Zu den gefürchtetsten und gleichermaßen geachtetsten und geheimnisumwobensten Berufen gehört zweifellos der Exorzist, besonders wenn es sich dabei um einen katholischen Priester handelt. Dies hängt damit zusammen, dass man dem Exorzisten eine besondere Macht über negative Kräfte im Umfeld des Menschen zuschreibt, geht doch die Austreibung der Dämonen auf Christus selbst zurück.
ARBEIT UND ARBEITSFELD DER EXORZISTEN
In der katholischen Kirche hat es immer schon Exorzisten gegeben. In der Neuzeit wurde ihre Tätigkeit jedoch oft in Frage gestellt. Zum einen stritten die Theologen darüber, ob es überhaupt einen Teufel gibt, der auf den Menschen einwirken kann, zum andern hoffte man, dem Teufelsspuk mittels Psychologie, Psychiatrie und Psychopharmaka ein Ende zu setzen. So führten die einzelnen Priester, die sich des Exorzismus annahmen, ein sehr einsames Leben. Besonders in den letzten Jahrzehnten, wo man selbst in gewissen theologischen Kreisen vom Abschied vom Teufel sprach, versuchte man den Exorzisten zu verneinen oder zumindest zu meiden, obwohl der Ruf nach ihm immer lauter wurde, wie ich persönlich hinreichend erfahren musste.
Selbst der Vatikan hat sich diesbezüglich sehr zurückgehalten. So wurden die Teilnehmer an den internationalen Kongressen, an denen ich unter der Präsidentschaft von P. Gabriele Amorth selbst einige Male teilnahm, zur Vermeidung jedweder Aufregung vom Papst nicht in Audienz empfangen, obwohl die letzten Päpste das Thema immer wieder ansprachen.
Die Arbeit des Exorzisten
Die Arbeit des Exorzisten ist ohne Zweifel die sensibelste Arbeit eines Priesters. Sie verlangt nicht nur entsprechende psychologische und psychiatrische Fachkenntnisse, sondern vor allem auch ein hohes Einfühlungsvermögen bei gleichzeitiger Distanz und letzter Verschwiegenheit, liegt der Exorzismus doch im Grenzbereich der absoluten Verschwiegenheit der Beichte. Hier ist Verschwiegenheit jedoch viel schwieriger als bei der Beichte, weil es sich meist um eine öffentliche Bekanntheit des Außergewöhnlichen in Zusammenhang mit einer Person handelt und das Ganze damit auch in den Bereich von Neugierde und Schadenfreude fällt. Daher hat die Durchführung des eigentlichen Exorzismus in der katholischen Kirche nach den neuen Verordnungen ohne Zutritt der Öffentlichkeit zu erfolgen.
In 99% der Fälle geht es dabei um ein stilles Anhören der Leidtragenden und gegebenenfalls um ein sogenanntes Befreiungsgebet. Doch selbst bei diesem Gebet ist darauf zu verweisen, dass eine Einwirkung des Teufels nur als Möglichkeit angenommen werden kann, weil man sonst Gefahr läuft, die Hilfesuchenden in ihrer Überzeugung, besessen zu sein, noch zu bestärken, wo es sich doch vielleicht nur um Wahnvorstellungen oder Zwangsgedanken handelt. Die Betroffenen sind daher von vornherein darüber zu informieren. Das Befreiungsgebet hat neben der Befreiung auch eine Schutzfunktion in dem Sinne, dass es ganz allgemein vor bösen Einflüssen schützen soll. An der Macht des Gebets in diesem Zusammenhang ist nämlich nicht zu zweifeln, wie nicht nur unzählige Fälle beweisen und ich selbst eindrucksvoll erfahren habe, worüber hier zur Untermauerung des Gesagten kurz berichtet sei.
Während meiner Tätigkeit als Psychotherapeut wurde eine Frau, Mutter von mehreren Kindern, mit einer besonderen psychischen Störung von ihrem Arzt zu mir geschickt. Sie musste seit fünf Jahren nachts in ein Gitterbett gelegt werden, weil ihre Aggressivität anders nicht unter Kontrolle zu bringen war. Ihr innerer Schmerz wurde so groß, dass man ihr Morphium verabreichte, was der Arzt aber nicht weiter verantworten wollte. Vor einer Einweisung in die Psychiatrie wollte der betreuende Arzt, vielleicht auch auf Wunsch der Familie, die Frau noch zu mir schicken. Ich lehnte zunächst ab, weil derartige Fälle psychotherapeutisch meist nicht zugänglich sind, stimmte dann aber auf die Bemerkung hin, nur einmal kurz mit ihr zu sprechen, zu, denn sprechen kann man immer.
Die junge Frau kam. Ich wies ihre einen Platz auf meiner Couch an und setzte mich in gebührendem Abstand neben sie. Plötzlich spürte ich in meiner Brust einen beinahe unerträglichen Schmerz, als hätte jemand mit einer Eisenstange dorthin geschlagen. Der Schmerz war so stark, dass ich fast aufschreien musste. Zudem ging alles so rasch, dass mein normaler psychotherapeutischer Gedankengang völlig aufgehoben wurde, Raum und Zeit lösten sich plötzlich auf. Ich befand mich in einem veränderten Bewusstseinszustand und verspürte nur mehr die Zerrissenheit der Frau und den Schmerz in meiner Brust.
In diesem Zustand sagte ich der Patientin – völlig gegen meine psychotherapeutische Gepflogenheit, wo ich zwischen Seelsorge und Psychotherapie streng zu trennen wusste – dass ich ihr in meiner Eigenschaft als Psychotherapeut nicht helfen könne, sondern nur noch als Priester. Alles spielte sich völlig ungesteuert ab. Ich sprach zur Lösung ihrer Zerrissenheit in Gedanken das Befreiungsgebet:
„Sollten böse Kräfte auf dich wirken, so mögen sie dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes für immer verlassen!“
Als ich das Gebet zu Ende gesprochen hatte, war auch der Schmerz plötzlich verschwunden. Die Situation hatte sich vollkommen normalisiert. Auch die Zerrissenheit der Frau spürte ich nicht mehr und sie selbst machte einen gelösten, heiteren Eindruck. Ich verabschiedete sie, allerdings mit einem unguten Gefühl, denn irgendwie meinte ich, ihr doch nicht geholfen zu haben, löst man doch solche Gitterbettfälle nicht im Handumdrehen!
Am darauffolgenden Morgen rief mich ihr Arzt an und teilte mir mit, dass die Frau geheilt sei. Sie konnte wieder ein normales Leben führen. Etwa zehn Jahre später kam dieselbe Frau nach einem Vortrag in einer Nachbarstadt ihres Wohnortes auf mich zu und teilte mir mit, dass es ihr nach wie vor gut gehe.
Diese Tatsache war selbst für mich eine Lehre über die Macht des Gebets.
Das Arbeitsfeld des Exorzisten
Was das besondere Arbeitsfeld des Exorzisten anbelangt, so lässt sich dieses, neben der allgemeinen seelsorglichen Beratung, entsprechend der von italienischen Exorzisten aufgestellten Terminologie über satanische Einwirkungen wie folgt gliedern:
Äußere Störungen: Der Teufel bzw. sein Exponent befindet sich vollkommen außerhalb der Person, die durch tätliche Angriffe, Behinderungen, Geräusche usw. beeinträchtigt werden kann. So geschah es auch bei einigen Heiligen.
Dämonische Infestationen: Diese betreffen vor allem Häuser, Büros, Geschäfte, Werk- und Lagerstätten, Gegenstände, Tiere. Schon Origenes spricht davon unter Erwähnung vorgenommener Exorzismen.
Dämonische Obsessionen: Sie beeinträchtigen vor allem Körper, Gesundheit, Beziehungen, Familie und manifestieren sich durch seltsame Nöte, die keine andere Erklärung zulassen.
Dämonische Umsessenheit: Wie schon der Begriff zum Ausdruck bringt, wird die Person von Gedanken, Wünschen, aufwühlenden und angsteinflößenden Mitteilungen, von Verzweiflung, Mord- und Selbstmordgedanken, Flüchen und Wollust gequält.
Dämonische Besessenheit: Es sind dies die klassischen Besessenheitsformen, bei denen die Person gespalten ist. Sie spürt auf vielerlei Weise die Präsenz einer anderen Wesenheit, die in ihr lebt und sie konditioniert, dominiert und attackiert; ein Etwas, das (auch mit Gewalt) auf jedwede Provokation reagiert, vor allem auf alles Heilige, das Gebet, das Schriftwort, die Sakramente, den Priester, insbesondere den Exorzisten; eine Wesenheit, welche die Person in Trance versetzen, in unbekannten Sprachen sprechen, hellseherische Erfahrungen und Vorahnungen haben, übermenschliche Kräfte annehmen lassen kann usw.
Dämonische Unterwerfung: Eine solche liegt vor, wenn die Person freiwillig in einem expliziten oder impliziten Pakt die Abhängigkeit vom Teufel oder von Geistern akzeptiert hat.
Diese Unterscheidungen fungieren gleichzeitig auch als Einteilung der Aufgaben des Exorzisten. Ihn sich weiterhin so vorzustellen, wie er im Film „Der Exorzist“ beschrieben wird, geht an den Tatsachen vorbei. Wie wir gesehen haben, ist die dämonische Einflussnahme weit gespannt und wächst proportional zu den Verstößen und Verfehlungen gegen Leben, Ehe und Familie und zur Übertretung des ersten Gebots „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“, was von der Kirche (z.B. im Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2110-12, 2114-17) ständig betont wird.
Zur Bewältigung dieser Aufgaben auch auf internationaler Ebene haben sich die Exorzisten weltweit zusammengeschlossen, um einen offenen Gedankenaustausch zu pflegen und die nötige kirchliche Anerkennung für ihren Verband zu erwirken. Dieses Ziel wurde durch die rechtliche Anerkennung der Internationalen Vereinigung der Exorzisten erreicht, wie die folgenden Ausführungen zeigen, denen der Vollständigkeit halber auch die Stellungnahme der Glaubenskongregation zur Frage des Exorzismus von 1985 beigefügt wird.
INTERNATIONALE VEREINIGUNG DER EXORZISTEN (Aie)
Am 23. Juni 2014 anerkannte der Heilige Stuhl durch die Kongregation für den Klerus mit Zustimmung des Papstes auf der Grundlage von can. 322, §2 die Internationale Vereinigung der Exorzisten (Aie) nach can. 322, § 1, als Rechtspersönlichkeit.
Can. 322 – § 1. Ein privater Verein von Gläubigen kann durch förmliches Dekret der in can. 312 genannten zuständigen kirchlichen Autorität Rechtspersönlichkeit erwerben.
§ 2. Kein privater Verein von Gläubigen kann Rechtspersönlichkeit erwerben, wenn nicht seine Statuten von der in can. 312, § 1, genannten kirchlichen Autorität gebilligt sind; die Billigung der Statuten verändert den privaten Charakter des Vereins nicht.
Can. 312 – § 1. Zuständige Autorität zur Errichtung von öffentlichen Vereinen ist:
1° für gesamtkirchliche und internationale Vereine der Heilige Stuhl.
Geschichte
Die Aie hat eine lange Geschichte. Ende der 1980er Jahre hatte der Exorzist der Diözese Rom, P. Gabriele Amorth (Abb. 1) von der Gesellschaft vom hl. Paulus (S.S.P), die Idee, die Exorzisten Italiens in einen Verein einzubinden, um so die Begegnung zu fördern, die verschiedenen Erfahrungen und Vorstellungen abzustimmen, Richtlinien einer einheitlichen Leitung zu erarbeiten, Übereinstimmung in der Ausführung des Berufes zu erreichen und schließlich eine konkretere und wirksamere Hilfestellung für all jene zu gewährleisten, die einer solchen bei ihrer Arbeit bedürfen.
So gründete P. Amorth am 4. September 1991 die Italienische Vereinigung der Exorzisten, um den Priestern die Möglichkeit zu bieten, den Gläubigen, die sich in Besessenheitsfragen an sie wenden, konkreter helfen zu können.
1993 nahmen Amorth und andere italienische Exorzisten dann an einer internationalen Tagung über Exorzismus teil, die von dem französischen Exorzisten René Chenessau und dem Theologen René Lauréntin organisiert wurde. Eine weitere Tagung fand vom 27. Juni bis 1. Juli 1994 im Haus „Divino Amore“ in Ariccia bei Rom statt, an der 81 Exorzisten aus verschiedenen Ländern teilnahmen und sich für die Wahl eines Präsidenten entschieden. Lauréntin schlug P. Amorth vor, der einstimmig gewählt wurde. Zum Vizepräsidenten wurde der Inder Rufus Pereira aus Bombay bestellt. Zudem wurde ein vorläufiges Statut erstellt.
P. Amorth entfaltete weitreichende Aktivitäten, berief Tagungen ein, verfasste Rundschreiben und förderte die Ausbildung und die Verbindungen unter den Mitgliedern. Er führte den Vorsitz bis zum Jahr 2000. Ihm folgte der Oronianer Don Giancarlo Gramolazzo, unter dessen Leitung die Statuten ausgearbeitet und dem Hl. Stuhl vorgelegt wurden. Nach seinem Tod 2010 übernahm zwischenzeitlich der Kapuziner Cipriano de Meo den Vorsitz. 2012 wurde schließlich P. FRANCESCO BAMONTE (Abb. 2) aus der Kongregation der Diener des Unbefleckten Herzens Mariens zum Präsidenten gewählt. Für Bamonte ist die Anerkennung der Vereinigung durch den Heiligen Stuhl nicht nur Grund zur Freude für die Mitglieder, sondern für die ganze Kirche, denn auch der Exorzismus ist eine Form der Nächstenliebe, zum Wohle von Menschen, die leiden.
Mitglieder
Die Mitgliederzahl der Aie beläuft sich gegenwärtig auf ca. 250 Personen aus allen Ländern der Erde, insbesondere aus Europa und den USA. Es sind dies Priester, die in der Kirche das Amt des Exorzisten im Besitz einer ausdrücklichen Erlaubnis auf Dauer oder für Einzelfälle ausüben, sowie emeritierte Exorzisten. Die einzigen zugelassenen Laien sind jene treuen Katholiken, die als Helfer direkt, dauernd oder zeitweise mit einem Exorzisten zusammenarbeiten oder in der Aie mitarbeiten und die Exorzisten bei ihren schwierigen seelsorglichen Aufgaben unterstützen.
Die 12. Internationale Tagung der Aie vom 20. bis 25. Oktober 2014 in Sacrofano in der Provinz Rom verzeichnete 300 Teilnehmer aus aller Welt. In seinem Schreiben vom 20. Oktober 2014, das an den Vorstand der Aie, P. Bamonte, persönlich gerichtet war, ermunterte Papst Franziskus die Exorzisten dazu, bei der Ausübung ihres besonderen Amtes in Einheit mit den je eigenen Bischöfen und Ordinarien die Liebe und den Beistand der Kirche gegenüber all jenen auszuüben, die aufgrund der Tätigkeit des Teufels leiden.
Am 23. Oktober 2014 empfing der Papst die Teilnehmer der Internationalen Tagung der Aie und befasste sich in seiner Ansprache bei der Messfeier mit dem besonderen Amt der Exorzisten, wie es in dieser Form noch nie zu hören war. Daher soll die Ansprache an dieser Stelle, auch wenn sie sich vornehmlich im theologischen Raum bewegt, dem Wortlaut nach in eigener Übersetzung wiedergegeben werden.
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS BEI DER
VOTIVMESSE DER Hl. EUCHARISTIE
[Eph 3,14-21; Psalm 32; Lk 12, 49-53]
23. Oktober 2014
„Gelobt sei Jesus Christus! Liebe Mitbrüder,
ich danke der göttlichen Vorsehung, die uns heute hier um den Altar des Herrn versammelt hat, um gemeinsam einzutreten in das Geheimnis des ewig wirksamen Gebetes Christi; um einzutreten in das Opfer, das Er selbst dem Vater sakramental verewigt, also real, hier auf Erden darbringt; bei der Eucharistiefeier können wir unseren priesterlichen Auftrag stets aufs Neue erfüllen, nämlich die Welt im Lichte der Wahrheit für die Ankunft Christi offenzuhalten, der in das Herz der Menschen eindringt, die Schatten der Sünde beseitigt, die Perversionen des Teufels entlarvt und besiegt.
Indem Sie vom Herrn den Auftrag erhalten haben, durch den Dienst des Exorzismus den Teufel auszutreiben, ist auch der Ruf an Sie ergangen, an einer besonderen Dimension des Erlösungswerkes teilzuhaben, am Kampf gegen Satan; und gemeinsam wurden Sie zu einer tieferen und umfassenderen Einheit mit Christus dem Herrn berufen, ebenso wie zu einer größeren Liebe zur Unbefleckten Jungfrau Maria.
Der Erlösung der Brüder dienen zu können, auch im Kampf – mit ihnen und für sie – gegen die offenkundigsten dämonischen Werke, wenngleich wir wissen, dass diese in Wahrheit nicht die gefährlichsten Fallstricke in Bezug auf die ewige Erlösung sind, stellt uns alle in einer besonderen Form in jene „Trennung von der Welt“, die durch das Geheimnis Christi offenbar und im soeben gehörten Evangelium verkündet wurde: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung“ (Lk 12,51). Die Worte unseres Erlösers, die er ausspricht, als Er die ganze Geschichte der Kirche vor sich ausgebreitet sieht, die kurz darauf aus Seiner durchbohrten Seite geboren werden sollte, rufen alle zu jener radikalen Abkehr von der Welt auf, die aus der Begegnung mit Ihm und Seiner Nachfolge erwächst.
Diesbezüglich besitzt der Dienst des Exorzisten, wenn er klug in die Gesamtheit des Priesteramtes integriert wird, die Vollmacht, mit besonderer Klarheit aufzuzeigen, dass die Menschheitsgeschichte niemals und in keinem Fall eine „neutrale“ Wirklichkeit bildet, sondern vielmehr stets von einer gewissen „Spaltung“ durchzogen ist.
Vor allem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es eine Spaltung gibt, die das Werk des Teufels ist, todbringend und die menschliche Natur entwürdigend. Es ist jene Spaltung, die den Menschen von Gott trennt. Es ist die Spaltung, in die der Teufel, „Mörder von Anfang an […]; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge“ (Joh 8,44), unwiderruflich eingetreten ist, indem er sich selbst vergöttert und sich verzweifelt gegen die Absolutheit Gottes und Seinen heiligsten Willen stellt; es ist jene Spaltung, die durch die Sünde in die Welt gekommen ist und den Menschen der einenden Macht der Wahrheit entzieht, indem sie ihn nämlich von jener trennt, welche die Grundwahrheit des eigenen Seins ist: die Beziehung zu Gott dem Schöpfer und Erlöser. Der Mensch, der in der Gemeinschaft mit Gott zum Herrschen und zur Orientierung im Dienst des himmlischen Reiches berufen ist, wird so zum Sklaven jener kleinen Realitäten gemacht.
Es ist jene Spaltung, die für alle offenkundig ist, vor allem in unserem säkularisierten Westen, in allen Bereichen und auf allen Ebenen; die nicht wenig Toleranz findet, oder noch schlimmer: Rechtfertigung, zuweilen sogar innerhalb derselben kirchlichen Gemeinschaft, und die die Unterstützung nicht weniger Massenmedien genießt, die sich ohne Zögern zu Verfechtern einer immer unmenschlicheren und daher tief antichristlichen Kultur machen.
Bereits 1972, am Festtag der hll. Petrus und Paulus, erklärte der selige Papst Paul VI. in einem angstvollen Aufschrei: „Durch einen Spalt … ist der Rauch Satans in den Tempel Gottes eingedrungen.“ Mehr als 40 Jahre später können wir uns mit demselben dramatischen Blick und geschichtlich realistisch fragen, ob sich jener Rauch aufgelöst hat oder ob er in andere Räume eingedrungen ist, da er nicht entsprechend vertrieben, nicht hinreichend bekämpft und manchmal sogar durch das feuchte Stroh der Lüge und der Heuchelei genährt wurde.
In diesem Zusammenhang veranlasst mich das Gewissen zu betonen, dass die Sünde – so wie es die Kirche immer gelehrt hat – nicht einfach nur „ein unvollkommenes Gut“ ist, das noch reifen muss; sie ist vielmehr die Verneinung des Guten, die Ablehnung oder geradezu die entschiedenste Zurückweisung des Guten unter dem Deckmantel irgendeines nichtssagenden und blinden Vorteils. Mit der Sünde – und der daraus folgenden Versklavung – wird es daher nie möglich sein, zu einem Kompromiss zu gelangen, weder moralisch noch inhaltlich.
Das von dieser Spaltung verursachte Übel, das sich in Begriffen von inhaltlicher und moralischer Desorientierung äußert und dabei die ewige Bestimmung der Personen in Frage stellt, erweist sich als besonders „offenkundig“ und daher gerade im Dienst des Priesters als Exorzist „identifizierbar“, wenn, speziell im Fall der Besessenheit, der Teufel bei seinem Auftreten den eigenen und „unverhandelbaren“ Willen zum Töten und Besitzen, zum Täuschen und An-sich-Reißen, zum Demütigen und Verletzen kundtut, wobei er sich gleichzeitig anmaßt, die eigene Ruchlosigkeit zu rechtfertigen und die Jünger des Lammes, die durch das Blut Christi Gerechtfertigten, zu verurteilen.
Die vom Dämon gebrauchten Mittel, um der Allmacht unseres Herrn Jesus Christus zu widerstehen, erweisen sich dann als die gleichen, welche die „Welt“ seit zweitausend Jahren gegen die heilige Kirche anwendet: Schweigen gegenüber den Forderungen der Wahrheit und der göttlichen Gerechtigkeit, wenn diese nicht sogar absichtlich relativiert, negiert, verhöhnt oder verzerrt werden; Beanspruchen, in unverantwortlicher Weise, von nicht existenten Rechten in Bezug auf die Ordnung der Natur wie auch in Bezug auf die Gnade; Angriff auf die Söhne Gottes und in besonderer Weise die Hirten der Kirche mittels der Lüge, vor allem auf moralischer Ebene, in der trügerischen Absicht, die glorreiche Verkündigung der Wahrheit der Schöpfung und Erlösung zu schwächen; das Sichverteidigen hinter einer falschen „menschlichen Rücksichtnahme“ als Schild gegen die reinigende Macht des Gebets, die Wahrheit der Inkarnation des Wortes und die Notwendigkeit, alle Dinge in Ihm zu bündeln.
Der gute Kampf des Glaubens, der im Dienst des Exorzismus ein besonders intensives Betätigungsfeld sieht, wird durch ein Leben der Strenge und Liebe geführt – in der klaren Vergegenwärtigung, dass Satan der „Feind des Menschengeschlechtes“ ist –, um so dem Sieg Christi über Sünde und Tod dienen zu können, mit jener Dankbarkeit und Gewissheit, die dem Volk der Erlösten eigen sind.
Die Arznei zur Heilung dieser todbringenden Trennung ist eine neue Trennung, diesmal aber offenkundig ganz anderer Art, eine, welche die Wurzeln in ein bis dahin unerforschtes Sein versenkt, unerwartete Horizonte eröffnet und das Herz der Menschen erneuert. Tatsächlich hat sich durch die Ankunft Christi eine andere – diesmal notwendige – Trennung bestätigt, die heilsam und reinigend ist: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung“ (Lk 12,51). Diese Spaltung, die von Christus selbst initiiert und seinen Jüngern verkündet wurde – „Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat“ (Joh 15,18) – , führt zu jener „Distanziertheit“ von der Sünde, welche die Einheit mit Christus begleitet und mit ihr wächst, führt zur Annahme seiner Person und seiner Erlösung, zur daraus folgenden Selbstentäußerung, um nur Ihm zu gehören und in Ihm alles zu finden. Diese Trennung, die der erlöste Mensch vor allem der Sünde gegenüber erlebt, ist so zersetzend, dass sie sogar das Netzwerk der familiären Beziehungen erfasst, wie die zurückliegende und gegenwärtige Geschichte der Kirche ständig bezeugt: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf “ (Joh 1,11).
Diese heilige „Trennung“, die in der Agonie von Getsemani und auf dem gemarterten und zugleich friedlichen Antlitz des Gekreuzigten aufleuchtet, weit davon entfernt, Zeichen eines pastoralen Versagens zu sein – als ob die Verkündigung des Evangeliums der Logik medialer „Anerkennungsgradienten“ folgen würde – , bildet in dieser Welt ein leuchtendes Zeichen der radikalen Zugehörigkeit zu Christus, der einzigen, die dem Menschen „einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung“ geben kann (Benedikt XVI., Deus Caritas est, n. 1): „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12).
Je mehr wir in das Geheimnis dieser heiligen Trennung im Herzen Christi eintreten, umso fruchtbarer wird unser Amt. Je mehr wir uns also im intensiven Leben des Gebets vom Herrn erneuern lassen, das wir täglich in der Schule der allerseligsten Jungfrau Maria lernen, in der täglichen Feier und Anbetung der Eucharistie, im oftmaligen Aufsuchen der sakramentalen Beichte, im demütigen Gehorsam der Mutter Kirche gegenüber, in der bedingungslosen Hingabe an den priesterlichen Auftrag und all seine Erfordernisse, in der Erfahrung höchster authentischer priesterlicher Brüderlichkeit und pastoraler Liebe, umso mehr wird jene Einheit mit Christus, erteilt durch das Sakrament der Priesterweihe, spirituell vertieft und auch durch uns das Mysterium Seiner Gegenwart und der Triumph Seines Sieges aufleuchten.
Die allzeit Unbefleckte Empfängnis, bei der es nichts gibt, absolut nichts, das Satan zugehört, behüte Sie vor allem Übel und führe Sie zu den höchsten Gipfeln der Heiligkeit. Sie lehre uns alle die Schätze der bedingungslosen Hingabe an Christus und noch einmal möge sie mit Kraft ihre Ferse erheben und das Haupt der Höllenschlange zertreten, während diese, vergeblich, den Weinberg des Herrn zu vernichten sucht.
23. Oktober 2014
NORMEN ZUM EXORZISMUS
Kongregation für die Glaubenslehre
Schreiben an die Ortsordinarien
bezüglich der Normen zum Exorzismu
29. September 1985
Eure Exellenz,
seit einigen Jahren nimmt in gewissen kirchlichen Kreisen die Zahl von Gebetsversammlungen zu, die den Zweck verfolgen, die Befreiung vom Einfluss böser Geister zu erlangen, wobei es sich nicht um Exorzismen im eigentlichen Sinne handelt. Diese Versammlungen finden unter der Leitung von Laien statt, auch wenn ein Priester anwesend ist.
Da nun bei der Kongregation für die Glaubenslehre angefragt wurde, was von dieser Tatsache zu halten sei, erachtet es dieses Dikasterium für notwendig, den Bischöfen Folgendes mitzuteilen:
1. In Kanon 1172 des Codex des Kanonischen Rechts wird erklärt, dass niemand rechtmäßig Exorzismen über Besessene aussprechen kann, wenn er nicht vom Ortsordinarius eine besondere und ausdrückliche Erlaubnis erhalten hat (§ 1), und dass der Ortsordinarius diese Erlaubnis nur einem Priester geben darf, der sich durch Frömmigkeit, Wissen, Klugheit und untadeligen Lebenswandel auszeichnet (§ 2). Die Bischöfe sind daher dringend aufgefordert, sich streng an diese Vorschriften zu halten.
2. Aus besagten Vorschriften ergibt sich, dass es den Gläubigen nicht erlaubt ist, die Exorzismus-Formel gegen den Satan und die abtrünnigen Engel aus dem Exorzismus zu verwenden, der auf Anordnung von Papst Leo XIII. veröffentlicht wurde; und noch weniger dürfen sie den vollständigen Wortlaut dieses Exorzismus verwenden. Den Bischöfen obliegt es, die Gläubigen im Bedarfsfall darauf hinzuweisen.
3. Aus denselben Gründen werden die Bischöfe schließlich gebeten, auch in Fällen, in denen eine echte teuflische Besessenheit auszuschließen ist, darüber zu wachen, dass niemand ohne die entsprechende Vollmacht Versammlungen leitet, bei denen Befreiungsgebete gesprochen werden, in deren Verlauf die Dämonen direkt befragt werden, um ihre Namen zu erfahren.
Der Verweis auf diese Normen darf die Gläubigen jedoch keineswegs davon abhalten, darum zu beten, von dem Bösen erlöst zu werden, wie es uns Jesus gelehrt hat (vgl. Mt 6,13). Darüber hinaus können die Bischöfe diese Gelegenheit nutzen, um an das zu erinnern, was uns die Tradition der Kirche bezüglich der besonderen Rolle lehrt, die die Sakramente und die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Engel und der Heiligen im geistigen Kampf der Christen gegen die bösen Geister spielen.
Hochachtungsvoll, in Christus Ihr
Joseph Card. Ratzinger
Präfekt
+ Alberto Bovone
Sekretär
SCHLUSSBEMERKUNG
Die hier angeführten Erwägungen kirchlicher und persönlicher Art zum Amt und zur Arbeit des Exorzisten sollen einen besseren Einblick in Berufung und Aufgabe des Exorzisten in der katholischen Kirche geben. So aufgeklärt man darüber auch sprechen mag, bleibt doch die Tatsache bestehen, dass die Zahl der Menschen, die speziell die Hilfe eines Exorzisten suchen, gewaltig im Steigen ist. Hektik, Oberflächlichkeit, übertriebener Individualismus und Säkularisierung scheinen unsere Gesellschaft zu bestimmen. Die dadurch bedingte Vereinsamung und Flucht in die vielseitig angebotenen Scheinlösungen weckt nur zu oft Zweifel an der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens, der eigenen Wertigkeit und nicht zuletzt die Überzeugung, vom Bösen verfolgt oder gar besessen zu sein. Soll ich mich umbringen oder gibt es jemanden, mit dem ich darüber sprechen kann, ohne ausgelacht oder gleich in die Psychiatrie eingewiesen zu werden? Aus den gemachten Anführungen kann die Antwort nur lauten: den Exorzisten.
(GW) 64 (2015) 1, 67-79