Resch, Andreas: Heilung einer Neurose

Der Fall Lea

Was die Heilung von Neurosen betrifft, möchte ich als Beispiel aus meiner psycotherapeutischen Praxis die Heilung einer schweren Zwangsneurose anführen, wo ich mich neben der Technik einer personalistischen Psychoanalyse der Dynamik eines bioenergetischen und psychisch-geistigen Wechselfeldes zwischen der Patientin und mir bediente, um die Zwänge durch Harmonisierung der Dynamik einer Selbstauflösung zuzuführen.

Frau Lea (Name geändert) kam am 24.08.1968 in meine Sprechstunde. Wegen des äußerst desolaten Zustandes und der anschließend kurz skizzierten Vorge­schichte ihrer Krankheit sowie deren völlig erfolgloser Behandlung in der Klinik nahm ich sie nach ärztlicher Begutachtung und unter ständiger Betreuung durch die Psychiaterin Dr. N.N. zunächst nur in eine Probebehandlung auf.

Lea war bereits 1959 in der Nervenklinik in am­bulanter und dann 1967/68 in stationärer Behandlung. Die geringfügige Besserung war nach Aussage ihrer Geschwister nur von kurzer Dauer. Diese Tatsache wie im Besonderen auch die Mitteilung, dass die Mutter während der Schwangerschaft unter starken Depressionen gelitten habe und der Va­ter pedantisch und nervös sei, stellten die Indikation einer psychotherapeutischen Behandlung in Frage. Außerdem war Lea in einem so trostlosen Zustand, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Hinzu kam noch ein anfänglicher Widerwille gegenüber einer psychologischen Behandlung, und die in Literatur und Presse immer wieder bestätigten geringen psychotherapeutischen Erfolgsaussichten bei starken Zwangsneurosen und Depressionen verstärkten ihre Haltung noch zusätzlich. Wie stark die Zwangsneurose und die damit verbundenen Depressionen waren, veranschaulicht folgende skizzenhafte Be­schreibung, die Lea während ihres genannten Klinikaufenthalts verfasst hatte.

Lebens- und Leidensgeschichte

Kindheit

Vom ca. 6.-12. oder 13. Lebensjahr an hatte ich eine Zwangsneu­rose. Hände dauernd gewaschen (= Zwang durch Schmutz usw.). Sehr religiös (2 Stunden vor dem Beichtstuhl gestanden, nachher von allen Kindern zurückgezogen) = Angst, durch Reden, schlech­te Bilder (Vorstellungen) wieder Sünden zu begehen und aus Zwang am darauffolgenden Tag wieder beichten zu müssen. Angst vor Särgen und Begräbnis. Beobachtete ich ein Begräbnis vom Fenster aus, so musste ich schon wieder Hände waschen gehen = Zwang; pedantisch sauber = Zwang. Pedantisch sauber schon von Kind­heit an mit meinen Kleidern: durch Waschen und Bügeln. Alles war für mich schon als Kind eine furchtbare Qual und ein Zwang. Das war eines Tages, so wie es gekommen war, wieder vorbei. Aber ich habe mich in meinem Leben oft an diese schwere Zeit zurückerinnert und musste dabei oft lachen und darüber nach­denken, warum ich dies alles nicht leichter bezwingen konnte. Qual und Angst waren vorbei und vergessen.

 Jugendalter

Mit ca. 13 Jahren hatte ich meine Mutter verloren. Wir waren 15 Kinder. Ich war das vorletzte. Die Mutter starb an TBC. Ich besuchte meine Mutter in dieser Zeit immer heimlich, habe wahrscheinlich einen Bazillus aufgefangen und hatte dann von meinem 14.-18. Lebensjahr an einer Drüsen-TBC am Hals zu lei­den. Hernach arbeitete ich daheim mit meiner Schwester A. und mit ca. 20 Jahren ging ich ins Büro. Mit ca. 26 Jahren lernte ich, so glaubte ich zumindest, einen Mann kennen, den ich sehr lieb hatte, was am Anfang auch erwidert wurde. Mit 29 Jahren verließ er mich, nachdem er mich ein volles Jahr hindurch seelisch nur noch gequält hatte, und trotzdem hing ich immer noch an diesem Menschen und machte diese ganze Qual mit, nur um ihn nicht zu verlieren. Ich weinte tagtäglich am Abend vor Schmerz. Ich kann brieflich keinen Ro­man schreiben, was er mir alles angetan hat. Und trotzdem hatte ich eines Tages die Kraft, die gab mir Gott, ihn zu verlassen. Ich habe mich einem Menschen hingegeben, der nichts wert war. Das kann ich aber erst heute so richtig verstehen, weil ich einen Menschen habe, der Gold wert ist, zu mir hält und mich auch wirklich von ganzem Herzen lieb hat. Ich habe mich dann volle zwei Jahre abgeschlossen, ich wollte für immer alleine sein und bleiben. Ich wollte kein Kind und keinen Mann mehr, ich war von allen bitter enttäuscht worden.

Zur gleichen Zeit, während ich noch diesen unmoralischen und egoistischen Menschen kannte, war immer mein Chef hinter mir her. Ich hatte Angst, meine Stellung zu verlieren, und so ließ ich mir leider Gottes (ich hatte vielleicht einen schönen und für Männer aufreizenden Körper) so manches gefallen, obwohl mir vor diesem Menschen, was mir in den ersten zwölf Jahren nicht aufgefallen ist, unglaublich grauste. Ich war natürlich durch das, was mir mein Freund angetan hatte, körperlich und seelisch sehr geschwächt. Dann verfolgte mich noch zusätzlich mein Chef und eines Tages bemerkte ich, dass er so grausliche Hände hatte (kleine Warzen an der Hand­oberfläche). Und ich fing auf einmal wieder an, meine Hände zu waschen. Dies war alles zu einer Zeit, in der ich mich sehr verlassen fühlte. Ich sehnte mich oft nach einem Menschen, der mich verstehen und anhören konnte. Ich bin überzeugt: Hätte ich damals die Kraft gehabt und mich zusammengenommen und nicht wieder angefangen, meine Hände zu waschen, wäre es mir noch gelungen, dies zu überwinden, aber dann war ich schon wieder in diesem Fahrwasser drinnen. Ich fing an, meinen Schreibtisch im Büro jeden Tag pedantisch sauber abzustauben, das Telefon zu putzen. Zettel aus der Hand meines Chefs zu nehmen, war für mich ein Gräuel. Eines hat dem anderen die Hand gegeben. Bei allem, wo ich wusste, dass er es berührt hatte, spürte ich den Zwang, es abzuwischen, oder ich zwang mich, hernach gründlich meine Hände zu waschen. Meine Zwangsneurose hatte wieder begonnen. Nur war diese anfangs nicht so stark ausgebildet. Dann fing ich auch daheim an, in meinem Zimmer alles pedantisch sauber abzustauben und zu putzen, die Kleider zu waschen und zu bügeln, die Hand­tasche, die ich jeden Tag benötigte, bis zum Riemen zu putzen (Angst: Hände des Chefs), die Schuhe übertrieben zu putzen usw. Trotzdem war alles noch erträglich, weil ich nur für mich allein sorgen musste und Zeit hatte, diesen ganzen Blödsinn auszuführen.

Heirat und Kind

Nach zwei Jahren, also in dieser Krisenzeit, lernte ich meinen heutigen Mann kennen. Obwohl ich damals nie an eine Heirat dachte, sehnte ich mich doch immer wieder nach einem Menschen. Ich habe mich lange geprüft, bevor ich mich diesem Menschen, der es aber wirklich wert war, hingegeben habe, und ich erwartete sofort ein Kind. Ich war voller Angst – ich wollte ja kein Kind mehr und mein Mann ist jünger als ich.

Ich hatte wahrscheinlich im Unterbewusstsein Angst, als er mir anbot, mich zu heiraten. Wir heirateten nicht nur um des Kindes willen. Wir beide, mein Mann und ich, hatten uns sehr lieb und ich wusste, dass ich den Menschen fürs Leben gefunden hatte. Wir heirateten, als ich im vierten Monat war. Meine Zwangsneurose ging auf eine erträgliche Art zurück. Die Schwangerschaft war für mich, zumindest gesundheitlich gesehen, eine gute Zeit. Nur brachte ich diese Zwangsneurose nicht mehr ganz weg. Als dann die letzten 6 Wochen vor der Entbindung kamen, war ich den ganzen Tag allein zuhause. Wir richteten zu dieser Zeit eine Notwohnung bei mir daheim ein und da kam der ganze Putz- und Staubfimmel wieder auf mich zu. Anstatt mich für die Entbindung ein wenig zu schonen, putzte ich den ganzen Tag Kästen aus, staubte schwere Mäntel und Kleider (Angst, es wäre etwas darauf, Bazillen usw.) in Schweiß gebadet über den Balkon hinunter, es war Hochsommer, August, eine teilweise sehr heiße Zeit. Dann erst hatte ich das Gefühl, dieser Kasten sei sauber, dieser Mantel und dieses Kleid auch. Ich wusch mich und erst so gegen 5 Uhr abends, als mein Mann von der Arbeit nach Hause kam, war ich so weit, um einen Spaziergang in den Wald zu machen.

Ich hatte in dieser Zeit wirklich schon wieder eine starke Neurose. Den ganzen Tag über wusch ich immer wieder die Hände, ja, sogar den ganzen Körper auf übertriebene Weise; zählte zwischendurch immer bis zu einer bestimmten Zahl (die ständig wechselte), ein­mal war es 6, dann wieder 12, so ging es dann bis 60 und noch weiter hinauf. Ich war bei jeder Arbeit oder beim Waschzwang nicht nur manuell dabei, mein ganzes Gehirn musste mitarbeiten und niemand durfte mich dabei stören, sonst fing ich wieder von vorne an. Es war eine qualvolle und seelisch-depressiv schwere Zeit. Dann kam die Entbindung. Ich brauchte volle 3 Tage bis das Kind zur Welt kam, obwohl es nur 2,68 kg wog und 48 cm groß war. Das Kind war nur Haut und Knochen, wahr­scheinlich weil ich eben während der letzten 6 Wochen Schwangerschaft seelisch sehr schwer zu leiden hatte, durch die Zwangsneurose viel Kraft vergeudete, unter Depressionen litt, weinte usw. Ich selbst war auch fertig, als das Kind da war. Von diesem Augenblick an hatte ich niemals mehr Appetit (bis heute), obwohl das Kind inzwischen 16 Monate alt ist. Ich hatte lange Fieber (ca. 8 Wochen), stillte, obwohl ich nur noch von Milch lebte, den ganzen Tag unser Kind. Leider ging das nur 6 Wochen so; aber nur so konnte ich dieses kleine Wesen wahrscheinlich retten. Ich fühlte mich jedoch von Tag zu Tag schwächer. Mein Mann ging am frühen Morgen fort und dann war ich allein mit meinem Elend. Ich war allein in diesen vier Wänden. Obwohl ich das Kind hatte, war ich Tag und Nacht auf den Beinen; ich schlief oft nur zwei Stunden; auch als das Kind schon größer war, war ich oft 10-15-mal in der Nacht auf. Ich hatte Angst, dass das Kind abgedeckt sei, und so ging das Nächte hindurch. Am frühen Morgen erwachte ich unter seelischen Qualen. Ich hatte das Gefühl, ein Berg liege auf meinem Herzen. So hielten diese Depressionen bis zum heutigen Tag an. Dabei hatte ich eine Seele von einem Mann, ein gesundes und liebes Kind, nur ich war am Boden.

Meinen Mann wollte ich wegen der qualvollen Gefühle nicht mehr zur Arbeit gehen lassen, um nicht jeden neuen Tag mit solchen seelischen Qualen beginnen zu müssen und allein zu sein. Ich schluchzte Tag für Tag bis spät am Nachmittag. Mein Kind schaute mich oft an, als ob es mich verstünde, dies brach mir immer fast das Herz. Aber ich war trotzdem allein und wartete, bis endlich wieder mein Gatte von der Arbeit zu mir zurückkam.

Ich war allein in den vier Wänden, es war eben leider nur eine Notwohnung. Ich sehnte mich zurück nach meinem Beruf. Ich schaute jeden Tag dem Zug nach, mit dem ich 13 Jahre die gleiche Strecke gefahren war. Ich glaube, das Herausgerissensein aus meinem Beruf, diese Notwohnung, das Kind, alles in allem die ganze Umstellung hätte mir nichts ausgemacht, hätte ich nicht an dieser elenden und qualvollen Zwangsneurose gelitten. Um 7 Uhr stand ich auf. Mein Kind fütterte ich erst um 8 Uhr wieder. Aber diese Stunde brauchte ich notwendig, um nach der Klosettbe­nützung meine Hände und Nägel, die Abwaschschüssel usw. zu reinigen.

Zu der Zeit, als mein Kind zur Welt kam, hatte das Kind meiner Schwägerin Maden und ich bildete mir ein, wenn ich nicht eine Stunde lang Hände und Nägel reinigte, wäre ich nicht sauber genug, um mein Kind in die Arme zu nehmen. Ich berührte die Klosettdeckel, den Wasserhahn usw. nur noch mit Papier, reinigte mich nach der Klosettbenützung und hatte eben dann erst das Gefühl, ich müsste Hände und Nägel so lange reinigen, trotzdem dies alles für mich mit furchtbaren Qualen verbunden war. Mein eigener Mann kniete vor mich hin, weinte und bat mich, dieses Händewaschen aufzugeben. Aber so leid er und das Kind mir taten, ich konnte es einfach nicht.

Dabei war das Hände- und Körperwaschen nicht nur eine manuelle Arbeit, es war zusätzlich eine geistig entsetzliche Anstrengung, weil ich bei meiner ganzen Zwangsneurose immer wieder meinen ganzen Geist einsetzen musste. Ich hatte mindestens 10 kg abgenommen, und immer erst am Abend war mir leichter ums Herz. Ich nahm mir vor, den nächsten Tag neu zu beginnen, mich zu bessern, aber es gelang mir nie. Der innere Zwang war immer stärker als ich. Ich litt schwer darunter, nannte mich einen Feigling. Es kam so weit, dass mein Mann und ich einen Heilpraktiker besuchten und dieser sagte mir, dass diese Krankheit eine Drüsenangelegenheit sei und dass sich mein Hormonhaushalt nach der Geburt des Kindes nicht mehr richtig zurückgebildet hätte. Dies leuchtete uns beiden sogar ein, denn warum hatte ich meine Neurose das erste Mal in den Ent­wicklungsjahren und das zweite Mal in der Schwangerschaft?

Ich ging daraufhin zu einem Nervenarzt, bei dem ich schon seit der Schwanger­schaft in Behandlung war.

Klinikaufenthalt

In der Klinik stellte man fest, dass ich eine Schilddrüsen­überfunktion von 50% hatte und diese schleppte ich wahrscheinlich zusätzlich nach der Entbindung noch volle 13 Monate weiter mit, bis ich nicht mehr konnte. Ich landete in der Nervenklinik, man probierte noch volle drei Monate, mich nur mit Tabletten zu behandeln, bis man mich einer Insulinkur un­terzog. Die Schilddrüse arbeitet inzwischen wieder normal.

Nun bin ich 4 Monate hier Patientin in der Klinik, habe den 30. Insulinschock hinter mir und leide immer noch unter dieser entsetzlichen Zwangsneurose. Ich habe Sehnsucht nach meinem Kind und nach meinem lieben Mann und weiß mir keinen Ausweg mehr.

 Beispiele der Zwangshandlungen und Ängste

Ich hatte Angst vor diesen Maden (auf Kind übertragen), deshalb dieses Händewaschen, bis ich oft blutige und offene Hände hatte (zu dieser Zeit benutzten drei Parteien das gleiche Klosett, aber ein fremdes Klosett, etwa in einem Kaffee, be­nutzte ich sowieso nie).

Sah ich, dass mein Kind Stuhl in die Windeln gemacht hatte, reinigte ich es und wusch ihm nachher Gesicht und Händchen – es könnte ja mit Kot in Verbindung gekommen sein! Der Zwang war schon wieder da. Ich putzte und putzte mich und das Kind, dann wusch ich die Windeln in einer Schüssel, die ich dann 50-mal ausschwemmte. Das Wasser kam in den Brunnen, der im Hausgang war, da musste ich auch den Brunnen 50-mal ausschwem­men, Kein Fremder durfte den Brunnen berühren oder streifen, sonst musste ich die Reinigung von vorne beginnen. Nach dem Schwemmen des Brunnens reinigte ich wieder pedantisch meine Hände, bevor ich mein Kind in die Arme nahm. Obwohl man mir 1000-mal sagte, der Kot meines Kindes und mein Kot würden nichts tun, wusch ich mir trotzdem die Hände, weil immer die Angst und die Qual und das Wörtchen „wenn“ dahinter standen. Ich hatte Angst vor dem Klosett, vor Maden und Würmern, Hun­den und Katzen (Übertragung der Würmer), Fliegen = Übertragen der Würmer. Ich hatte Angst, wenn ich mein Kind fütterte, das natürlich oft schmutzige Händchen durch die Essensreste hatte. Ich stellte es in die Gehschule, das Kind be­rührte die Stäbchen mit diesen unsauberen Händchen. Schnell lief ich, diese Stäbchen abzuwischen. Wehe, wenn sich eine Fliege auf die Essensreste oder auf die Stäbchen der Gehschule setzte, da steigerte sich erneut der Zwang, alles wieder sauber abzuputzen (denn: Fliege = Maden!). Zum Schluss putzte ich wieder das Gesicht und die Händchen unseres Kindes, bis es sogar ein Ekzem am Handrücken hatte. Abgesehen davon reinigte ich die Wohnung jeden Tag übertrieben (Putzfimmel, Staubfimmel). Nachher hatte ich das Gefühl, ich wäre von Kopf bis Fuß in Staub gehüllt. Ich wusch mich, bürstete mein Haar x-mal, meistens zählte ich dabei eine bestimmte Zahl. Dann wurde mein Hauskleid oder Aus­gehkleid x-mal abgeputzt. Auf den Boden durfte mir nichts fallen, schon gar nicht eine Windel vom Kind. Diese wurde dann zur Wäsche genommen, so auch ein Handtuch von mir, ich konnte mich nicht mehr damit abtrocknen. Und zwar hatte ich das Gefühl, wir gingen mit den Straßenschuhen auch in der Woh­nung herum, Schmutz von der Straße kommt auf den Boden, dieser Schmutz könnte sich auf die Windel oder das Handtuch übertragen. War ich mit dem Kinderwagen auf der Straße und sah einen Leichenwagen, drückte ich mich, soweit es möglich war, an die Wand, durfte aber an dieser Wand nicht streifen. Oft hatte ich das Gefühl, ich wäre mit dem Kinderwagen am Leichenwagen gestreift, was natürlich nicht der Fall war, aber (der Zwang) alle Gegen­stände, Kinderdecke und Kleidchen usw. wurden abgestaubt.

Dann hatte ich das Gefühl, dass ich mit den Schuhen, die ich anhatte, Schmutz vom Leichenwagen in die Wohnung schleppte. Schon deshalb durfte mir nichts auf den Boden meiner Wohnung fallen. Die Schuhe putzte immer mein Mann, er half mir, wo er nur konnte, stand mir in meiner Krankheit bei. Wir hätten eine gute und glückliche Ehe führen können, aber meine Krankheit hinderte uns an allem.

Obwohl mir mein Mann beistand, wurde ich mit keiner Arbeit mehr fertig, fertig war nur ich selbst durch diese Neurose, sodass ich keine Nacht mehr durchschlafen konnte.

So kam ich durch Entbindung, Schilddrüsenangelegenheit, Zwangsneurose und Appetitlosigkeit so weit herunter. Was nützen nun Vorwürfe wie: Wäre ich früher in die Klinik gegangen? Hunden und Katzen stellte ich schon aus, bevor diese von meinem Mann gesehen wurden (Angst = Würmer). Es gab schon nichts mehr, was nicht Angst in mir auslöste. Ich putzte 10-mal den Tisch und besonders die Kanten ab. Angst, Essensreste und Fliegen liegen darauf. Ich konnte vor Angst keine Mahlzeit mehr vorbereiten, kein rohes Fleisch in die Hände nehmen. Wenn ich mein Kind, Kleid, Tisch oder irgendeine Türschließe berührte (ohne meine Hände zu waschen), hatte ich Angst, es könnten sich auf nicht eingetrocknete Essensreste Fliegen setzen = wieder Würmer. Immer diese Qual, dieser Zwang, Hände zu waschen, ob nach Klosettbenützung oder durch Staub – Fliegen – Essensreste – Würmer oder Maden usw. hervorgerufen. Ich konnte mich nicht einmal aus Liebe zu Mann und Kind davon befreien, so gern ich dies auch wollte und mich dauernd danach sehnte, ihm nur ein einziges Mal einen positiven Bescheid zu geben. Dies wäre eine irrsinnige Freude für mich gewesen.

Die großen Abfalleimer, wo Essensreste hinein­kamen, waren ein Gräuel für mich = Angst – Würmer. Ich be­rührte seit meiner Krankheit keinen mehr, sogar Papierkörben stellte ich meterweit aus, weil diese vielleicht durch das Ausleeren mit den Abfalleimern in Berührung gekommen sein könnten. Der Eimer mit den Essensresten, welcher zur Entleerung ins Klosett gebracht wurde, konnte von mir nicht berührt werden = Angst: Klosett plus Würmer. Mein Mann machte das Geschirr sauber, ich konnte nichts mehr angreifen.

Immer bin ich religiös gewesen, jetzt, in dieser Zeit, kann ich in keinen Beichtstuhl mehr gehen. Ich sprach mich so mit einem Priester aus, nahm hernach sofort die hl. Kommunion aus seinen Händen. Angst, hernach wieder schlechte, unkeusche Bilder (6. Gebot) zu sehen, die mich wieder verfolgen = wieder Sünde und zur Beichte gehen.

Randsteine, wo die Hunde hingemacht hatten, ob Kot oder Urin, waren ebenfalls ein Gräuel für mich. Es durfte weder die Handtasche noch der Kinderwagen daran streifen, ich hätte alles in Lysol gelegt. Einkaufsnetz oder Tasche, waren sie auch noch so schwer zu tragen, musste ich immer hoch über dem Straßenboden halten, um nicht mit demselben in Berührung zu kommen. War ich unwohl, hatte ich Angst vor Blut. Waschlappen usw., was ich benützte, wurden pedantisch sauber gewaschen. Hernach zusätzlich wieder meine Hände = Blut auf Lappen, vom Lappen auf Hände. Die ganze Krankheit ist ein ewiges Kombinieren. Meine Kleider, Strümpfe oder mein Morgenrock durften bei der Klosettbenützung weder mit dem Deckel noch mit dem Boden in Berührung kommen = Kleid, obwohl toter Gegenstand = Angst, durch Berührung wieder Würmer, Kot usw. zu übertragen. Die Hauspantoffeln berührten den Klosettboden = Angst, Kot in die Wohnung zu tragen. Spritzten einige Tropfen von meinem eigenen Urin auf meine Beine, so hatte ich schon Angst: der Urin kam zuerst in die Klosettwanne, dann auf meine Beine, dadurch hatte ich schon wieder Angst und Zweifel, es könnte ja Kot in der Klosettwanne gewesen ein.

Wenn ich mich von oben bis unten wusch und dabei auch den Unterleib, wurden die Hände wieder gewaschen. Weniger wegen des Unterleibs selbst, ich wusch mich bis zum After zurück = Angst – Kot. Ich konnte keinen Abend ohne diese Waschung zu Bett gehen = Angst: Verkehr (mein Mann berührte mich = Angst – Kot); Angst, hernach vielleicht das Kind in der Nacht anzugreifen. Nicht nur das Kind, sondern auch das Berühren der Bettdecke oder des Bettrandes des Kinderbettchens löste eine entsetz­liche Angst in mir aus. Am folgenden Tag wurde alles x-mal gereinigt. Mein Gatte setzte sich auf das Klosett, ich nie = Angst vor meinem eigenen Mann, beim Verkehr zu berühren = Angst – Kot. Überhaupt löste das Berühren meiner Geschlechts­teile Angst in mir aus – Grund genug, wieder meine Hände zu waschen.

Außerdem verfolgten mich während des Verkehrs mit meinem Mann religiöse Bilder. Ich sehe den lieben Gott samt seinen Geschlechtsteilen = Angst – Sünde, außerdem komme ich aus dem Konzept. Es ist mir zur Zeit unmöglich, mit meinem Mann zu verkehren. Er muss auf mich, mein Kind und auf ein schönes Familienleben verzichten, das es geben könnte, hätte ich nur die Kraft, mir diesen ganzen Blödsinn und Fimmel, diese ständige Angst und den Zweifel, verbunden mit irrsinnigen Depressionen, auszureden und dann zu überwinden. Wir könnten das glücklichste Ehepaar auf der Welt sein, noch dazu, wo wir ein so braves und geduldiges Kind von Gott geschenkt bekommen haben. Es kam so weit, dass ich einfach verzagt war, ich hatte keinen Lebenswillen mehr, ich wollte täglich sterben. Mir selbst etwas anzutun, dazu war ich zu feige. Ich möchte noch anführen, dass ich zurzeit einen kleinen Leber­schaden habe. Mein Unterleib wurde untersucht. Ich hatte vor der Schwangerschaft ein kleines Myom, welches noch durch Ein­führen von Tabletten behoben werden konnte, aber man konnte bei der Untersuchung nichts Besonderes feststellen. Ich bestand in der Klinik auf eine Hormonuntersuchung. Diese wurde durchgeführt. Ich liege als Dritte Klasse-Patientin in der Nervenklinik und man bekommt zu einer Untersuchung weder einen positiven noch negativen Bescheid. Man weiß von nichts. Auf alle Fälle wurde von vornherein ausgeschlossen, dass diese Neurose eine Hormonsache sein könnte. Die Untersuchung wurde anscheinend nur zu seiner Beruhigung gemacht.

Vorletztes von 15 Kindern

Sie müssen sich vorstellen, im Büro war ich eine tüchtige Kraft. Daheim waren wir 15 Geschwister, jetzt nur mehr 14 (einer ist gefallen), davon bin ich die Vorletzte. Ich musste daher als Kind daheim viel mithelfen. Ich wusste, was Hausarbeit war. Ich war später immer pedantisch sauber, auch im Büro, aber jetzt fühle ich mich wie eine Niete, ich versage bei allem, beim Kind, beim Mann. Ich bin durch die Neurose alles eher als eine Hausfrau geworden. Ich habe kein Selbstbewusstsein mehr. Ich stellte meinem Mann Fragen, um manche Qual dieser Neurose leichter ertragen zu können. Ich fragte mich ständig, macht dies oder jenes etwas, wenn ich es angreife. Ich hatte immer Angst in mir, der ganze Körper war in Aufruhr, das Herz klopfte mir bis zum Hals herauf. Sollte das noch das Leben wert sein? Nicht nur ein Kamm oder ein Löffel, alles wurde dann übertrieben gereinigt. Ich war, wie ich schon gesagt habe, immer manuell und geistig voll im Einsatz, ob Händewaschen oder Kleider ausstauben, Gegenstände, die auf dem Boden lagen, Klosettbenützung usw., bei allem, was ich aufgezählt habe und was ich noch aufzählen werde. Das Bett des Kindes, die Ehebetten wurden übertrieben gemacht, die Polster wurden x-mal, weil noch Staub oder Staub von seinen Haaren darauf sein könnte, ausgestaubt. Ich zählte und ich schwor dabei, der Herrgott möge mich nicht mehr gesund werden lassen, wenn ich diese übertriebene Arbeit nicht bei einer gewissen Zahl lassen sollte. Manchmal gelang es mir, meistens nicht. Die Kanten beim Tisch usw. wurden abgeputzt, dass mir regelrecht die Hände wehtaten, meist hatte ich Striemen an den Händen vom Abputzen. Einen Putzlappen, um etwa nur Wasser oder etwas Ausgeschüttetes vom Boden aufzuwischen, konnte ich nicht in die Hand nehmen = wieder Angst vor Schmutz usw., die Folge: wieder übertriebenes Händewaschen. Anstatt den ganzen Nachmittag in die frische Luft zu gehen, putzte ich und quälte ich mich im Haushalt herum. Gegen Abend ging ich dann mit dem Kind in den nahen Wald, etwa eine halbe Stunde. Oft war mir das Kind viel zu schwer, ich hatte Rückenschmerzen vom Tragen – alles Schwäche. Sah ich im Wald eine Bank, auf die ich mich gerne setzen wollte (aber auf dieser Bank ging zufällig eine Fliege spazieren, sie war ein wenig staubig oder es hatte gar ein Vögelchen etwas darauffallen lassen), ging ich weiter. Grund: ich hätte entweder die Bank abputzen oder mich einfach daraufsetzen müssen. Da hatte ich Angst, nur mit den Händen über meinen Rock, Mantel oder Kleid zu wischen, um den Staub usw. vom Kleid zu entfernen. Ich konnte es nicht tun, ich hatte ja kein Wasser zur Hand, um mir gleich die Hände zu waschen, und ohne Waschen hätte ich Angst gehabt, mein Kind wieder auf den Arm zu nehmen. Und wäre nicht das Kind gewesen, ich hätte so meine Hände nicht einmal in die Manteltaschen gesteckt oder den Riemen meiner Handtasche in meine Hände genommen. Es wäre Grund genug gewesen, sogar die Manteltaschen oder den Riemen der Handtasche hernach übertrieben zu reinigen. Ich hätte die schmutzige Arbeit getan und in dieser Notwohnung sogar glücklich leben können, wären nicht immer diese Angst und Qual, die seelischen Depressionen usw. gewesen. Ich wünsche mir nur, wieder gesund zu werden, dann möchte ich alles, was ich durch dieses miserable Leben meinem Mann und meinem Kind angetan habe – obwohl ich ja nichts dafür konnte – wieder gutmachen. Wie schon gesagt, ich schlief keine Nacht durch, trotzdem war ich bei Tag nie müde, so aufgepeitscht waren meine Nerven.

Ich hatte sogar Angst vor den Untersuchungsbetten in Kliniken und bei Ärzten, Angst vor fremden Wolldecken, mit denen man mich zudeckte. Hernach musste ich die Kleider zehn Minuten über dem Balkon ausstauben und stundenlang lüften.

Beim Bügeln musste die Bügeldecke vorher ausgestaubt werden. Kein gewaschenes Stück Wäsche durfte auf dem Boden streifen – schon wieder Grund genug, um es auszustauben.

Ich trug nur noch alte Kleider, ich wollte nichts mehr Gutes aus dem Kasten nehmen, ich wollte dadurch das ewige Ausstauben und Lüften verhindern. Es werden aber auch die alten Mäntel und Kleider immer wieder gelüftet und ausgestaubt. In jedem Kasten musste alles tipptopp aufgeräumt liegen, vorher hatte ich keine Ruhe. Fremde Leute oder Kinder durften mein Kind, ja nicht einmal die Kinderdecke, berühren, aus Angst, diese hätten schmutzige Hände (vielleicht waren sie vorher auf dem Klosett oder hatten Geld oder irgendetwas in der Hand gehabt). Es war die ganze Krankheit ein ewiges Weiterkombinieren. Ich musste, berührte man mein Kind oder die Decke, zuerst meine Hände, dann das Kind, dann die Kinderdecke, aus Qual heraus, aus­stauben. Nahm mein Mann nach Klosettbenützung die Seife in die Hand, hernach dann ich, dann hatte ich die Seife vorher durch Ein­tauchen ins Wasser zu reinigen, bevor ich sie benützen konnte. Nach Klosettbenützung wusch ich nicht nur die Hände, möglicher­weise hatte ich ja meine eigenen Arme berührt – es wurden immer Hände und Arme bis hinauf gewaschen, x-mal gewaschen und x-mal abgetrocknet. Meist habe ich dabei eine Zahl gezählt, die ich immer wieder wechselte.

Beim Bettenmachen durften keine Kleider im Zimmer herumhängen, sonst hätte ich sie ausstauben müssen oder wenigstens lüften, sie könnten ja staubig geworden sein.

Sogar vor Blumenläusen hatte ich Angst und vor dem altem Wasser, in dem vielleicht schon einige Tage Blumen eingefrischt waren. Dieses Wasser wollte ich nicht erneuern, ich hatte Angst, es könnten Würmer darin sein. Bei Blumenstöcken, die in Erde, vermischt mit Moos, wuchsen, hatte ich Angst, es könnten ja im Moos oder in der Erde Würmer sein.

Aus Angst nur vor dem Berühren meiner Unterwäsche oder des Klosettdeckels zögerte ich das Harnlassen hinaus. Schmutzige Wäsche konnte ich überhaupt nicht mehr berühren, nicht einmal meine Kleider durften durch das Aufheben der Schmutzwäsche mit dieser in Berührung kommen. Wieder folgten das Waschen der Hände, das Bürsten der Haare und dann das Ausstauben des Hauskleides.

Angst und Zwangshandlungen in der Klinik

Ich war voll klinikreif – um nicht meinem armen Gatten durch das ewige Mitleiden und Zusehen beim Aus­führen meiner Krankheit noch den letzten Nerv zu rauben. Vorerst hatte ich in der Klinik keine besonderen Anhaltspunkte für meine Krankheit. Jetzt, wo ich schon über vier Monate in der Klinik bin, habe ich Anhaltspunkte noch und noch.

Genau wie daheim wurde mit der Zeit das Bett – weil vielleicht kurz nachdem ich es gemacht hatte, ausgekehrt wurde oder die übrigen Patienten nach mir die Betten machten – wiederholt gemacht, um den Staub wegzubringen. Nie ging ich mit bloßen Füßen auf dem Boden, nicht einmal mit Strümpfen. Ich hatte Angst mit staubigen Füßen meine Pantoffeln anzu­ziehen, Sah ich eine Patientin vom Klosett hereinkommen und sie hatte sich nicht die Hände gewaschen, durfte sie die Fotos meines Kindes, meinen Bettrahmen, das Nachtkästchen oder irgendetwas, das mir gehörte, nicht berühren. Alles wurde nachher von mir übertrieben gereinigt. Das Waschbecken reinigte ich nie mit bloßer Hand, mein Zahnbecher musste dazu dienen, um das Becken zu reinigen und das Händewaschen nachher zu vermeiden.

Meine Schmutzwäsche musste mein Mann mit nach Hause nehmen, ich konnte diese aus Angst nicht mehr angreifen, ich konnte nicht einmal den Sack berühren, in dem die Schmutzwäsche war. Ich bekam Ausgang unter der Woche verordnet. Ich wollte nicht hinaus. Das Verräumen der Kleider usw. hernach war mit Auf­regungen verbunden, ich wollte sie nicht mehr auf meinem Bett zusammenlegen. Während meiner Abwesenheit könnte ja ein Patient des Zimmers auf meinem Bett gesessen sein = Angst, fremde Kleider oder Berühren meines Bettes = vorher vielleicht durch Berühren des Klosetts usw. oder Staub = Angst, meine Kleider auf dieses Bett zu legen.

Mein Mann musste in der Zwischenzeit einmal einen Sarg tragen. Es war dies einige Stunden vor seinem Besuch bei mir. Es genügte: ich wollte weder seinen Mantel, seine Handschuhe oder gar die frische Wäsche, die er mir mitbrachte, berühren, diese wollte ich auch nicht verwenden.

Aß ich am Nachmittag eine Wurstsemmel, ohne mir hernach gründlich die Hände zu waschen, durfte ich nicht einmal den Knopf zum Öffnen des Nachtkästchens anrühren = Essensreste sind nicht eingetrocknet, plus Fliegen darauf = Maden und weitere Kombinationen wie daheim.

Vor dem Klosett hatte ich panische Angst = Würmer plus eigener Kot oder gar Kot von anderen Patienten. Das Berühren des Wasser­hahns durch einen Patienten genügte schon, um meine Hände zu waschen; dabei berührte ich ja Klosettdeckel, Wasserhahn, Türklinken usw. daheim wie in der Klinik nur mit Papier; trotzdem panische Angst und wieder das Händewaschen. Einmal berührte mich nach gründlichem Händewaschen eine Putzfrau. Ich räumte nicht mehr auf, machte auch mein Bett nicht mehr fertig, ich ging wieder Hände waschen. Vom Unwohlblut hatte ich Angst wie daheim. Nur frische Watte brauchte ich einzulegen, es genügte schon, um wieder Hände zu waschen. Genauso wie daheim hatte ich das Gefühl, staubige Haare zu haben, diese gekämmt und x-mal Morgenmantel, das Bett usw. nachher gründlich abge­putzt.

Bei der Insulinkur musste ich einige Wochen auf einem Notwagen neben einem offenen Klosett liegen. Der Pfleger rauchte sehr viel, warf die Zigarettenstummel in dieses Klosett und berührte dabei den Klosettsitz usw., griff mir hernach ins Gesicht, um mir den Schweiß abzuwischen. Mir grauste elendiglich vor diesem Menschen.

Als ich von der Kur ins Zimmer zurückkam, wusch ich sofort ganz sauber Hände und das Gesicht. Ich hatte Angst, dass durch das Angreifen des Pflegers etwas auf meinem Gesicht haften blieb. Das Notbett allein genügte, mich grauste. Konnte nicht die Bettwäsche mit dem Klosett in Berührung gekommen sein? So konnte ich unmöglich nachher in mein Bett im Zimmer gehen, ich musste vorher meine Haare reinigen und den Morgenmantel gründlich putzen. Ich rastete mich im Morgenmantel am Bett aus, ins Bett wollte und konnte ich nicht, ich hatte Angst durch das Anhaben der Strumpfhose etwas Schmutz usw. ins Bett zu bringen. Die Strumpfhose hätte ich ja ausziehen können, aber ich hatte Angst, diese zu berühren = einige Tage schon am Körper, nach Klosettbenützung wieder hinaufgezogen = Angst, Kot könnte daran haften. Deshalb zog ich sie nicht aus. Ich hätte nachher mein Bett nicht ohne vorherige Händereinigung gemacht. Griff ein Arzt oder ein Patient auf meine Bettdecke, Bettwäsche, so wurde das Bett wieder frisch gemacht = Angst vor Bazillen, Klo usw. Nahm ein Patient eine Zeitschrift von mir in die Hand, grauste mich vor ihm. Ich schenkte die Zeitschrift weiter, damit sie niemand mehr in meinem Zimmer oder mein Mann berühren konnte. Die Türklinke des Zimmers anzugreifen, kostete mich Überwindung. Ich konnte einem Patienten weder meine Nagelschere noch meine Haarwickler oder irgendeinen toten Gegenstand von mir leihen. Ich hatte Angst und konnte nicht anders, so reinigte ich alles wieder entsetzlich über­trieben, bevor ich es verräumte oder selbst benützte. Wollte ich ein Bad nehmen, dann bat ich eine Patientin, zu der ich Vertrauen hatte, sie möge mir vorher und nachher das Bad rei­nigen. Sollte ich es selbst tun, musste ich zweimal mehr wie­der die Hände waschen, obwohl ich durch das Badputzen mit Wasser in Berührung gekommen wäre, es genügte nicht. Ich musste mich ja dann baden und mit diesen Händen konnte ich mein Gesicht nicht waschen. Mein Waschlappen, der zur Reinigung des Unterleibes diente, wurde x-mal mit Seife gewaschen, dann mein Gesicht und die übrigen Körperteile übertrieben gereinigt. Ein Messer diente für alle Patienten. Ich nahm es anfangs, ohne zu denken, in die Hand, später nicht mehr = Angst, Patienten = Klobenützung. Zahnbecher, Bürste und Zahnpastatube wurden jeden Abend nach Benützung gründlich gereinigt = Angst, Berührung mit dem Waschbecken, in dem sich auch die übrigen Patienten waschen mussten.

Am liebsten hätte ich mich, wäre ich nicht zu schwach gewesen, untertags niemals auf mein Bett gelegt, um dasselbe nicht wieder aufbetten zu müssen. Ich musste ja nachher die Leintücher x-mal in die Luft schleudern, um den Staub, der durch meine Benützung darauf gekommen sein konnte, herauszubeuteln. Aber da alle Patienten Mittagsruhe machten und dann ihre Betten machen mussten, kam dadurch auch Staub auf mein Bett, und der Zwang ließ mich nicht in Ruhe, ich musste auch mein Bett machen, nur aus Angst und Zwang wegen des Staubes. Einmal setzte sich eine Frau neben mich auf mein Bett. Ich hatte panische Angst, denn an dieser Stelle hatte ich abends immer für die Nacht meinen Morgenmantel gelegt = Angst vor Maden, der Mantel der Frau = nicht sauber oder hat gar am Klosett gestreift – Staub oder Kot wurde übertragen auf meinen Morgenrock – mein Morgenrock ist nicht mehr sauber. Ich gab immer acht, dass meine Kleider nie mit dem Klosett in Berührung kamen = Angst vor Kot und Würmern. Als ich noch zu Hause war, hatte das Kind meines Bruders Maden. Mein Bruder brachte mir nun Äpfel aus seinem Haushalt. Am liebsten hätte ich diese wieder verschenkt = Angst vor Maden. Ich hatte Angst, jeden einzelnen Apfel in die Hand zu nehmen. Es könnten Maden darauf sein, obwohl ich nicht genau wusste, ob das Kind überhaupt noch Maden hatte = Zwang, hernach die Hände zu waschen. Dieses Kind wollte ich nie angreifen; ich wich ihm genauso aus wie Hunden und Katzen, obwohl ich ge­nau wusste, dass unser Kind auch Abwehrstoffe hatte und auch noch sammeln musste. Ich darf gar nicht daran denken, dass unser Kind jetzt läuft und mit wie viel Schmutz und Bazillen es noch in Berührung kommen muss (was eben jedes Kind im ent­sprechenden Lebensabschnitt mitmachen muss), solche Angst habe ich davor. Ich möchte mein Kind immer in Schutz nehmen und vor allem – Schmutz, Staub und Bazillen – retten, daher mein Zwang, die Kleider und Gegenstände des Kindes und das Kind selbst immer rein zu halten. Es wäre gewiss besser, die Maden zu bekommen als diese Qual durchzumachen = Einbildung. Maden auf Höschen, dann Kleider, Hände usw. Habe ich ein Stück Wurst oder Butter­brot von zuhause gegessen und habe ich hernach ein wenig fette Hände, ist gleich wieder die Angst da wie daheim – ohne hernach die Hände zu reinigen, kann ich nichts mehr angreifen = Angst durch Berühren eines Buches von mir, Schließe oder Nachtkästchen usw.; Fett oder gar Wurstreste (Essensreste trocknen nicht ein = Fliegen saugen daran) = wieder Angst vor Würmern.

Kleider und Gegenstände werden aus dem Kasten herausgenommen, gelüftet, wieder in den Kasten gegeben, dabei bemühe ich mich immer, ja mit nichts auf dem Boden zu streifen. Hatte ich das Gefühl, dass das Kleid oder irgendetwas anderes, etwa die Hemden meines Gatten, mit dem Boden in Berührung gekommen sein könnten = Angst vor Schmutz und Bazillen, weil mit Straßenschuhen auch in der Wohnung herumgegangen wurde. Daher habe ich die Kleider x-mal aus dem Kasten genommen so wie auch die anderen Gegen­stände. Und beim Hineingeben war mein Blick immer zum Boden gerichtet = Angst, am Boden zu streifen, Kleider ganz staubig.

Besondere Angst bei Kleidern von Kind und Mann

So könnte ich noch x Fälle aufzählen = immer dieselbe Qual, Depressionen, Angst: ob das nun beim Ausstauben der Kleider, beim Bettenmachen, Reinigen des Tisches von den Essensresten, Reinigen des Kindes vom Kot, Zubereiten der Mahlzeiten (Essensreste plus Fliegen = Würmer), Lüften der Kleider der ganzen Familie, Rei­nigung der Wohnung = Staub (Staub dann auf meinem Haar und mei­nen Kleidern, toten Gegenständen = alles abstauben), Aufheben eines Handtuches oder gar Gegenstände vom Boden aufheben = nicht mehr verwendbar ohne genaue Reinigung; Handtuch wird überhaupt nicht mehr verwendet = Angst vor Schmutz und Bazillen vom Boden, daher kann ich mich nicht mehr damit abtrocknen. Entsetzliche Angst vor Klosettbenützung = Kot und Hände übertrieben waschen.

Fliegen = auf Essensresten, Maden, Würmer. Hunde und Katzen = wieder Würmer. Boden reinigen = Schmutz usw., Angreifen des Putzlappens, Abfalleimers, Hände fremden Personen oder gar Patienten zu geben. Randsteine = Hunde hingemacht, Windeln vom Kot reinigen. Angst vor Beichte im Beichtstuhl = Vergessen mancher Sünden, daher lieber Aussprache mit einem Priester.

Angst, bei Berührung des Ehepartners, danach vielleicht, ohne die Hände zu waschen, das Kind oder einen anderen Gegenstand berührt zu haben. Pedantisch bis dort hinaus. Angst vor fremden Betten, Untersuchungsbetten, Decken, Klosett usw. Den Leuten ausweichen, damit das Kind mit niemandem in Berührung kommt. Angst, weil Verantwortung für Kind und Mann im Haushalt. Ich war vielleicht zu lange allein. Angst vor der Übersiedlung nach Feldkirch = Angst, Depressionen, Heimweh und Krankheit (Neurose): Allein mit dem Kind in der Fremde, keine Geschwister und keine Bekannten mehr.

Angst, Sachen herzuleihen und dann für mich wieder verwenden zu müssen, ohne sie genau reinigen zu können. Es gibt nichts mehr auf der Welt, wo ich nicht Angst davor hätte. Daher ent­weder Hände waschen oder diese ganze pedantische Putzerei, Ausstauberei, Lüfterei, Reinigung; Angst davor, Schmutzwäsche in die Hand zu nehmen oder gar mit meinem Hauskleid daran zu streifen usw. Habe ich vor, mit meinem Mann und dem Kind aus­zugehen oder gar zum Arzt zu gehen = dann bin ich wahnsinnig nervös, einfach fertig. Und ich weiß, dass diese Krankheit nur durch mich selbst, durch großes Vertrauen, besonders durch meine Selbstüberwindung, Phlegmatischsein, überwunden bzw. ganz ge­heilt werden kann. Wenn ich nicht selbst mit gutem Willen mittun kann, glaube ich, kann ich nicht mehr gesund werden, und ich habe doch eine Familie, für die ich wieder gesund werden muss, um eine gute Mutter und Hausfrau zu sein und nicht wie jetzt eine Niete und Null. Ich weiß nicht, was ich noch tun könnte, um dieser Qual und inne­ren Angst, diesen seelischen Depressionen wieder entgehen zu können.

Ich müsste immer und jeden Tag einen guten Menschen um mich haben, der mich versteht, mir gut zureden könnte, einen guten Rat geben könnte, um all das mithilfe meines eigenen Willens wieder leichter überwinden zu können. Ich möchte wieder glücklich und gesund sein und lachen können wie früher. Gerne würde ich dann auch die schmutzigste Arbeit mit Ruhe auf mich nehmen – nur nicht mehr Tag für Tag Angst, Depressionen und Qualen ausstehen müssen!

Verlauf der Heilung

In diesem oben geschilderten Zustand, nur noch etwas ver­wirrter, kam Lea am 27.08.1968 zur psychologischen Behandlung. Da ein einführendes anamnestisches Gespräch wegen der völligen Fixierung auf die Symptomatik ihres Leidens unmög­lich war, wurde gleich am 27.08. mit der Behandlung in Liegehaltung von Lea begonnen. Es folgten nun jeweils drei Sitzungen pro Woche.

1.-7. Sitzung (27.08.-16.09.1968)

Während dieser sieben Sitzungen hat Lea in einem pausenlosen Gespräch von ihren Ängsten berichtet: Angst vor Kot, Angst vor Staub, Angst vor Hunden, Angst vor Eiern, Würsten und Speise­resten, Angst vor Fliegenkot, Angst vor Katzen, Angst vor Randsteinen, Angst vor Warzen usw. Dabei stellte sie nach jeder Nennung die Frage, ob das etwas mache. Ich habe völlig passiv zugehört und jede Frage an Lea zurückgegeben. Lea aber ging auf die zurückgegebene Frage kaum ein, sondern sprach unentwegt weiter.

8.-12. Sitzung (18.09.-27.09.1968)

In der achten Sitzung berichtete Lea über ihre große Angst vor Mülleimern und gab als Grund dafür die schrecklichen Wür­mer an, die sich in diesen Abfalleimern fänden und vor denen sie sich furchtbar ekeln würde. Mit dieser Sitzung begann nun ein sehr bewegtes Gespräch über diese Würmer, die schließlich mit allem in Zusammenhang gebracht wurden, wovor Lea Angst hatte, also mit Staub, Kot und jeder Form von sekretorischer Feuchtigkeit. Irgendwelche nähere Begründung dieser Angst war noch nicht vorhanden. Im Gegenteil, die reine Angstsymptomatik steigerte sich zusehends, sodass sich der Zustand nach außen eher zu verschlechtern schien. Die Handtasche trug sie nun noch höher, um ja nirgends am Boden zu streifen. Beim Anziehen des Mantels achtete sie peinlich darauf, dass er nirgends den Boden streifte. Zu Hause rieb sie sich vor lauter Putzen völlig auf. Das Kind, das schon länger bei ihrer Schwester A. war, interessierte sie kaum mehr, weil sie nicht einmal imstande war, die notwendigsten Hausarbeiten zu machen. Wie A. berichtete, legte sie sich zuweilen vor Erschöp­fung ins Bett. Tagsüber war sie ja fast ständig bei ihrer Schwe­ster A. Der Mann war in der Arbeit und kam immer erst abends heim. Trotz alledem nahm Lea die Behandlung immer ernster und erschien nun völlig pünktlich.

13. Sitzung (30.09.1968)

Dies war wohl auch dadurch bedingt, dass seit der 13. Sitzung eine spürbare Übertragung einsetzte, die vor allem durch das ruhige Zuhören bedingt wurde, was ihr bei der nie versiegenden Mitteilungsfreudigkeit besonders wohltat, zumal ihre Umgebung ihr ewig gleichförmiges Gespräch schon völlig satt hatte. Im Übrigen ist Lea noch völlig autistisch.

14. Sitzung (2.10.1968)

Lea berichtet von ihrer Angst vor den Ausländern, die im Omnibus neben ihr saßen. „Wenn ich da im Omnibus neben ihnen sein muss, schaue ich immer, wo sie mit den Händen hingreifen, und wenn ich dann sehe, dass sie den Haltegriff berühren, dann greife ich ihn nicht mehr an. Diese Leute haben meist ein Kopftuch auf und da habe ich immer das Gefühl, sie hätten Läuse und Ungeziefer, das auf meine Kleider falle. Da ist dann sofort wie­der der Fimmel da: Wenn ich heimkomme, muss ich die Kleider un­bedingt ausstauben, weil ich doch hinter diesen Ausländern gesessen bin, und die könnten doch Läuse oder Ungeziefer oder Warzen an den Händen gehabt haben und ich hätte da hingegriffen und nachher mein Kleid berührt. Wenn ich hinter einem Auslän­der zu sitzen kam, habe ich natürlich versucht, einen anderen Platz zu finden, aber immer war dies nicht möglich. Dann musste ich daheim eben alles ausstauben und dabei habe ich immer gezählt.“

Resch: Gezählt?

„Da habe ich mir vorgenommen bis zu einer bestimmten Zahl zu zählen, z.B. bis 12, und gelang es mir bis 12 nicht, dann sagte ich, ich schwöre bei der Gesundheit meines Kindes bis zu einer Zahl oder ich schwöre bei der Gottesmutter oder ich nehme den Herr­gott her oder irgendetwas. Genau ist es so: Zuerst schwöre ich, die Gottesmutter soll mich nicht mehr gesund werden lassen. Gelingt mir dies nicht, dann schwöre ich, jetzt zähle ich noch bis zu einer Zahl, und wenn es mir dann auch nicht gelingt, dann soll das Kind krank werden. Es gelingt mir selten, bei der vor­bestimmten Zahl das Ausstauben aufzugeben. Habe ich dann fer­tig ausgestaubt, dann habe ich das Gefühl, so, jetzt ist es sauber, ich bin ruhig und der Zwang ist vorbei, bis es wieder von neuem anfängt.“

15.-16. Sitzung (11.10.-14.10.1968)

In diesen beiden Sitzungen kreiste alles um das Thema Staub, Schmutz, Ausstauben, und mündete in die Frage: Macht das etwas, wenn…?

  1. Sitzung (16.10.1968)

Nach einem ausführlichen Bericht über die vielen Ängste, die sie bei der Busfahrt auszustehen hatte – Angst vor Staub und Fremdarbeitern – , kam Lea auf ihre besondere Angst vor Hunden zu sprechen, weil sie überall hinmachen und mit den feuchten Schnauzen überall angehen. „Das ist furchtbar ekelerregend.“

Resch: Ekelerregend?

„Genau wie bei meinem Chef!“

Resch: Bei meinem Chef.

„Ja, bei meinem Chef. Das war in dem Büro, wo ich gearbeitet habe. Ich hatte dort schon zehn Jahre gearbeitet und dann hatte mein Chef für mich Interesse gezeigt. Ich wollte eigentlich nicht, aber andererseits habe ich Angst gehabt, dass ich die Stelle verliere. Als er mich einmal anfasste und meine Geschlechtsteile berührte, bemerkte ich, dass er auf der Handoberfläche kleine Warzen hatte und von diesem Tag an habe ich mich vor diesem Menschen gegraust. Jedes intime Berühren war für mich dann sehr beschämend und eklig.“

Resch: Beschämend und eklig …

„Ja, dann habe ich angefangen alles abzuputzen, ob das nun meine Handtasche war oder anderes, das ist geputzt worden; die Tasche bis zum Riemen hinauf und im Büro der Bürotisch, die Schreibmaschine, der Stuhl, und da habe ich schon angefangen zu zählen und dann sind die Hände gewaschen worden. Wenn mir der Chef irgendetwas hergelegt hat, einen Zettel oder etwas auf den Büro­tisch, so war es für mich unmöglich, es in die Hand zu nehmen. Das ist anfangs noch gegangen, aber dann ist es immer ärger ge­worden. Ich war damals schon schwanger – und da war es eben sehr arg für mich.“

  1. Sitzung (18.10.1968)

Lea kam sehr verwirrt in die Stunde und berichtete zunächst von ihrer panischen Angst vor Staub, Schmutz und Fremdarbeitern und zeigte ihre vom vielen Waschen völlig offenen Hände. Sie kam dann wieder auf die grauenhaften Warzen ihres Chefs zu sprechen. Auf die Frage, was ihr beim Gedanken an diese Warzen ganz spontan einfalle, antwortete sie, ohne länger nachzu­denken: „Sie sehen aus wie ein kleines männliches Glied oder der Kitzler.“

Resch: Haben sie deshalb Angst gehabt, weil es mit dem Geschlechtlichen zusammenhing?

Auf diese Frage ging Lea nicht direkt ein, sondern begann mit der Erzählung ihrer Bürolaufbahn. „Mit ca. 21 Jahren bin ich ins Büro gegangen. Ich war kaufmännische Angestellte und war ei­gentlich immer lustig und war ein temperamentvoller Mensch.“

  1. Sitzung (25.11.1968)

Die Patientin kam wieder sehr deprimiert in die Sitzung: „Früher habe ich immer lachen können. Wenn mir damals jemand erzählt hätte, was Depressionen sind, den hätte ich wahrschein­lich ausgelacht, weil ich keine Ahnung gehabt habe, was das über­haupt ist. Ich hätte vielleicht gesagt, das bildest du dir ein, denn so etwas gibt es überhaupt nicht. Wenn mir ein Mensch das so geschildert hätte, wie ich es jetzt mitmache, ich hätte das nie verstehen können. Diese Depressionen sind das Schwerste an der ganzen Neurose. Wie schön wäre es, wenn ich noch so wäre, wie ich im Dienst war.“

  1. Sitzung (27.11.1968)

In dieser Sitzung kam Lea auf die Bekanntschaften während ihres Dienstes zu sprechen: „Zuerst war es ein Verheirateter. Das war eigentlich der Erste, den ich gekannt habe und dem ich mich auch das erste Mal hingegeben habe. Ich fühlte mich furcht­bar einsam und verlassen. Zu Hause wollte ich nicht sein. Die Mutter war schon lange gestorben. Er war so nett zu mir. Zugleich habe ich aber auch einen sehr netten Burschen gekannt. Dieses Verhältnis hat sich aber gelöst, weil ich mich mehr dem Verheirateten zuwandte.“

Das Verhältnis mit dem Verhei­rateten musste jedoch auf Einspruch von dessen Frau bald gelöst werden.

  1. Sitzung (02.12.1968)

Lea kommt wieder auf die Warzen und die Bekanntschaften wäh­rend ihrer Bürozeit zu sprechen. Sie berichtet, wie schwer es ihr gefallen sei, den verheirateten Mann zu verlassen. Sie ging auf Urlaub nach Italien und lernte dort einen Italiener kennen. „Wie ich das Verhältnis mit dem Verheirateten gelöst hatte, bin ich mit meiner Freundin auf Urlaub gefahren. Da traf ich einen Italiener, der es auf mich abgesehen hatte. Mir hat er auch gut gefallen. Vor allem habe ich dadurch den Ver­lust des Verheirateten total überbrückt. Es war ein sehr netter Bursche, hat gut ausgeschaut und war reinlich, und ich habe damals auch ein Verhältnis gehabt, aber ich habe keine Filz­läuse bekommen. Und nach zwei Jahren haben wir uns eben ge­troffen und es war nur an einem Abend, dass wir beisammen gewesen sind – also eine Nacht, und dann bin ich am nächsten Tag nach Bozen gefahren und er ist heimgefahren. Wenn ich heim­gekommen bin, war ich immer sehr reinlich. Ich habe mir auch immer täglich den Unterleib gewaschen und da habe ich schon gespürt, dass es mich immer juckt, und eines Tages habe ich halt das gesehen. Darüber habe ich einen derartigen Schock gehabt, da war ich so fertig, ich habe so gezittert, ich wollte sofort zum Arzt gehen, aber auf der anderen Seite habe ich mich furchtbar geniert. Dann bin ich doch zu einem praktischen Arzt gegangen, der hat mir dann das richtige Mittel verschrieben. Das habe ich dann genommen. Es hat innerhalb von wenigen Tagen geholfen. Nur von dort an habe ich angefangen, alles sehr sauber zu putzen, und das Gefühl, dass ich einmal diese Filzläuse gehabt habe, das ist mir bis zum heutigen Tag nach­gehangen. Ich habe Ihnen ja vor Tagen von den Käfern erzählt, die vom Schimmel gekommen sind. Wie ich meinen Mann noch nicht gekannt habe, zwei Jahre bevor ich geheiratet habe, habe ich ja daheim immer alles pedantisch sauber geputzt, es war immer noch die Erinnerung an diese Filzläuse.“

  1. Sitzung (04.12.1968)

Das Thema der Filzläuse hatte Lea stark in Aufruhr gebracht. Der Putz- und Waschzwang hat sich verstärkt. In dieser Sitzung kam Lea wieder auf die Filzläuse zu sprechen. Nachdem sie mit 23 Jahren die Bekanntschaft mit dem Italiener hatte, von dem sie zwei Jahre später die Filzläuse bekam und sich deshalb von ihm lossagte, hatte sie vom 26.-29. Lebensjahr eine andere Be­kanntschaft, auf die sie nun zu sprechen kam. „Vom 26.-29. Lebensjahr kannte ich einen anderen Burschen, der mich ziemlich gut behandelt hat. Da erlebte ich aber folgenden Schrecken: Es war eigentlich praktisch schon aus. Wir haben uns dann doch noch einmal getroffen und schließlich war ich noch einmal eine Nacht bei ihm. Da habe ich in der Früh zufällig auf das Bett hingeschaut und eine Filzlaus gesehen. Ich glaube, sie war noch unter dem Kopfpolster, sie war auf meinem Slip drauf. Und dann habe ich einen wahnsinnigen Schrecken bekommen und bin sofort zu dem Burschen gegangen und habe gesagt: Du, schau dir das an, ist das – ich glaube, ich habe mich damals verstellt, er hat doch nicht wissen brauchen, dass ich sie ein­mal gehabt habe, sonst hätte ich die Laus ja nicht gekannt, – da habe ich eben zu ihm gesagt, du schau einmal, was ist denn das, hast du einmal so etwas gehabt? Da sagte er: Ja, aber das ist jetzt schon eine Zeit her. Und dann habe ich gesagt: Schau nach, ob bei dir noch so etwas ist. Und dann haben wir nachgeschaut. Aber ich war fertig, den Slip habe ich dagelassen, ich habe einen frischen mitgehabt. Er hatte noch TT mit und hat es auf den Slip gesprüht und gesagt, ich sei dumm, ich könne den Slip deswegen doch ruhig hernehmen. Wir sind dann nach­mittags noch zusammen ins Kaffeehaus gegangen. Dann habe ich mich aber drei Wochen oder noch länger immer in der Früh mit diesem Mittel eingesprüht, der Boden war schon immer staubig und der Elektroofen auch. Die Kleider habe ich ja zum Teil verbrannt. Das war dann auch der Grund, warum ich mir immer eingebildet habe, dass ich wahrscheinlich kein Kind mehr be­kommen kann, weil ich mir durch das TT-Mittel die Unterleibsorgane vergiftet hätte, weil ich das immer sehr intensiv gemacht habe. Ich habe da ja nicht aufgepasst, ich habe immer sehr viel daraufgegeben und da ist es vielleicht in die Scheide gekommen. Ich habe auch nie mehr geglaubt, dass es möglich sein wird, ein Kind zu bekommen, weil es praktisch der Bursche war, von dem ich die Filzläuse bekommen habe, bei dem ich gewusst habe, was ein Verhältnis ist. Ich kam bei ihm das erste Mal zum Orgasmus. Da­mals, bei dem Verheirateten, hat es mir sehr wehgetan und ich habe davon nichts gehabt.“

  1. Sitzung (06.12.1968)

In dieser Sitzung kam Lea noch einmal auf ihre oben genannte Bekanntschaft zu sprechen, die sie besonders tief getroffen hat. Doch auch hier machte sie wegen der Filzläuse vollkommen Schluss. Sie zog sich nun zwei Jahre hindurch ziemlich zurück, wenngleich sie noch einige Bekanntschaften hatte. „Ja, ich lebte dann zwei Jahre ziemlich zurückgezogen. Ich habe zwar mehrere Burschen gehabt, doch nicht deshalb, damit ich davon etwas habe, sondern ich habe immer einen Menschen gesucht, bei dem ich ge­borgen bin, ich habe mich halt irgendwie nach einem Menschen ge­sehnt, der mich gern hat, nie nach dem, was mit dem Sexuellen verbunden ist. Nach dem Fall mit der einen Filzlaus habe ich mich ziemlich zurückgezogen. Ich war überall noch sehr lustig und habe von der Neurose nicht soviel verspürt. Ich war halt Samstag/Sonntag sehr viel allein und habe daheim immer sauber geputzt, aber da hat mich eben in dieser Zeit gleichzeitig mein Chef verfolgt und da habe ich mit ihm da so etwas gehabt.“

Resch: Gehabt.

„Nein, es ist nur einmal gewesen, dass ich ihn berührt habe, und da bin ich dann abends heimgekommen und dann habe ich wahnsin­nig geweint, weil ich mich furchtbar geschämt habe. Ich habe am Nachtkästchen die Muttergottes gehabt und ich habe sie gebeten, sie möchte mir das verzeihen. Mich hat ja immer geekelt vor diesem Menschen, ich wollte ihn ja gar nicht berühren, ich kann das überhaupt nicht verstehen, wie ich es zusammengebracht habe.“

  1. Sitzung (09.12.1968)

Lea erzählte, wie sie auf dem Weg zur Sitzung immer nachsah, ob sie nicht dem früheren Chef begegne, wovor sie große Angst hätte. „Vor diesem Menschen graust mir wegen seiner War­zen ungeheuerlich. Er war ja praktisch immer eifersüchtig auf den jungen Burschen mit der Filzlaus, mit dem ich damals freundschaftlich verkehrte. Dem habe ich auch erzählt, dass der Chef hinter mir her ist. Aber ich glaube, dass es dem in Grunde genommen gleich war, dass mich der Chef verfolgt. Angefangen hat es ja, wie ich die Warzen gesehen habe. Dann habe ich angefangen, immer die Hände zu waschen.“

Von nun an ging das Gespräch Leas ohne notwendige Zwischenfragen dahin, sodass ich mich kaum einzuschalten brauchte, da sie das immer störte.

  1. Sitzung (11.12.1968)

Lea, die wie immer sehr gesprächig ist, ging erstmals auf eine freiere Beschreibung ihrer Krankheit ein. „Ja, ich muss sagen, man hat im Büro nicht gemerkt und auch sonst nicht, dass ich eine Neurose hatte. Ich hatte sogar Tage, wo ich nichts gespürt habe. Dann spürte ich wieder den Föhn und hatte Tage, wo ich das Gefühl hatte, das müsse ich wieder und wieder putzen. Dann habe ich wieder Tage gehabt, da habe ich mir eingebildet, dass mir organisch etwas fehle. Das hat mich in Angst versetzt. Ich ging zum Arzt. Das hat mir furchtbar zugesetzt. Trotzdem hat kein Mensch gekannt, dass ich an einer Neurose litt. Sie war ja praktisch im Anfangsstadium. Sie zeigte sich vor allem bei folgendem Anlass. Mein Chef hatte mich öfters am Wochenende nach Hause gefahren. Da habe ich dann versucht zu vermeiden, ihm beim Verabschieden die Hand zu geben. Musste ich es aber einmal tun, dann war es für mich schrecklich. Wenn ich dann am nächsten Tag mein Zimmer machte, wurde alles pe­dantisch sauber gemacht, der Boden, die Möbel und alles, was ich ins Büro mitgenommen hatte, wie z.B. die Geldtasche, wurde geputzt. Dies einfach deshalb, weil ich das Gefühl hatte, jetzt habe ich ihm die Hand gegeben, jetzt habe ich die Tasche angegriffen usw.“

  1. Sitzung (15.12.1968)

Lea kommt nach ihrem üblichen Anfangsbericht über ihre großen Ängste vor Staub, Schmutz, Hunden und schweren Depressionen erstmals auf ihren Mann zu sprechen. „Meinen Mann habe ich 1965 getroffen. Ich habe aber lange Zeit kein intimes Ver­hältnis gehabt, weil ich Angst hatte, dass mich dieser Mann vielleicht nicht befriedigen könnte, wenn ich an den Burschen dachte, bei dem es zum ersten Mal zum Orgasmus gekommen war. Ich habe immer das Gefühl gehabt, mich kann wahrscheinlich kein Mann mehr befriedigen, und ich selbst habe insofern Komplexe gehabt, als ich dachte, dass, falls ich mit meinem Mann zusammenkäme, er von mir auf sexuellem Gebiet enttäuscht wäre, weil ich mir irgendwie unerfahren vorgekommen bin, komischerweise. Das war auch der Grund, warum ich mit ihm kein Verhältnis hatte. Außerdem hatte ich ihn früher noch nicht gern. So habe ich mich einfach nicht getraut, und wenn ich jemanden nicht wirklich gern gehabt habe, dann habe ich so etwas nie tun können. Wie ich dann gespürt habe, dass ich ihn gern habe, dann kam es dazu. Ich muss sagen, der erste Abend war wirklich reine Freude, weil wir uns wirklich beide gern hatten. Ich habe mich damals auch wirklich gefreut, dass es zum Orgasmus kam, weil ich Angst hatte, dass ich nie mehr dazu kommen werde. Deshalb habe ich auch Ängste gehabt, dass ich nie mehr einem Mann eine Freude machen kann, denn ein Mann, der ein Mädchen gern hat, besteht doch darauf, dass eben beide zum Orgasmus kommen. Das war am 5. Dezember 1965. Und am 8. Dezember (Maria Empfängnis), da habe ich mir, wie ich von zu Hause fort­gegangen bin, gedacht, heute ist 100% nichts mit dem Verkehr. Ich wollte jetzt die Starke sein. Ich wollte ihm zeigen, dass ich nicht unbedingt das Sexuelle suche. Dann kam es aber doch dazu und damals bin ich auch schwanger geworden.“

  1. Sitzung (16.12.1968)

Lea kommt noch einmal auf die Bekanntschaft mit ihrem Mann zu sprechen, wobei alles ständig in dem Satz endete: Wäre ich doch heute noch so! Sie schildert in buntesten Farben ihre Hochzeitsreise. Schließlich konzentriert sich das Gespräch wieder auf die Schwangerschaft. Die „Schwangerschaft habe ich einfach nicht geglaubt. Dann bin ich eben zum Frauenarzt gegangen. Der hat die Schwangerschaft bestätigt. Momentan habe ich es gar nicht…, ich weiß nur, dass ich fest gezittert habe. Dann bin ich anschließend zum Grab meiner Mutter gegangen. Da habe ich irrsinnig geweint, weil mir bewusst wurde, mein Leben muss sich ändern. Arbeiten kann ich nicht mehr. Ich hatte einfach Angst vor der Umstellung. Ich wusste ja noch nicht, ob es zu einer Heirat kommt. Ich habe es meinem Mann noch am selben Abend gesagt, worauf er sagte: Lea, das macht nichts, geheiratet hätte ich Dich so und so, und so heirateten wir eben früher. Ich habe ihm aber oft gesagt, er solle mich ja nicht wegen des Kindes heiraten, sondern nur wenn er mich wirklich gern hat. Da hat er unter Tränen erklärt, dass es ihm wehtut, wenn ich kein Vertrauen zu ihm hätte.“

  1. Sitzung (18.12.1968)

Der Mann wird als große Opferseele geschildert, der es neben einer so unnützen und kranken Frau ja sonst gar nicht aushalten könne. Lea kann tatsächlich nichts anderes tun als fragen, weinen und jammern. Gar nichts könne sie ihm bieten, nicht einmal einen Verkehr, weil sie so furchtbar Angst vor jedem Schmutz hätte. Sie wolle aber wieder gesund werden und dann eine gute Hausfrau sein. Jetzt müsse der Mann meistens noch kalt essen. Der Mann beobachte sie jedoch immer bei ihren Zwangshandlungen, was sie furchtbar belaste, weil sie dann noch unsicherer sei.

Im Übrigen hat sich ihr Mann in keiner Weise an einer Mitarbeit bei der Behandlung interessiert gezeigt, sodass seine Haltung kaum noch als die eines treuen Gatten bezeichnet werden konnte. Lea war sich aber seiner Treue sicher.

  1. Sitzung (08.01.1969)

In dieser ersten Sitzung nach den Weihnachtsfeiertagen 1968/69 berichtete Lea zunächst von den traurigen Weihnachtsferien, die gar nichts Weihnachtliches an sich gehabt hätten. Dann kam sie wieder auf die Neurose zu sprechen.

„In der Zeit, wo ich noch arbeiten gegangen bin, da war die Neurose noch sehr erträglich. Richtig angefangen hat sie in den sechs Wochen vor der Entbindung, wo ich zu Hause habe bleiben können. Da haben wir uns eben die Wohnung eingerichtet. Da ist es losgegangen; da ist der ganze Putz- und Staubfimmel wieder über mich gekommen. Mit einem Wort, ich war fertig. Ich habe von 8 Uhr früh bis 5 Uhr abends nur geputzt, ausgestaubt und gelüftet, Boden geputzt, Möbel abgestaubt und vor allem habe ich immer die Türklinken gründlich gereinigt. Für die Türklinken waren der Grund nur die Warzen. Dieses Putzen ist heute nicht viel besser.“

  1. Sitzung (10.01.1969)

Mit dieser Sitzung kam es zu einer bedeutenden Wende in der Behandlung. Es wurde nun nicht nur das Kind zu einem Zen­tralthema, sondern vor allem auch eine wesentliche Ursache der Angst, nämlich die „Würmer“.

„Ja, wie das Kind dann da war, da habe ich es die erste Zeit dann selber betreut. Wie ich nun damals in der Ordination eines praktischen Arztes war, um eine Spritze zu erhalten, da kam auch mein Bruder zufällig dazu. Ich fragte: ‚Fehlt dir etwas?‘, und er sagte: ‚Ja, Würmer‘. Da habe ich gleich einen Schock bekommen, weil ich dachte, der auch, und der kommt jetzt vor mir zum Arzt und dann muss ich hinein. Ich hatte Angst, dass ich mich da auf das Untersuchungsbett legen muss. Also habe ich schon damals Angst wegen dieser Maden gehabt.“

Im weiteren Gespräch wurden dann die Maden mit allen Angst­formen in Verbindung gebracht, vor allem mit Staub, Kot und feuchten Absonderungen.

31.-35. Sitzung (13.01.-27.01.1969)

Die Madengeschichte nimmt nun breiten Raum ein. Überall wird die Gefahr gesehen, dass schließlich durch Berührung Maden auf den Körper kommen könnten. Die Ursache dieser Madenangst wird voll und ganz mit dem Bruder in Verbindung gebracht:

„Mein Bruder hat mir nachher auch gesagt, dass seine Kinder eben diese Maden haben, wahrscheinlich hat auch er davon Würmer bekommen. Das Mädel vom anderen Bruder hat ja auch die Maden gehabt. Irgendwie ist diese Angst vor den Würmern schon in mir drinnen gewesen, wie mein Kind dann gekommen ist. Wie ich dann auf diese Angst vor dem Kot gekommen bin, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe mir im Büro die Hände immer nor­mal gewaschen, eben nur, weil ich die Hände vom Maschinschreiben oder vom Kohlepapier schmutzig hatte. Dass ich mir aber des Kotes wegen einmal die Nägel geputzt hätte, das kann ich mich nicht erinnern. Wie das gekommen ist, dass ich vor dem Kot Angst bekommen habe, das weiß ich nicht. Ich habe anfänglich mein Kind auch vom Kot gereinigt, aber schon sehr ungern, und dann musste ich das Kind pedantisch putzen, immer auch Händchen und Gesicht, sodass sich auf der Hand ein Ekzem bildete. Die schmutzigen Windeln sind auf dem Boden gelegen. In Ermangelung eines Waschbeckens habe ich die Windeln in einer Schüssel vorgewaschen. Dann habe ich die Schüssel wieder x-mal ausgeschwemmt. Das Wasser ist in den Brunnen gekommen und ich musste dann auch den x-mal ausschwemmen. Dieser Waschzwang macht mich heute noch völlig fertig. Immer dieselbe Kombination. Der Kot kommt jetzt mit der Windel oder sonst wie auf den Boden. Den Boden habe ich dann aufgeputzt. Die kotigen Windeln sind in die Schüssel gekommen. Ich habe die Windeln in der Schüssel ausgeschwemmt, jetzt könnte der Kot irgendwo an der Schüssel haften, oder es war im Wasser noch Kot drinnen, jetzt kann ich den Brunnen wieder reinigen, natürlich hernach auch die Hände, weil ich doch nur mit Kot zu tun hatte. Da hatte ich das Gefühl, dass ich auf den Händen genauso den Kot hatte. So ging es Woche für Woche und so ähnlich geht es noch heute, immer diese Angst vor Würmern, sodass ich meinen Unterleib täglich waschen muss, dann die Hände übertrieben usw.“

36.-41. Sitzung (29.01. – 14.02.1969)

Das Thema von der Angst vor den Würmern nimmt weiterhin breiten Raum ein. Im Gesamten der Zwangshandlungen ist aber eine bedeutende Besserung eingetreten. Das Händewaschen ist bis auf 5 bis 20 Minuten reduziert. Lea kann bereits eine Wurst auf­schneiden und etwas kochen, wenngleich ihr das Berühren von Eiern aus Angst vor Kot noch die größten Schwierigkeiten bereitet. Besonders ist auch hervorzuheben, dass sie nun mit ihrem Mann regelmäßigen Verkehr hat, wenngleich die Angst vor dem Kot, vor allem vor Sekretionen der Geschlechtsteile, noch sehr stark ist. Aus diesem Grunde wäscht sich Lea jeden Tag peinlichst genau den Unterleib. Im Gespräch kommt nun das Kind immer wieder in den Mittelpunkt, über das sie anfangs keine Zeit verlor. Auch ihre Schwester, bei der ihr Kind seit dem 6. oder 7. Monat ist, taucht nun langsam im Gespräch auf.

„Ich habe das Kind 6-7 Wochen gestillt und habe fast nichts gegessen. Ich habe nur mehr Milch getrunken. Erstens habe ich keinen Appetit gehabt und zweitens habe ich es zeitmäßig nicht mehr auf die Reihe gebracht. Ich habe durch diese Zustände einfach nicht mehr die Zeit gefunden, dass ich für mich etwas gekocht hätte. Appetit habe ich sehr wenig gehabt und Nacht habe ich praktisch auch keine mehr gehabt, da ich immer mit der Kleinen zu tun hatte. Ich war aber untertags nicht müde. Schließlich wollte ich das Kind zu meiner Schwester geben. Doch da habe ich erfahren, dass die Kleine von meiner Schwester auch die Maden gehabt hat. Aus diesem Grund wollte ich meine Schwester nicht mehr besuchen und ihr auch die Kleine nicht mehr bringen. Das Kind hat ja niemand angreifen dürfen. Wenn ich wusste, dass die Tochter meiner Schwester auf Besuch kam, dann sorgte ich dafür, dass sie das Kind nicht angriff. Wenn sie es angegriffen hätte, dann weiß ich nicht, was ich getan hätte. Nach der Geburt sind zuerst kleinere Depressionen aufgetreten, die sich dann immer mehr verstärkt haben, bis zu diesem furchtbaren Zustand.“

42.-43 Sitzung (17.02. und 19.02.1969)

Die Gespräche dieser beiden Sitzungen befassten sich besonders mit ihrer älteren Schwester, bei der sie 3-4 Wochen war, als ihr Kind 7 oder 8 Wochen alt war. Diese Schwester hat nach dem Tod ihrer Mutter bis zu Leas Heirat die Mutterstelle übernommen, die jetzt in der Krankheit wieder besonders zur Geltung kommt. Die Schwester ist nun schon lange wieder die Zufluchtsstätte von Lea. „Damals als die Kleine 7-8 Wochen alt war, habe ich sie 2-3 Wochen zur Schwester gegeben. Ich habe mich bei der Schwester auch schnell überwunden. Bei ihr war das immer so: Ich hatte vorher immer Angst. Hatte ich das dann überwunden und war ich längere Zeit bei ihr, dann war ich schon ruhiger. Da habe ich gesehen, dass nichts passiert, da war ich schon ruhiger. Dann war aber wieder die Umstellung – allein daheim.“

Resch: Allein daheim.

„Ich habe immer nur geputzt und bin zu nichts mehr gekommen. Gott sei Dank hat das Kind noch viel geschlafen. Eines Abend, ich kann mich noch genau erinnern, sagte schließlich mein Mann. ‚So, die Anna will, dass Du mit dem Kind zu ihr hinausgehst, denn du kannst es nicht mehr schaffen, du isst nicht und du bist ganz herunten.‘ Das hat auch mein Arzt damals gesagt. Richtig heruntergekommen bin ich aber erst als die Kleine ca. 1 Jahr alt war.“

44.-46. Sitzung (21.02.-26.02.1969)

Im Zusammenhang mit dem Gespräch über die Schwester, bei der sich Lea seit der Übersiedlung des Kindes tagsüber fast ständig aufhält und die sie als eine „sehr gute Haut“ bezeichnet, obwohl sie mit ihr immer wieder streitet, wenn die Schwester bei dem ständigen Fragen und Jammern einmal ein kräftiges Wort gebraucht, kommt Lea wieder auf die Geschichte ihrer Krankheit zu sprechen. Zunächst ging sie zu einem Heilpraktiker, der ihr sagte, dass es ihr an der Schilddrüse fehle, woraufhin sie zu einer gründlichen Untersuchung in die Klinik ging, wo eine Überfunktion der Schilddrüse festgestellt wurde. Im Anschluss an eine neuerliche Untersuchung in der Isoto­pen-Ambulanz wurde sie am 29. September 1967 in die Nervenklinik aufgenommen und schließlich nach sechs Monaten nach einer vielversprechenden medikamentösen Behandlung entlassen.

„Als ich aus der Klinik entlassen wurde, war die Neurose teilweise besser, vor allem habe ich es als erleichternd empfunden, dass die Depressionen nicht mehr so stark waren, und teilweise war ich sogar ganz frei davon. Dann ist es aber bald wieder schlechter geworden. Die verschriebenen Tropfen haben mir nur zwei bis drei Stunden Erleichterung gebracht. In diesen Stunden habe ich mich wirklich vollkommen gesund gefühlt, ich habe oft direkt wieder lachen können, habe auch meine Arbeit leicht machen können, es war so, als wenn ich gar nicht krank wäre. Kaum hatte aber die Wirkung nachgelassen, kam das Ganze doppelt oder dreifach wieder über mich. Die Neurose war zweimal so stark und die Depressionen waren derartig, dass ich mich nicht mehr gefangen habe. Heute ist dies schon bedeutend besser und es muss noch besser werden.“

 47.-51. Sitzung (22.03.-11.04.1969)

In diesen Sitzungen kam Lea erstmals auf die therapeutische Behandlung selbst zu sprechen und es bahnte sich nun langsam ein lebensgeschichtliches Verständnis ihrer Zwangshandlungen an.

„Ich wollte zunächst nicht in die Behandlung kommen, weil Sie dann erfahren würden, dass ich in der Kindheit diese Zwangsvorstellungen wegen des 6. Gebotes gehabt habe. Also, wenn ich beichten gegangen bin, dann habe ich sofort wieder Skrupel gehabt.“

Resch: Das war?

„Das war bei der Firmung. Ich kann mich deshalb noch genau erin­nern, also mit 13 Jahren. Da ist die Mama gestorben und da habe ich diese Skrupel mit dem Beichten gehabt. Ja, in der Kindheit habe ich das ca. von 11-13 Jahren gehabt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich damals, weil ich gefirmt worden bin, am Tag vorher gebeichtet habe. Da waren so viele Kinder und ich bin da zwei Stunden gestanden und habe immer welche vorgelassen, weil ich immer über das 6. Gebot nachgedacht habe. Es waren die Doktorspiele und das mit der Selbstbefriedigung. Ob das damals schon so stark war, das kann ich nicht sagen.“

Resch: Haben Sie Angst gehabt?

„Ich kann mich nur erinnern, dass ich Hände gewaschen habe und diesen Beichtfimmel hatte. Vor allem, wenn ich als Buße ein Vaterunser beten sollte, dann habe ich nicht ein Vaterunser gebetet, sondern zwanzig, weil ich mir immer wieder eingebildet habe, jetzt habe ich wieder ein Bild vor mir gehabt, wo ich den Herrgott vor mir gesehen habe mit den Geschlechtsteilen, also wurde das Vaterunser noch einmal gebetet, und zwar solange bis ich das Gefühl hatte, so jetzt habe ich es richtig gebetet, jetzt habe ich Ruhe, dann war der Zwang weg. Also, am Tag vor der Firmung war ich beichten und am nächsten Tag in der Früh hat es mich wieder gedrückt. Wahrscheinlich habe ich wieder solche Vorstellungen gehabt. Da wollte ich nun unbedingt beichten. Schließlich ging ich zur Firmung vor und sagte, ich lasse mich nicht firmen, ich muss vorher noch einmal beichten gehen. Dann bin ich in die Sakristei. Der Priester hat mich angehört und hat dann gesagt: Liebes Kind, das sind doch keine Sünden! Ich war dadurch beruhigt und bin zur Firmung gegangen. Das war aber praktisch schon ein Zwang. Das habe ich von 12-13 Jahren, vielleicht noch etwas länger, gehabt und dann war es über Nacht weg, so wie es gekommen ist.“

52.-70. Sitzung (14.04.-09.06.1969)

Den Bericht über diese Sitzungen will ich in einer Zusammenfassung bringen, die im Laufe dieser Zeit von Lea selbst er­stellt wurde, gleichsam als Beweis ihrer Unschuld ihrem Mann gegenüber, der nun, für sie ganz unerwartet, mit der Scheidung drohte. In Wirklichkeit hat sich ihr Mann bereits vor Behandlungsbeginn nicht mehr um sie gekümmert, was schon rein daraus zu ersehen war, dass er nur gezwungenermaßen zu Besprechungen kam und für die Behandlung nichts bezahlte. Dieses Geld erhielt Lea von ihrer Familie. Lea aber hing völlig blind an ihrem Mann und war daher von dieser Nachricht vollkommen schockiert, sodass zunächst wieder eine Verschlechterung ihres Zustandes eintrat.

In den folgenden Analysestunden befasste sich Lea ausschließ­lich mit einer Zusammenfassung ihres Krankheitsbildes, wozu sie in jede Stunde eine kurze schriftliche Vorlage mitbrachte, um so für den Verteidiger die nötigen Unterlagen zu erstellen. War es vorher unmöglich, sie zu irgendwelcher Niederschrift oder Protokollierung zu bringen, so konnte man sich jetzt der vielen Aufzeichnungen nicht mehr erwehren. Man kann diese Analysestun­den nicht mehr sosehr als freie, sondern muss sie vielmehr als gezielte Assoziation bezeichnen, da Lea nicht nur die gemachten Notizen nicht mehr aus der Hand gab, sondern alles auf ihre Verteidigung hin ausrichtete. Dieses intensive Befassen mit der Neurose-Thematik hat in ihr große Energien mobili­siert, sodass nicht nur die Depressionen zunehmend verschwanden, sondern auch die einzelnen Zwangshandlungen zum Teil völlig aufhörten, wobei dieser Bericht auch schon zeigt, wie sehr sie bereits über der Sache stand. Vor allem hat sie sich immer mehr zu der Erkenntnis durchgerungen, dass die Angst vor Warzen, Kot, Schmutz, Würmern und Ausländern mit ihrem Zwiespalt zwischen Sexualverhalten und Gewissensstrenge sowie ihrer Verantwortungsflucht und ihrem Pflichtbewusstsein zusammenhing. Die Würmer ent­puppten sich, wie die Warzen, als Symbol des männlichen Gliedes und die Ohnmacht, das jetzige Kind zu pflegen, hielt sie von einem zweiten Kind vollkommen ab. Im Grunde aber fühlte sie sich, wie aus dem Schluss des Sitzungsberichts klar er­sichtlich ist, vollkommen ausgenützt, weil der  Mann  bei ihr nur das Sexuelle suchte. Bei den anderen Bekanntschaften war es nicht viel anders.

Krankheitsbild und Heilungsverlauf

Als für Lea gegen Ende der Sitzungen das freie Gespräch über ihre Störungen immer offener wurde, ersuchte ich sie, zur Kontrolle und Vertiefung ihrer erworbenen Zwangsfreiheit das gesamte Krankheitsbild vor und nach dem Klinikaufenthalt thematisch niederzuschreiben, um durch diese offene Begegnung mit den erlebten Ängsten eine bewusste Aufarbeitung der Krankheitsgeschichte sicherzustellen. Wie die folgenden Ausführungen zeigen, konnte sie dies angstfrei bewältigen.

Panische Angst vor Hunden (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte sogar Angst, wenn jemand einen Hund berührte und dann von mir etwas berührte, ohne sich vorher die Hände zu waschen. Hunde haben eine feuchte Schnauze, ich hatte Angst durch Berührung, Würmer zu bekommen. Wenn ein Hund an mir streif­te, z.B. am Mantel, an den Schuhen usw., getraute ich mich die­se Kleidungsstücke nicht mehr anzugreifen. Ich hatte schon Angst, wenn ein Hund nur einen halben Meter neben mir stand oder mich gar beschnupperte, ich wusste mir dann vor Angst keinen Ausweg mehr. Panische Angst und seelische Depressionen stiegen in mir hoch. Ich weinte sogar vor Angst und beruhigte mich erst nach stundenlangem Zureden meiner Schwester. Durch die psychologische Beratung besserte sich jedoch der Zustand.“

Angst vor Fliegen und Fliegenkot (nach der Klinik 1968/69)

„Ich getraute mich keine Fliege mehr anzugreifen. Ich hatte Angst, dass Fliegen auf Essensresten, Fleisch, Eiern usw. Eier legen, Maden und dann wieder Würmer daraus entstehen. Ich getraute mich nicht einmal eine tote Fliege anzugreifen. Fliegen bewegen sich auch auf Mist und ich hatte vor Kot panische Angst. Bügelte ich z.B. die Wäsche (diese hängt am Balkon, Fliegen kamen darauf) und es kam beim Bügeln eine Fliege zum Vorschein, so entfernte ich wohl die Fliege und wusch mir dann die Hände, hatte aber Angst, eine Fliege übersehen zu haben, und es könnte doch noch eine zwischen der sauberen Wäsche sein. Ich nahm ein gebügeltes Hemd z.B. dreimal auseinander, auch wieder aus Zwang, weil ich Angst hatte, ich könnte das ge­bügelte Hemd samt der Fliege in den Kasten legen. Ich hatte dabei den Gedanken, dass die Fliege auf dem Mist war und jetzt Eier auf die saubere Wäsche legt, die ich in den Kasten legen muss. Daraus entstehen wieder Würmer. Lampenschirme reinigte ich un­gern, weil ich Angst vor Fliegenkot hatte. Es war wieder der Zwang da, die Hände zu waschen, was mir schon zu anstrengend war.“

Angst vor Katzen (nach der Klinik 1968/69)

„Katzen haben eine feuchte Schnauze (Angst vor Würmern). Ich hatte damals Angst, Katzen zu berühren. Ich hatte vor Tieren überhaupt Angst, weil ich auch hauptsächlich Angst vor dem Kot und dem Schmutz der Tiere hatte, dann wieder vor den Fliegen, die darauf waren (Angst vor Würmern).“

Angst vor fremden Klosetts (nach der Klinik 1968/69)

„Ich ging auf kein fremdes Klosett mehr, ich hatte Angst, den Wasserhahn oder die Türklinke zu berühren. Kot von anderen Menschen könnte noch darauf sein und auf meine Hände kommen. Ich hatte dann einen furchtbaren Zwang, die Hände zu waschen. Das Klosett von Geschwistern, Verwandten oder Bekannten zu benützen, hatte ich keine Angst.“

Angst vor dem Klosett daheim (vor und nach der Klinik 1967 und 68/69)

„Ging ich am Morgen auf die große Seite, so hatte ich Angst, dass zwischen meinen Fingernägeln oder auf den Händen noch eigener Kot haftete. Ich hatte den furchtbaren Zwang, eine halbe Stunde lang die Hände zu waschen. Auch die Fingernägel bürstete ich später dann 20 Minuten lang. Ich bürstete sogar jeden Fingernagel einzeln, dann alle. Das Bürsten der Finger­nägel unterließ ich dann. Ich zählte beim Händewaschen und wusch diese immer nach einem gewissen Schema. Ich wusch die Hände aus Zwang bis zu den Oberarmen hinauf, so lange, bis ich das Ge­fühl hatte, dass ich vom Kot sauber bin. Erst dann getraute ich mich, Gegenstände wie Möbel, Geschirr, Kleider usw. anzugreifen. Sonst hätte ich Angst gehabt, durch Berührung sei Kot auf die Kleider und Möbel usw. gekommen. Fliegen kommen darauf und schon wieder stand die Angst vor Würmern vor mir. Beim Ab­trocknen der Arme bis zu den Oberarmen hinauf zählte ich im­mer. Ich hatte einen solchen Zwang, die Arme immer wieder abzutrocknen. Diese waren schon ganz rot vom Reiben, bis ich wahnsinnig Herzklopfen bekam. Diese Zwangshandlungen besserten sich durch die psychologische Beratung, von 1/2 Stunde Händewaschen kam ich sogar auf 5 Minuten herunter.“

Angst vor dem Kochen (nach der Klinik 1968/1969)

„Ich getraute mich kein Fleisch, keine Eier (Kot war auf Eiern) mehr anzugreifen. Ich hatte z.B. panische Angst, Fleisch zu­zubereiten. Durch das Berühren von Fleisch hatte ich feuchte Hände. Ich schwemmte mir die Hände ab. Trotzdem hatte ich immer noch Angst, Fleischreste oder Blutreste von meinen Händen auf die Küchenmöbel, Türklinken, Hauskleider usw. zu bringen, dies trocknet dann nicht ein, Fliegen kommen darauf und es entstehen schon wieder Würmer. Ich hatte überhaupt Angst, dass die ganzen Essens- und Kochreste nicht eintrocknen würden, des­halb wischte ich immer übertrieben Tische, Tischkanten und Kästen ab, um zu vermeiden, dass Fliegen daraufkommen könnten und wieder Würmer daraus entstehen. Ich hatte Angst, Kochreste, z.B. Knödelteig oder Schmarrnteig, auf die Möbel usw. zu bringen und diese trocknen dann nicht ein, deshalb das übertriebene Abputzen der Möbel (ich hatte Angst vor Fliegen). Ich schwemmte die Hände ab, hatte aber immer noch das Gefühl, es könnten noch Kochreste auf den Händen oder den Möbeln sein. Ich hatte den Zwang, die Hände noch einmal zu waschen und die Möbel über­trieben zu reinigen (z.B. den Tisch, die Anrichte, die Kanten zu putzen usw.).“

Angst vor Warzen (vor und nach der Klinik 1968/69)

„Berührte jemand einen Gegenstand von mir, der Warzen hatte, so berührte ich diesen Gegenstand nicht mehr. Ich hatte pani­sche Angst, sogar vor diesem toten Gegenstand, durch die Be­rührung Warzen zu bekommen. Ich berührte auch keine Halte­stangen in Autobussen mehr, wenn ich sah, dass jemand Warzen hatte. Jemandem die Hand zu geben, der Warzen hatte, brachte ich schwer übers Herz. Ich hatte dann einen entsetzlichen Waschzwang. Dieser Zwangszustand trat nach der Klinikbehandlung 1968/1969 wieder auf.“

Angst vor Randsteinen und Mauern (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst vor dem Urin der Hunde. Ich hatte Angst, an den Randsteinen mit den Kleidern und Taschen zu streifen.“

Angst vor dem Einkaufengehen (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst, Geld und Türklinken anzugreifen. Ich drehte mich im Geschäft dauernd um, weil ich Angst hatte, ein Hund könnte hereinkommen. Nach dem Einkaufen hatte ich einen großen Zwang, die Hände zu waschen.“

Angst vor Schmutz und Staub (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst, die Schuhe zu putzen (Angst, Kot und Staub von der Straße wären darauf). Hunde schnupperten an meinen Schuhen, ich hatte dann Angst, die Schuhe anzugreifen. Ich hatte Angst, bei Autos zu streifen, Koffer und Taschen auf den Boden zu stellen. Ich hatte besondere Angst, den Boden zu kehren und Teppiche zu reinigen. Ich hatte dann das Gefühl, dass ich von Kopf bis Fuß voller Staub wäre. Ich hätte mich dann am liebsten gebadet, die Haare gewaschen und die Kleider ausgestaubt. Ich zählte jeden Tag beim übertriebenen Bürsten der Haare und  beim übertriebenen Abputzen der Kleider. Gezählt habe ich bei den diversen Zwangshandlungen deshalb, weil ich damit einen Schlusspunkt für die jeweilige Zwangshandlung setzen wollte.“

Angst bei Leuten (vor und nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte besondere Angst bei Ausländern und Leuten, die schmutzige Kleider hatten, zu streifen. Darüber machte ich mir vor der Klinik überhaupt keine Gedanken und dieser Zustand besserte sich durch die psychologische Beratung. Bekannte Familien mit Kindern, bei denen ich annahm, dass sie Maden hätten, besuchte ich jetzt wieder ohne Angst, dieser Zwangs­zustand hatte sich nur durch die psychologische Beratung gebessert.“

Angst vor dem Friedhof (vor und nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst vor Leichenwägen, Mauern, Särgen und der Erde des Friedhofs. Dieser Zustand besserte sich durch die psychologische Beratung. Ich besuchte z.B. wieder ohne Angst das Grab meiner Mutter.“

Angst vor Abfällen (vor und nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst vor Abfällen, Schmutz und Würmern, die durch die Abfälle entstehen können. Wohnungsabfalleimer zu berühren, hatte ich hingegen aufgrund der psychologischen Beratung fast keine Angst mehr.“

Angst vor der Waschküche daheim (vor und nach der Klinik 1968/69)

„Der Kindertopf des Kindes, das in unserem Haus wohnte und angeblich auch Maden hatte, stand immer in der Waschküche. Ich hatte Angst vor diesen Maden. Obwohl diese Familie nicht mehr im Haus wohnt, habe ich immer noch Angst vor dem Boden der Waschküche. Ich hatte Angst, die Waschmaschine zu putzen, der Putzlappen könnte beim Abputzen der Maschine auf dem Bo­den streifen. (Ich hatte Angst vor den Maden und wieder den Zwang, Hände und Arme zu waschen.) Ich war körperlich sehr schwach, es war sehr schwer für mich, die nasse Wäsche vom oberen Stock zur Waschküche und umgekehrt zu tragen.“

Angst, den Boden nass zu reinigen (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst, den Bodenlappen anzugreifen. Ich hatte Angst, Staub und Schmutz könnten auf dem Lappen darauf sein; ich hatte wieder den Zwang, Hände und Arme zu waschen, deshalb machte ich alles mit dem Staubsauger.

Kleider ausstauben (vor und nach der Klinik 1968/69)

„Nach der Klinik begann ich wieder, Kleider auszustauben. Dies war eine große Qual für mich. Grund: die Kleider streifen am Boden (Angst vor Staub), streifen bei Hunden (Angst vor Würmern), sie streifen bei den Randsteinen (Angst vor dem Hundeurin); sie streifen bei Autos (Angst vor Staub), sie strei­fen bei Straßenabfalleimern (Angst vor Schmutz und Würmern); sie streifen bei diversen Leuten (Ausländern). Angst vor dem Sitzen in Omnibussen und Zügen (Angst vor Schmutz); Angst, Ausländer oder Leute mit schmutzigen Kleidern könnten vorher auf dem Sitz, den ich dann belegte, gesessen sein. Anstatt die Kleider auszustauben, lüftete ich die Kleider aus demselben Grund wie ich die Kleider ausgestaubt hatte. Diese Zwangshandlung unterließ ich ganz dank der psychologischen Beratung. Ich musste jeden Tag Kleider in den Kasten zu den sauberen Kleidern hängen, weil die Aufhängevorrichtungen sehr klein waren, und ich hatte einfach den Zwang, die Kleider, bevor ich sie in den Kasten hängte, zu lüften. Nach dem Lüften hatte ich dann das beruhigende Gefühl (der Zwang war weg), dass alles wie­der sauber war.“

Angst, Wäsche mit der Hand zu waschen (nach der Klinik 1968/69)

„Ich wusch alles immer übertrieben innen und außen, z.B. Strümpfe, Handschuhe, Wollsachen des Kindes usw. Dieser Zwang legte sich  aber durch die psychologische Beratung.“

Angst vor dem Geschirrwaschen (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst vor Abfällen, ich machte die Arbeit aus Zwang übertrieben und wusch auch nach dem Geschirrwaschen die Hände. Beim Abtrocknen hatte ich Angst, mit dem Geschirrtuch dauernd auf dem Boden oder auf den Hausschuhen zu streifen (Angst, Kot wäre auf den Hausschuhen). Ich habe mich später überwunden, obwohl dies sehr hart für mich war, und ich habe das Geschirr abgewaschen. Auch dieser Zustand legte sich durch die psychologische Beratung.“

Angst, die Möbel zu putzen (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst, dass der Putzlappen am Boden oder bei den Hausschuhen (mit den Hausschuhen war ich im Klosett, Angst, Kot wäre darauf) streifen könnte. Wenn ich sie putzte, machte ich durch Zwang alles in übertriebener Weise. Deshalb unterließ ich dann das Putzen der Küchenmöbel fast ganz. Tisch, Anrichte und Brunnen reinigte ich jeden Tag, die Sessel einmal in der Woche. Die Zimmermöbel reinigte ich auch jede Woche einmal.“

Unterleib gewaschen (vor und nach der Klinik 1967/68/69)

„Vor der Klinik habe ich den Unterleib fast normal gewaschen, nach der Klinik machte ich es jeden Tag, weil ich Angst hatte, dass noch Kotreste darauf wären. Nach der Unterleibswäsche hatte ich wiederum den Zwang, Hände und Arme noch einmal kurz zu waschen.“

Angst vor fremden Patienten (nach der Klinik 1968/69)

„Ich hatte Angst vor fremden Patienten, die vorher auf den Betten gelegen waren. Ich hatte Angst vor den Bazillen. Auch dieser Zustand besserte sich durch die psychologische Beratung.“

Angst beim Schwemmen der Wäsche mit der Hand (nach der Klinik 1968/69)

„Beim Schwemmen der Wäsche mit der Hand, z.B. bei Windeln, zählte ich auch immer bis zu einer bestimmten Zahl. Ich schwemmte diese dann oft aus Zwang ein zweites und drittes Mal. Diese Zwangshandlung legte sich durch die psychologische Beratung.“

Angst, frische Wäsche in den Kasten zu legen (nach der Klinik 1969)

„Frische Wäsche in den Kasten zu legen, war eine Qual für mich, weil ich immer Angst hatte, dass ich damit an meinen Hausschu­hen streifte (Angst vor Kot). Ich nahm dann ein Hemd einige Male heraus, tat es in den Kasten, hatte wieder den Zwang, es her­auszunehmen, und zählte dabei auch immer bis zu einer bestimm­ten Zahl. Dies machte ich so oft, bis ich das beruhigende Ge­fühl hatte, es richtig gemacht zu haben. Dieser Zustand trat erst in der letzten Zeit auf, als mein Mann von einer eventuel­len Trennung sprach.“

Angst, die Geldtasche in die Tasche zu geben (nach der Klinik 1969)

„Ich getraute mich nicht mehr, einkaufen zu gehen, wenn ich daran dachte, dass ich die Geldtasche aus der Tasche nehmen muss. Wenn ich dann die Geldtasche in die Tasche zurückgeben wollte, war es eine Qual für mich. Ich zählte immer bis zu einer be­stimmten Zahl, gab dann die Geldtasche in die Tasche, hatte Angst, dass ich mit der Geldtasche bei meinen Hausschuhen, Straßenschuhen (Kot wäre darauf) oder beim Lampenschirm streifte (Angst vor Fliegenkot). Ich hatte dann einen furchtbaren Zwang, die Geldtasche immer und immer wieder herauszunehmen und unter Zählen wieder hineinzugeben. Dies war eine Qual für mich. Ich stieg schon vor Nervosität von einem Fuß auf den anderen, weinte und wusste mir keinen Ausweg mehr. Einmal probierte ich volle zwei Stunden lang, die Geldtasche in die Tasche zu geben. Dies wiederholte ich dann auch wieder so lange, bis ich das beruhigende Gefühl hatte, die Geldtasche endlich richtig in die Tasche gegeben zu haben. Auch dieser Zustand trat erst in letzter Zeit auf, als mein Mann von einer eventuellen Trennung sprach und mir Vorwürfe wegen teurer Einkäufe machte.“

Angst, die Bügelwäsche in den Korb zu geben (nach der Klinik 1969)

„Ich zählte auch dabei immer und hatte Angst, mit der Wäsche bei meinen Hausschuhen zu streifen (Angst, Kot wäre darauf). Dasselbe war, wenn ich dann zum Schluss die Bügeldecke in den Wäschekorb gab. Da hatte ich dieselbe Angst, immer wieder bei meinen Hausschuhen zu streifen (Kot vom Klosett könnte darauf sein). Ich zählte wieder eine bestimmte Zahl, gab die Bügeldecke hinein, hatte den Zwang, diese wieder herauszunehmen, gab sie wieder hinein, bis ich das beruhigende Gefühl hatte, es end­lich richtig gemacht zu haben. Die Hausschürze hob ich hoch über dem Boden (Angst, am Boden oder an den Hausschuhen zu streifen), zählte, schlüpfte hinein, hatte Angst, dass ich doch am Boden usw. gestreift war, zog sie wieder aus, schlüpfte wieder hinein, und dies wiederholte ich so lange, bis der Zwang weg war und ich das Gefühl hatte, dass ich die Schürze, ohne am Boden oder bei den Haus­schuhen zu streifen, angezogen hatte. Dieser Zustand trat in letzter Zeit auf, als mein Mann von einer eventuellen Trennung sprach.“

Angst vor dem Unwohlsein (nach der Klinik 1965/69)

„Ich hatte Angst vor dem eigenen Blut. Ich hatte den Zwang, nach Unterleibswaschungen oder nach Entfernung der Binden die Hände und Arme übertrieben waschen zu müssen, weil ich Angst hatte, Blut könnte noch auf meinen Händen gewesen sein. Ohne die Hände zu waschen, hätte ich mich keinen Gegenstand mehr anzugreifen getraut. Gedanke: Blut kommt auf den Gegenstand, trocknet nicht ein, Fliegen kommen darauf, schon wieder entstehen Maden daraus. Deshalb der Zwang, die Hände zu waschen.“

Angst beim Kind (nach der Klinik 1968/69)

„Beim Kind hatte ich hauptsächlich Angst, es vom Kot zu reinigen, das Kind von den Kotwindeln zu reinigen und diese Kotwindeln dann auszuwaschen. Manchmal reinigte meine Schwester das Kind, ansonsten ich. Ich hatte dann halt wieder den Zwang, die Hände zu waschen, übertrieben zu waschen. Es kam dann eine Zeit, wo ich nicht mehr in der Lage war, das Kind vom Kot zu reinigen‚ solche Angst hatte ich. Durch die psycho­logische Beratung verlor ich die Angst und reinigte das Kind wieder, hatte jedoch auch den Zwang, hernach die Hände zu waschen.
Sonntagnachmittag nahmen wir das Kind in den letzten Mo­naten immer mit nach Hause. Obwohl ich Angst hatte, dass das Kind auf der Straße mit Hunden oder Katzen in Berührung kom­men könnte, ging ich viel mit ihm spazieren. Das sich diese Zustände sehr besserten, hatte ich der psychologischen Be­ratung zu verdanken.“

Angst im Sexuellen (vor, in und nach der Klinik )

„Ich hatte eine sehr schwere Entbindung und vor allem jetzt Angst vor einer zweiten Schwangerschaft. Wir waren uns als Ehepartner aber einig, dass im Sexuellen alles in Ordnung war und wir sehr gut harmonierten. Dies sagte auch mein Mann immer wieder zu mir. Nach sieben Monaten Klinikaufenthalt erklärte er von sich aus, dass er im Sexuellen Rücksicht auf mich nehmen wolle, weil ich körperlich noch sehr schwach war und dies vor allem für meine Nerven bzw. meine Zwangsneurose nicht gut sei. Dies fand ich sehr nett von meinem Mann, aber ich hatte meinen Mann zu lieb und es kam trotzdem immer wieder zu einer Vereinigung. Später bekam ich auf einmal einige Zeit Angst vor einer gegenseitigen Berührung (Berührung Unterleib) wegen möglicher Kotreste. Ich hatte nun Angst vor seinen Berührungen meiner Brust usw. Am nächsten Tag hatte ich dann den Zwang, hauptsächlich diese Körperteile übertrieben waschen zu müssen. Mein Mann erklärte sogar ein­mal vor meiner Schwester, dass bei uns in sexueller Hin­sicht alles in Ordnung sei. Ich konnte ihm in dieser Hinsicht auch wirklich nichts vorwerfen. Ich hatte diese Angst vor den Berührungen durch die psycholo­gischen Beratungen dann wieder ganz überwunden und habe voll und ganz wieder zu meinem Mann zurückgefunden, auch weil ich ihn wirklich aus ganzem Herzen lieb hatte. Er betonte auch ausdrücklich, dass ich jetzt wieder besser aussähe, dass ich mich wieder sehr gebessert hätte und er auch sonst mit mir zufrieden wäre.

Hatte ich jetzt auch manchmal das Gefühl, dass unser sexuelles Beisammensein von seiner Seite aus nicht mehr so herzlich war wie früher, zweifelte ich nie im Geringsten daran, dass er mich nicht mehr so lieb haben könnte wie anfangs oder dass er gar im Sinne habe, mich zu verlassen. Er sprach auf einmal öfters von einem eventuellen Auseinandergehen. Ich nahm es erst nicht ernst, weil mein Mann sich dann wieder so benahm, dass ich es nicht ernst nehmen konnte, und es kam auch immer wieder zu sexuellen Vereinigungen. Ich war dann einige Tage bei meinem Bruder. Ich hatte einfach keine Ruhe mehr. Ich sagte auch zu meinem Bruder und zu meiner Schwägerin, wenn mein Mann mich verlässt, nehme ich mir das Leben.

Mein Mann machte mir die Mitteilung, dass er mich endgültig verlassen wolle, als ich bei meinem Bruder war, und er warf mir jetzt vor, dass ich nur, um die Ehe zu retten, sexuell zu ihm zurückgefunden hätte. Das war nicht wahr. Ich habe es getan, weil ich die Angst vor den Berührungen wirklich von mir selbst aus und besonders durch die psychologischen Bera­tungen überwunden und zu ihm zurückgefunden hatte. Er warf mir auch vor, dass ich nie spontan von selbst zu ihm gekommen wäre. Das traf wohl manchmal in der Zeit zu, wo ich noch Angst vor Berührungen hatte, aber nicht vorher. Wenn es wirk­lich an mir lag, dass ich vielleicht nicht immer spontan von selbst zu meinem Mann kam, dann muss ich dazu sagen, dass ich das Empfinden hatte, mich als Frau vor meinem Mann zu erniedrigen. Er warf mir auch vor, dass es nicht zu viel wäre, wenn der Mann quasi alle 14 Tage einmal zu seiner Frau käme, was überhaupt nicht stimmte. Er sei selbst erschrocken, wie weit er sich von mir entfernt hätte, er könne ohne mich exi­stieren, er könne nicht mehr zu mir zurückfinden, er möchte mich nicht als Dulderin neben sich leben lassen und was ich davon hätte, sagte er auch, wenn er mit einer anderen Frau ins Bett gehen würde.

Obwohl er wörtlich zu mir sagte, dass er mich verlassen wolle, kam es noch einmal zu einer sexuellen Vereinigung, weil ich meinen Mann einfach gern hatte und ihn nicht verlieren wollte. Ich sagte dann auch zu ihm: ‚Hast Du mich auch wirklich noch ein bisschen lieb?‘ und er sagte: ,Ja, ich hab Dich noch immer gern!‘ Er sagte mir auch, dass er dieses letzte Bei­sammensein nie mehr vergessen werde, auch weil ich so verzwei­felt war. Ich sei so nett zu ihm gewesen und hätte ihm so leidgetan. Es war nicht genug, ich hatte meinen Mann einfach wahnsinnig gern und es kam noch einmal zu einem sexuellen Bei­sammensein.

Wir waren zu dieser Zeit getrennt. Ich wohnte bei meiner Schwester, er in unserer Wohnung daheim. Mein Mann machte mir also die Mitteilung, dass er mich endgültig verlassen wolle, als ich bei meinem Bruder war. Da ich Selbstmordabsichten äußerte, forderte mein Bruder meinen Mann auf: ,Pass auf die Lea auf, damit nichts passiert!‘ Diese Auf­forderung ignorierte er mit dem Satz: ,Dann kann man auch nichts machen.‘ Worauf mein Bruder sagte: ,Da kannst Du schon was machen. Du kannst die Tabletten wegräumen.‘ Nachdem mein Mann mich aufgefordert hatte, bei meinem Bruder zu bleiben, da es keinen Sinn mehr hätte, zu ihm zu fahren, ich aber trotzdem fuhr, informierte meine Schwägerin meine Schwester über diesen Vorfall und ersuchte Maßnahmen zu treffen, um einen eventuellen Selbstmord zu verhindern. Das war der Grund, weshalb ich bei meiner Schwester wohnte. Mein Mann sagte beim letzten Beisammensein, ich könne daheimbleiben und bei ihm schlafen, er sei mir auch nicht böse und es wäre vielleicht doch besser, wenn ich nicht daheimbliebe. Ich fragte dann meinen Mann: ,Wenn ich die ganze Woche bei Dir geblieben wäre, würdest Du dann bei mir bleiben?‘ Wo­rauf er sagte, dass dies keinen Sinn mehr hätte. Unter anderem sagte ich in meiner Verzweiflung auch später zu meinem Mann, dass er das doch nicht wegwerfen könne, dass wir oft in den drei Jahren unserer Ehe eins gewesen waren. Worauf mein Mann kalt mit der Schulter zuckte und mir zynisch vorwarf: ,Diese drei Jahre im Bett?‘ So quasi, ich hätte wohl keine Ahnung, was eine Frau in dieser Hinsicht einem Mann bieten könnte. Und diese Worte musste ich aus dem Munde meines geliebten Mannes hören, obwohl er mir kurz vorher noch gesagt hatte, dass es für beide Teile sehr schwer sei, auseinanderzugehen, obwohl er ausdrücklich betonte, er hänge immer noch an mir und an dem Kind, aber es müsse sein. Heute glaube ich zu wissen, warum mir mein Mann diese Vorwürfe machte. Ich brauche mich nur zurückerinnern, was mir mein Mann nach der Ehe alles von seinem Vorleben erzählte. Ich kann daher nur annehmen, dass mein Mann mit mir, mit einer sexuell normal veranlagten Frau, nicht zufrieden war und wahrschein­lich wieder sein Vorleben vor Augen hatte.“

Katamnese

Am 5. Oktober 1970 kam Lea zwecks Abfassung eines Abschlussberichts ihrer Krankheit, also einer Katamnese, noch einmal zu mir, um sich abschließenden Fragen zu stellen.

Resch: Lea, heute haben wir den 5. Oktober 1970. Der Abschluss der Behandlung liegt schon über ein halbes Jahr zurück. Sie haben inzwischen das Kind zu sich genommen?

Lea: Ja, das Kind ist seit Oktober vorigen Jahres bei mir. Ich habe halt probiert und ich muss sagen, dass es eigentlich recht gut gegangen ist. Wenn ich das Kind jetzt z.B. ein oder zwei Tage wegen Wohnungsangelegenhei­ten und dergleichen bei meiner Schwester habe, so kommt mir vor, dass es kein Leben ist, so al­lein daheim zu sein. Ich hänge eben sehr an dem Kind; natür­lich hänge ich auch immer noch sehr an meinem Mann und ich bin eigentlich davon überzeugt, dass ich viel ruhiger wäre, vielleicht seelisch vollkommen ausgeglichen, wenn ich noch mit meinem Mann beisammen wäre. Auf der anderen Seite, wenn ich dann wieder schlechtere Tage habe und sich die Neurose doch wieder irgendwie bemerkbar macht, kommt mir wieder vor, ich würde es doch nicht schaffen, es ist besser so, dass es auseinandergegangen ist, denn so kann ich eigentlich mein Leben gestalten, wie ich es mit dem Kind haben will. Wenn ich verheiratet wäre, dann wäre ich eben gebunden.

Resch: Und wie ist es mit der Angst? Sie haben ja mit ver­schiedenen Formen der Angst zu tun gehabt. Darauf möchte ich aber im Einzelnen näher eingehen.

Angst vor Hunden

Resch: Wie steht es jetzt mit der Angst vor Hunden?

Lea: Ja, sagen wir, ich sehe es heute noch nicht gerne, wenn mich ein Hund beschnuppert.

Resch: Stört es Sie noch sehr?

Lea: Nein. Früher brauchte ich nur einen Hund auf der Straße zu sehen, so stiegen bei mir schon seelische Depressionen auf, die überhaupt nicht mehr zu unterdrücken waren. Jetzt können zehn Hunde an mir vorübergehen. Wenn sie mich nicht berühren, dann macht es mir überhaupt nichts aus.

Angst vor Fliegenkot

Resch: Wie ist es mit dem Fliegenkot?

Lea: Ich würde mir halt ganz kurz die Hände waschen und aus.

Angst vor Katzen

Resch: Sie haben auch Angst vor Katzen gehabt?

Lea: Ja. Ich war jetzt ein paar Tage mit dem Kind und meiner Schwester in Südtirol und da hat das Kind den ganzen Tag eine Katze im Arm gehabt. Da habe ich mir gedacht, das ist gut, sie soll mit der Katze spielen.

Resch: Können heute auch Sie eine Katze anfassen?

Lea: Das hängt ganz davon ab, in welcher Stimmung ich bin, ob ich seelisch noch ein wenig unter Druck stehe oder ob ich mich frei fühle. Eine Katze zu streicheln, das würde mir nicht viel oder fast gar nichts mehr ausmachen.

Angst vor Klosetts

Resch: Können Sie ein fremdes Klosett benützen?

Lea: Ich benütze es, aber nicht gern.

Resch: Sie hatten auch Angst vor dem Klosett daheim?

Lea: Diese Angst, die ich hatte, die ist überhaupt bei allem, was ich erzählt habe, nicht mehr da. Ich spüre sie nur etwas. Daheim macht es mir nichts aus, wenn ich mit dem Papier die Klobrille abputze. Das hätte ich früher überhaupt nie getan.

Angst vor dem Kochen

Resch: Die Angst vor dem Kochen?

Lea: Na, beim Fleisch hängt es schon noch ein bisschen, aber im Grunde genommen macht es mir nichts. Es ist, wie ich gesagt habe, alles ganz anders. Ich betrachte alles wieder fast von einem gesunden Standpunkt aus.

Angst vor Warzen

Resch: Wie steht es mit der Angst vor Warzen?

Lea: Ich bin schon neben Leuten gesessen, die Warzen hatten – es waren Leute hinter mir z.B. im Omnibus, wie ich das schon beschrieben habe –, ich schaute die Warzen an und dachte mir dabei: in Gottes Namen, der hat Warzen, ich brauche sie ja nicht anzugreifen, und wenn man bei mir ankam, dann habe ich es auch überwunden. Nur wenn es bei meinem Chef wäre, da hätte ich nach wie vor Angst, da ist irgendwo ein Haken drin.

Angst vor Randsteinen und Mauern

Resch: Haben Sie noch Angst vor Randsteinen und Mauern?

Lea: Manche Mauern übersehe ich ganz und bei manchen gehe ich manchmal noch vorsichtig vorbei, aber nie so, wie es ge­wesen ist.

Angst vor dem Einkaufen

Resch: Fällt Ihnen das Einkaufen schwer?

Lea: Das macht mir überhaupt nichts mehr aus, ich gehe jeden Tag einkaufen.

Angst vor Schmutz und Staub

Resch: Die Angst vor Schmutz und Staub?

Lea: Vor Schmutz habe ich überhaupt keine Angst mehr. Staub habe ich nicht gerade gerne, aber ich mache es halt etwas reinlicher; vielleicht brauche ich immer längere Zeit, um etwas abzuputzen.

Angst vor Leuten

Resch: Und wie ist es mit der Angst vor Leuten?

Lea: Das macht mir gar nichts mehr, da können ruhig Aus­länder bei mir sitzen, das macht mir überhaupt nichts mehr.

Angst vor dem Friedhof

Resch: Die Angst vor dem Friedhof ?

Lea: Das macht mir auch nichts mehr aus. Es ist nicht gerade immer dasselbe Gefühl, aber ich gehe ruhig zu meiner Mama hinauf, auch mit dem Kind, und das kann ruhig auch auf das Grab hingreifen, das macht mir nichts aus.

Angst vor Mülleimern

Resch: Angst vor dem Berühren der Mülleimer und der Wohnungs­abfalleimer?

Lea: Eigentlich muss ich sagen, etwas Angst ist immer noch da, aber alles in allem ist es so, dass ich es selber machen kann, auch dass ich sie berühren kann und dass ich hernach nicht stun­denlang Hände waschen muss, wie das früher der Fall war. Ich gehe mir hernach ganz normal die Hände waschen.

Angst vor der Waschküche

Resch: Haben Sie Angst vor der Waschküche daheim?

Lea: Es ist auch noch eine gewisse Angst da. Wenn ich jetzt dann eine eigene Wohnung bekomme und die Waschmaschine im Bad stehen wird und ich nur hinauszugehen brauche, um sie einzuschalten, dann bin ich überzeugt, dass ich überhaupt keine Angst mehr haben werde; wovor soll ich da noch Angst haben?

Angst, den Boden zu reinigen

Resch: Wie steht es mit der Angst, den Boden zu reinigen?

Lea: Das macht mir gar nichts.

Angst, Kleider auszustauben

Resch: Stauben Sie noch so die Kleider aus?

Lea: Das habe ich überhaupt gelassen.

Angst vor Wäsche

Resch: Haben Sie Angst davor, die Wäsche mit der Hand zu waschen?

Lea: Das macht mir nichts, ich wasche jeden Tag oder jeden zweiten Tag für das Kind etwas aus.

Angst vor dem Geschirrwaschen

Resch: Flößt Ihnen das Geschirrwaschen Angst ein?

Lea: Ich denke überhaupt nicht mehr daran, das wasche ich jeden Tag.

Angst, die Möbel zu putzen

Resch: Haben Sie Angst, die Möbel zu putzen?

Lea: Ich wüsste nicht, warum ich Angst haben sollte. Ich wische halt ab; wie gesagt, ich mache halt alles viel genauer, irgend­wie steckt schon noch ein Zwang dahinter, aber richtige Angst, so wie es früher war, kenne ich nicht mehr.

Angst, den Unterleib zu waschen

Resch: Waschen Sie den Unterleib noch so außergewöhnlich?

Lea: Da wasche ich mich jeden Tag in der Früh und damit ist es erledigt.

Resch: Nicht mehr so pedantisch wie früher?

Lea: Ich wasche mich eigentlich aus dem Grund, weil es irgendwie mit dem Kot zusammenhängt. Ich wasche mir hernach die Hände, aber so wie früher die Nägel bürsten, das gibt es nicht mehr. Ich wasche mir die Hände nachher ab und aus!

Angst vor fremden Betten

Resch: Wie steht es mit der Angst vor fremden Betten in Kliniken und bei Ärzten?

Lea: Na, das würde mir nichts ausmachen, da lege ich mich hinein.

Resch: Wenn Sie zur Untersuchung gehen müssten?

Lea: Das würde mir nichts mehr ausmachen.

Angst vor dem Schwemmen der Wäsche

Resch: Wie geht es mit dem Schwemmen der Wäsche mit der Hand?

Lea: Da habe ich früher oft gezählt. Das war sehr hart. Oft war ich schon beim Aufhängen, als ich die Wäsche wieder zurück­gab. Das mache ich heute nicht mehr. Ich zähle schon noch bis zu einer Zahl, z.B. bis 6, dann setze ich mir den Schlusspunkt und dann ist es aus. Das bringe ich jetzt zusammen, da wird die Wäsche einfach fertig geschwemmt und aufgehängt.

Resch: Also zählen tun sie noch?

Lea: Ja.

Resch: Haben Sie Angst, Wäsche in den Kasten zu legen?

Lea: Kommt auch vor, dass ich manchmal etwas zögere oder dass ich genauer bin, aber alles in allem ist es ganz anders als früher.

Angst, die Geldtasche in die Tasche zu geben

Resch: Wie steht es mit der Angst, die Geldtasche in die Tasche zu geben?

Lea: Das habe ich überhaupt total gelassen.

Angst, die Bügelwäsche in den Korb zu geben

Resch: Haben Sie Angst, die Bügelwäsche in den Korb zu geben?

Lea (lächelt): Das gibt es nicht mehr.

Angst beim Kind

Resch: Wie geht es mit dem Kind?

Lea: Angst, muss ich sagen, ist überhaupt keine mehr da. Ich reinige das Kind vom Kot, weil ich es eben tun muss. Ich muss es ja tun, wer soll es tun?! Ich tue es vielleicht nicht gerade gern, und zwar aus dem Grund nicht gern, weil ich mir hernach halt noch einmal die Hände waschen muss, sonst würde es mir überhaupt nichts ausmachen. Gut, ich wasche mir nachher die Hände und bürste mir die Nägel. Das ist das Einzige, was mich daran ärgert, aber das Kind reinigen, das macht mir überhaupt nichts aus.

Angst im Sexuellen

Resch: Wie steht es mit der Angst im Sexuellen?

Lea: Da muss ich bemerken, dass ich erstens einmal überhaupt keinen Kontakt mit irgendeinem Menschen und meinem Mann auf­nehmen möchte, weil ich einfach Angst habe, dass ich wieder ein Kind bekomme und das könnte ich mir ja gesundheitlich und auch sonst nicht leisten. Vor allem stehe ich auf dem Stand­punkt, dass man dazu einen Menschen sehr gern haben muss. Wenn ich z.B. mit meinem Mann zusammen wäre, so bin ich überzeugt, dass ich überhaupt keine Angst mehr hätte. Wenn ich mit irgendjemandem beisammen sein müsste, das könnte ich nicht zusammen­bringen.

Schlussbemerkung

Wie aus der vorausgegangenen Katamnese ersichtlich ist, steht Lea mittlerweile voll im Leben, wenngleich sie in manchen Situationen, besonders bei seelischem Tiefgang, leichte anankastische Züge aufweist. In wenigen Wochen kann Lea eine eigene Wohnung be­ziehen und will dann ganztägig eine Arbeit aufnehmen. Das Kind kann zur Arbeitszeit ohne Schwierigkeit bei der Schwester bleiben.

So darf man abschließend sagen, dass es hier gelungen ist, in verhältnismäßig kurzer Zeit eine schwere Zwangsneurose völlig zu heilen, und zwar auf dem Weg einer personalistischen Analyse. Dabei muss ich hinzufügen, dass die einzelnen Sitzungen dann am erfolgreichsten waren, wenn ich als Therapeut eine auch gefühlsmäßig positive Einstellung zu Lea hatte, sodass Lea das sichere Gefühl des Angenommenseins haben konnte.

Es kommt bei der Psychotherapie nicht so sehr auf die Technik als auf den personalen Bezug an, der Bindung und Freiheit gleichermaßen beinhaltet. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass ich nach jeder Sitzung völlig verausgabt war, körperlich und seelisch, obwohl es sich nur um ein assoziatives Gespräch handelte. Dieses muss von einem emotionalen bioenergetischen Wechselfeld getragen werden. Nicht die Worte lösen die Verkrampfungen, sondern die Verkrampfungen lösen sich im bioenergetischen psychischen Feld, das entspannend wirkt.

Resch, Andreas: Der Fall Lea. Heilung einer Neurose, in: Andreas Resch: Heilen. Formen und Perspektiven. Innsbruck: Resch, 2015 (Reihe R; 9), S. 100-144.