod
Wachstumszwänge
Zeitpfeil der Entropievermehrung

ETZOLD, HELMUT: From self-organization to integration – values for a succeeding world. ETHICA 18 (2010) 3, 243 – 272
Self-organization to an exclusive and selfishly acting system in the field of the living concerning man and nature serves thress purposes: protection against external threats, better access to scarce resources, avoidance of internal conflicts and attacks. The joining together results from selfish motives accompanied by external as well as internal pressure. Unity and freedom are incompatible. Thus, cohesion is at stake, it depends on the workability of the functions mentioned above. The system is forced into compulsory disciplination, growth and confrontation and exposed to dilemmata and self-contradiction. The solution might be a structural change according to ethical guidelines which the system cannot come up to without a change. The result is much more relaxed internal and external conditions. It is towards integration that unity and freedom can grow and come to harmony. Man will not be overtaxed by this for the development has already taken place in the past and corresponds to a spontaneous human desire and yearning. Therefore, the development follows an arrow of time which is comparable with the time arrow of the increase of entropy, but unlike this does not aim at the end of all life but will promote life and liveliness. This leads to a common determination of human life which might serve as a basis for confidence as well as for peaceful cooperation and moderate economization. By this also the moral values that form the guideline for development and an ethics of success can be founded.
Compulsory confrontation
compulsory disciplination
compulsory growth
death
integration
normalization of conditions
self-organization
successful life /ethics of and maxims for
the unconditioned good
time arrow of an increase of entropy

ETHICA 2010/4

LEITARTIKEL / Abstracts

AMMANN, CHRISTOPH: Emotionslose Ethik? Überlegungen zur Objektivität und Rationalität moralischer Wahrnehmung. ETHICA 18 (2010) 4, 291 – 318
In der Ethik ist oft ein Verständnis von Objektivität leitend, wonach diese in einer möglichst säuberlichen Eliminierung subjektiver Einflüsse besteht. Emotionen sind diesem Bild zufolge der ethischen Erkenntnis hinderlich. Sie trüben den Blick auf die (ethisch relevanten) Fakten. Der vorliegende Beitrag stellt einen Versuch dar, dieses ethische Diskurse (oft implizit) prägende Verständnis von Objektivität, Wirklichkeit und Rationalität und ein damit zusammenhängendes Ideal des Ethikers als eines wissenschaftlichen Experten zu kritisieren. Ziel ist es, für eine andere Sichtweise dessen, worum es in der Ethik geht, Raum zu schaffen. Die Realität, um die es in der Ethik geht, ist jene der Bedeutung von Situationen, und diese Realität ist nur einer involvierten Wahrnehmung, nicht aber einem „Blick von nirgendwo“ zugänglich. Emotionen sind dabei keineswegs in jedem Fall als Hindernis zu adäquater ethischer Erkenntnis zu betrachten, sondern ermöglichen vielfach erst, eine Situation in ihrer moralischen Relevanz wahrzunehmen. Für das Nachdenken des Ethikers über ethische Probleme hat eine solche Sichtweise zur Folge, dass nicht eine pauschale Distanznahme von seinen subjektiven Reaktionen zu fordern ist, sondern ein tieferes Verständnis derselben.
Emotionen
Metaethik
Moralische Wahrnehmung
Objektivität
Rationalität

AMMANN, CHRISTOPH: Unemotional ethics? Considerations on the objectivity and rationality of moral perception. ETHICA 18 (2010) 4, 291 – 318
Ethics is often dominated by an understanding of objecitivity according to which any subjective influences are to be eliminated as far as possible. This suggests that emotions are an obstacle to ethical cognition because they tend to dull the look upon (ethically relevant) facts. The author here makes an attempt to criticize this kind of understanding of objectivity, reality and rationality, which is (often implicitly) inherent in ethical discourses, as well as the ideal of a moral philosopher as a scientific expert. His aim is to make room for another view of what ethics is actually about. The reality of ethics is that of the significance of situations, and this kind of reality is only accessible to an involved perception and not to a „look from nowhere“. Thus, emotions are not in any case to be seen as an obstacle to valid ethical cognition; on the contrary, it is them which facilitate to perceive a situation in its moral relevance. As to the reflections of the moral philosopher about ethical problems this kind of view has the consequence that what has to be asked is not generally keeping distance from his subjective reactions but a somewhat deeper understanding of them.
Emotions
metaethics
moral perception
objectivity
rationality

KLAGER, CHRISTIAN: Ethische Probleme der Tiernamengebung im Zoo. ETHICA 18 (2010) 4, 319 – 337
Der Aufsatz gibt einen Einblick in die linguistische Onomastik am Spezialfall der Tiernamen und erläutert interdisziplinär ethische Probleme der Tiernamengebung. Dazu wird im ersten Teil eine Studie aus dem Jahr 2005 ausgewertet, die aufzeigt, nach welchen Gesetzmäßigkeiten die Tiernamenvergabe in zoologischen Gärten erfolgt, während im zweiten Teil mögliche ethische Implikationen der Benennung von Tieren dargestellt werden.
Tiernamen

KLAGER, CHRISTIAN: Ethical problems of animal naming in zoos. ETHICA 18 (2010) 4, 319 – 337
The essay gives an insight into linguistic onomastics in the special case of animal names and offers an interdisciplinary explanation of ethical problems of animal naming. In the first part a study of 2005 is evaluated which shows according to which rules animal are named in zoological gardens, while in the second part possible ethical implications of animal naming are discussed.
Animal naming

IRRGANG, BERNHARD: Technikvertrauen und autonom-intelligente Technologie. ETHICA 18 (2010) 4, 339 – 363
Schon bisher war Technik nur bedingt kontrollierbar. Diese Tendenz wird durch die gegenwärtig entstehende autonom-intelligente Technologie (smart Home, ubiquitous Computing; Robotik) noch verschärft. Hier wird eine Technologie entwickelt, die sich in zunehmendem Maße selbst steuert, ohne menschlichen Eingriff auskommt, daher der menschlichen Kontrolle nicht mehr bedarf. Sie wird aber, wie alle Technologie, gelegentlich versagen. Sollen wir dieser Art von Technik also vertrauen, auch wenn sie vermutlich kein Interesse haben wird, uns – wie in Roboterfilmen üblich – zu versklaven?
Informationstechnologie
Künstliche Intelligenz
Roboter
Technikethik
Technikvertrauen

IRRGANG, BERNHARD: Technology confidence and autonomous-intelligent technology. ETHICA 18 (2010) 4, 339 – 363
Technology has still been controllable only to a limited extent. The emerging autonomous-intelligent technology (smart home, ubiquitous computing, robotics) will even intensify this trend. These technologies are increasingly self-controlling and don’t need human intervention. Human control is no longer necessary. However, every now and then, also this new kind of technology will fail, as usual. Thus, should we trust it, even though – unlike in popular robot-movies – it is presumed not to be interested in enslaving us?
Artificial intelligence
ethics of technology
information technology
robot
technology confidence