Resch: Gabriele Amorth (1925-2016)

Am 16. September 2016 starb in Rom im Alter von 93 Jahren der weltbekannte Exorzist P. Gabriele Amorth. Er gehörte mit dem Passionistenpater Candido Amantini, seinem Lehrer, zu den Pionieren des Exorzismus der letzten Jahrzehnte. Dabei hat vor allem Amorth seine persönlichen Vorstellungen und Erfahrungen zum Exorzismus in zahlreichen Veröffentlichungen festgehalten, weshalb hier ausführlicher darauf eingegangen werden soll.

LEBEN UND AUSBILDUNG

Um den internationalen Ruf von P. Gabriele Amorth richtig einordnen zu können, ist es notwendig, sein Leben, seine Ausbildung und seine Berufung kurz zu beleuchten, um dann auf seine Ausführungen zum Exorzismus und seine Erfahrungen als Exorzist näher einzugehen.

Leben

Gabriele Amorth wurde am 1. Mai 1925 in Modena, Italien, in einer sehr gläubigen Familie mit starker Bindung an die Katholische Aktion geboren. Er hatte fünf Brüder. Als Kind wurde er der Großmutter väterlicherseits anvertraut. Mit fünf Jahren empfing er die Erstkommunion und diente von da an als Ministrant in der Pfarrkirche. Von der Familie und der Katholischen Aktion der Pfarrgemeinde erhielt er seine religiöse Bildung.

Abb. 1: Don Giacomo Alberione

Bereits mit 14 Jahren begann er über den Priesterberuf nachzudenken. Dabei verschaffte ihm ein glücklicher Zufall  die Gelegenheit, mit Don Giacomo Alberione (Abb. 1), dem Gründer der Gesellschaft vom Heiligen Paulus, zusammenzutreffen, der ihm gleich den Eintritt in die Gesellschaft empfahl, was jedoch noch etwas dauern sollte. Es kam der Krieg und Gabriele wurde mit seinen vier Brüdern zum Heer einberufen. Dort wurde er Hauptmann, kämpfte als Partisan in der Widerstandsbewegung und erhielt für seine soldatische Leistung die Tapferkeitsmedaille. Nach dem Krieg wollte er seine Eltern nicht im Stich lassen und entschied sich für das Studium der Jurisprudenz, nachdem zwei Brüder darin schon promoviert hatten.

Politik

Mit 22 Jahren erhielt Amorth das Doktorat, trat in die christliche Partei Democrazia Cristiana ein und gründete in seinem Umfeld mehrere Sektionen. Er stand dabei in Verbindung mit der politischen Gruppe von Giorgio La Pira, Giuseppe Dossetti, Amintore Fanfani und Giuseppe Lazzati. Sehr bald wurde er Vizedelegierter der Christlich-Demokratischen Jugend und kam als solcher nach Rom, wo er mit Giulio Andreotti zusammenarbeitete. Da sich dieser ganz De Gasperi widmete, musste Amorth die gesamte Sekretariatsarbeit machen, sodass er die Jugendgruppen vernachlässigte. Als Andreotti als Untersekretär des Präsidentenamtes in die Regierung eintrat und er als sein Nachfolger nationaler Delegierter werden sollte, trat er von seinem Amt zurück und verließ die Politik.

Paulist

Da die Verbindung mit Don Alberione nie unterbrochen worden war, griff Amorth dessen Einladung wieder auf und trat der Gesellschaft vom Heiligen Paulus bei. Nach Absolvierung der vorgeschriebenen Studien wurde er 1954 zum Priester geweiht. Im Anschluss an die Priesterweihe arbeitete Amorth als Journalist und wurde Herausgeber der marianischen Monatsschrift Madre di Dio.

Berufung zum Exorzisten

Abb. 2: P. Candido Amantini CP

1986 wurde Pater Amorth zum Exorzisten von Rom ernannt. Diese Ernennung kam für ihn völlig überraschend. Es begann bei einer Zusammenkunft mit dem damaligen Vikar des Papstes für die Stadt Rom, Kardinal Ugo Poletti. Der Kardinal kam dabei auch auf einen gemeinsamen Bekannten, den Passionistenpater  zu sprechen. P. Candido Amantini (Abb. 2) war damals der berühmteste Exorzist in Rom und hatte eine 36-jährige Erfahrung. Kardinal Poletti packte die Gelegenheit gleich beim Schopf und sagte zu P. Amorth: ,,Sie sind ein Freund von P. Candido und wissen gewiss, dass er alt ist und einer Hilfe bedarf. Ich verleihe Ihnen daher das Recht zu exorzieren.“

EXORZIST

So wurde Pater Amorth nach einer Ausbildung bei dem langjährigen Exorzisten der Heiligen Stiege in Rom, P. Candido Amantini, zum ständigen Exorzisten von Rom.

Eine schwierige Aufgabe

Amorth war sich wohl bewusst, dass die biblischen Aussagen vom Teufel und der Teufelsaustreibung (= Exorzismus, von griech. orkos = Eid, Schwur) für das moderne Denken kaum mehr Gültigkeit hatten. Zudem brachten Berichte über selbsternannte Exorzisten die katholische Kirche in ein schiefes Licht, erlebte doch die okkulte Welle reichen Zulauf. So wenden sich ca. 12 Millionen Italiener an Kartenleser, Zauberer, Hexer, satanische Sekten usw., zahlen bis zu 100 Euro für eine Beratung und über 1000 Euro für eine Behexung. Es ist dies ein Riesengeschäft, was nach Amorth damit zusammenhängt, dass wenn der echte Glaube abnimmt, der Aberglaube auch unter gebildeten Leuten zunimmt. Heute existieren in Rom über 100 satanische Sekten.
Auf kirchlicher Seite wurden die Exorzismen in den letzten 200 Jahren auf ein absolutes Minimum reduziert. So gibt es nach Amorth Bischöfe und Priester, welche die Traktate über die Dämonologie nicht studiert haben und sich folglich in der Materie auch nicht auskennen. Viele von ihnen sind nie mit Besessenen oder mit Exorzismen in Kontakt gekommen. Außerdem sind sie von Theorien gewisser Exegeten und Theologen beeinflusst, die sogar die im Evangelium berichteten Teufelsaustreibungen Christi anzweifeln. Sie glauben zwar theoretisch an den Teufel, verneinen aber seine praktische Wirksamkeit.
Amorth schätzte, dass 99% der Bischöfe nicht mehr an das außerordentliche Wirken des Teufels glauben. Ihm zufolge verbietet das neue Rituale den Exorzismus im Fall von Verfluchung. Diese Fälle betreffen jedoch mehr als 90% aller Fälle teuflischer Verseuchung. Nach dem neuen Rituale also dürfte man bei solchen Fällen nie einen Exorzismus durchführen! Diese liturgischen Neuregelungen gehen laut Amorth von der Auffassung aus, dass die Kirche sich viele Jahrhunderte lang getäuscht hat. Satan ist nach Amorth jedoch überall und er kann ungehindert arbeiten, denn die ihn am wenigsten daran hindern, seien gerade die Priester.

Das Wirkungsfeld Satans

Die vorrangige Aktivität Satans besteht nach Amorth darin, den Menschen zum Bösen zu verführen, mit der Absicht, ihn von Gott zu entfernen. Deshalb genügt es nicht, nur „an Gott zu glauben“ – wie es in der Tat 90% der Italiener tun – , sondern es ist notwendig, den Willen Gottes zu erfüllen. Im Einzelnen führt Amorth folgende Hauptaktivitäten Satans an:
Besitzergreifung:
Der Teufel kommt in den menschlichen Körper und äußert sich durch Gesten und Worte. Er kann aber nicht die Seele in Besitz nehmen.
Schikanen:
Der Teufel fügt einer Person Leiden und Flüche zu, wirkt auf deren Gesundheit, Zärtlichkeit und Arbeit ein. Derlei Fälle sind nicht leicht zu erkennen, da solche Übel auf indirekte Weise von Satan kommen, nicht offensichtlich, so dass man glaubt, sie seien natürlichen Ursprungs. Daher wenden sich betroffene Personen, die von Priestern und Bischöfen oft nicht verstanden werden, an Zauberer.
Besessenheit:
Bei der Besessenheit handelt es sich um Störungen, die dem Menschen zugefügt werden, seine innere Ausgeglichenheit, sein emotionales Gleichgewicht beeinträchtigen. Satan greift an und verursacht Verwirrung, Kummer und innere Qualen.
Verseuchung:
Unter Verseuchung versteht Amorth jene Bösartigkeiten, die Sachen und Tiere treffen. Der Katechismus der katholischen Kirche erklärt, dass man auch Exorzismen über Dinge (Nr. 1673) ausführen kann. In der Tat kommt es vor, dass man Häuser und Orte exorzieren muss. All diese besonderen Bösartigkeiten, die jedoch keine Macht über die Seele besitzen, empfängt man laut Amorth aus vier Gründen:
a) Aus freier Initiative des Teufels. Infolge der den Geschöpfen geschenkten Freiheit lässt Gott zu, dass Satan das Böse wirkt, auch wenn das Böse nicht der Wille Gottes ist. Viele Heilige waren von Besitzergreifung, Schikanen und Besessenheit betroffen und haben sich durch diese Prüfungen hindurch geheiligt, wie Pater Pio, der Pfarrer von Ars, die hl. Gemma Galgani.
b) Besuche gefährlicher Orte: Zauberer, Kartenleser, satanische Gruppen, spiritistische Sitzungen.
c) Verharren in schwerer Sünde. Mit der Zeit „verhärtet“ man sich in der Sünde und das Böse schlägt in uns tiefe Wurzeln.
d) Verfluchungen: Diese betreffen 90% der Fälle und hängen nicht von dem ab, den die Flüche treffen. „Verfluchung“ bedeutet Unheilbehaftung mit Hilfe des Teufels.

Vollmacht zur Teufelsaustreibung

Jesus hat die Macht der Teufelsaustreibung den Zwölf, dann 72 Jüngern verliehen; schließlich hat er diese auf alle Gläubigen ausgedehnt: „In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben“ (vgl. Mk 16,17).
Heute kann der sog. feierliche Exorzismus nur von einem durch seinen Bischof autorisierten Priester und nach Genehmigung des Ortsbischofs ausgeführt werden. Befreiungsgebete kann hingegen jeder Gläubige sprechen, für sich und für andere, ohne Erlaubnis des Bischofs, der nur die öffentliche Form verbieten kann oder den Ort, wo diese Gebete gesprochen werden.
Der Zweck der Befreiungsgebete kommt jenem des Exorzismus gleich, d.h., Satan zu vertreiben. Während jedoch der Exorzismus das offizielle und öffentliche Gebet im Namen der Kirche ist – und deshalb an sich wirksamer, bleibt das Befreiungsgebet immer ein privates Gebet, das allerdings in einigen Fällen große Wirksamkeit hat. So ist es zurzeit der hl. Katharina von Siena vorgekommen, dass ihr die schwierigsten Fälle von Besessenheit überlassen wurden. Und Katharina, die kein Priester war, sondern eine Heilige, hat die Befreiung erwirkt.
1990 stellte der Vatikan allen Bischofskonferenzen ein Dokument zu, worin die künftige Handhabung des Exorzismus beschrieben ist. Von einem Exorzisten wird vor allem verlangt, dass er zwischen Krankheit, Umsessenheit und Besessenheit unterscheiden kann.

Fragen an Amorth

Aufgrund seiner weltweiten Bekanntheit und seines sicheren Auftretens wurde Amorth vor allem in seinen letzten Jahren mit zahlreichen Fragen zu seiner Arbeit als Exorzist befragt. So wurde auch die Frage an ihn gestellt, warum in Italien über 300 Exorzisten operieren und sich z.B. in der Schweiz niemand darüber zu sprechen getraut. Darauf antwortete Amorth, dass nach den Hexenverfolgungen drei Jahrhunderte lang niemand mehr gewagt habe, einen Exorzismus zu praktizieren. Deutschsprachige Theologen hätten sogar angefangen, die von Jesus Christus berichteten Exorzismen zu leugnen, was Bischöfe und Priester zusätzlich entmutigt habe. In Italien habe dann 1972 die Rede von Papst Paul VI. zur Frage des Teufels das Eis gebrochen. Außerdem hätten seine, also Amorths, Bücher, Interviews und Fernsehauftritte viel bewegt. Die Hauptschwierigkeit bestehe darin, ein dämonisches von einem psychischen Leiden zu unterscheiden. Hier müsse man weit ausholen. In einigen Fällen könne beides im Spiel sein. Das bedeute, dass die Person sowohl den Exorzisten als auch den Psychiater brauche.

Der Exorzist Amorth

Sein Leben als Exorzist hat Gabriele Amorth (Abb. 3), den ich persönlich als energischen und aufgeschlossenen, vielseitig begabten und tiefgläubigen Ordensmann auf Tagungen und im Briefkontakt kennengelernt habe, in stets großer Verantwortung gestaltet.

Abb. 3: P. Gabriele Amorth (1925-2016)

Bei den konkreten Behandlungen befasste er sich zunächst mit der Person selbst, suchte dann nach verdächtigen Anzeichen von Besessenheit und fragte nach der Ursache der Beschwerden. Erzählte jemand, die Symptome seien nach einer spiritistischen Sitzung, nach dem Besuch bei einer satanischen Sekte, bei einem Magier oder Kartenleser aufgetreten, wurde er hellhörig. Auf Besessenheit deutet nach ihm auch, wenn jemand auf heilige Symbole allergisch reagiert, nicht mehr zur Messe gehen kann oder wenn er sich wütend auf dem Boden wälzt, sobald er gesegnet wird.
Ob jemand tatsächlich besessen ist, kann erst im Verlauf des Exorzismus herausgefunden werden. Vereinfachend können wir nach Amorth sagen, dass das offensichtlichste Symptom der Besessenheit die Abneigung gegen das Heilige ist. Wenn eine Person, obwohl sie es möchte, nicht zur hI. Messe gehen kann, wenn jemand auf heilige Bilder aggressiv reagiert, sind das erste Hinweise. Man kann eine Person laut Amorth auch testen, indem man ihr, ohne dass sie es weiß, einen Kaffee oder eine Suppe mit exorziertem Wasser zubereitet. Wenn die Person aufspringt oder die Speise ablehnt, besteht Verdacht auf Besessenheit. Oder man bereitet den Salat mit exorziertem Salz oder exorziertem Öl und prüft, ob die Person ausfällig wird und das Essen ablehnt. Ein anderer Hinweis kann eine medizinisch nicht diagnostizierbare Krankheit sein. Es kommt vor, dass bei einer Person nicht einmal der unmittelbare Effekt eines Medikaments eintritt. Man versucht z.B. einen Kranken mit hohen Dosen von Schlaftabletten zu beruhigen, ohne dass sich bei ihm eine Wirkung zeigt.
Ein Besessener hat laut Amorth nämlich eine doppelte Persönlichkeit. Die Normalpersönlichkeit schläft während des Exorzismus, weshalb sich ein Patient im Nachhinein an nichts erinnern kann. Den Dämon selbst lockte er mit Gebeten aus dem Patienten, der sich dessen Stimme und Körper bediente, und sprach mit ihm. Er fragte nach seinem Namen, wann und wie er in den Menschen geschlüpft sei und wann er wieder gehen wolle. Hat er das Opfer etwa auf Grund einer Verfluchung heimgesucht? All diese Fragen nützen der Befreiung. Er stellte sie jedoch nicht aus Neugier. Das war verboten.
Nach dem 1999 vom Vatikan herausgegebenen neuen Ritual für Teufelsaustreibungen sollen auch Psychiater hinzugezogen werden. Amorth befürwortete, wie gesagt, das Hinzuziehen eines Psychiaters, stand dem neuen Rituale aus den oben genannten Gründen jedoch ablehnend gegenüber und verwendete das alte Rituale aus dem Jahr 1614, was mit Erlaubnis des Bischofs gestattet ist.
Dennoch ist festzuhalten, dass der Exorzismus als Instrument zur Befreiung eines Menschen erst an siebter Stelle steht. Folgende Maßnahmen gehen ihm im Kampf gegen den Teufel voraus: Beichte, hl. Messe, Kommunion, eucharistische Anbetung, Psalmen und Rosenkranz.
Bei den Gebeten bediente sich Amorth, wie erwähnt, der lateinischen Gebete aus dem römischen Rituale von 1614, die alle darauf abzielen, Satan im Namen Christi zu vertreiben. Dabei reagierte der Leidende manchmal überhaupt nicht auf diese Gebete. In schwierigeren Fällen fiel er in Trance, sobald Amorth ihm die Hände auflegte. Danach erinnerte er sich nicht mehr an das, was sich zugetragen hatte. In anderen Fällen begann der Klient zu heulen und zu schreien, wehrte sich und schäumte. Dann brauchte es Gehilfen, die ihn festhielten. Oft traten seltsame Symptome, z.B. merkwürdige Formen von Epilepsie, auf, weil sich der Teufel zu verstecken suchte.
Letztlich kann aber nur der Exorzismus eine eindeutige Diagnose liefern. Deshalb ist es wichtig, die Reaktion einer Person während und nach dem Exorzismus zu beobachten. Der Exorzismus kann nach einigen Tagen gewalttätige Reaktionen, Augenrollen oder Trancezustände auslösen. Oder es kann einer Person für einen Tag schlecht gehen und anschließend wieder gut, bis das Übel nach einigen Tagen erneut eintritt. Um eine mögliche Einbildung auszuschalten, ist es wichtig, die Verhaltensweisen des Bedrängten während einer Reihe von Exorzismen aufzuzeichnen. Erst dann kann festgestellt werden, ob tatsächlich eine Besessenheit vorliegt oder nicht.
Was die Wirkung des Exorzismus betrifft, so geht es selten schnell. Im Allgemeinen braucht es 5 bis 6 Monate (manchmal bis zu 12 oder 14 Jahren).
Als äußere Mittel verwendete Amorth Kruzifix, Weihwasser und Katechumenen-Öl. Zudem legte er dem Leidenden die Hände auf das Haupt und ließ die Enden seiner langen violetten Stola über seine Schultern fallen.
In den neuen Kodex sind auch Vorstellungen von deutschen und Schweizer Bischöfen eingeflossen, sodass es jetzt im Falle einer Verfluchung verboten ist, zu exorzieren. Das sind nach Amorth aber die häufigsten Fälle. Ferner sind Austreibungen nur erlaubt, wenn die Präsenz des Dämons sicher ist. Gewissheit darüber zu erlangen, ist laut Amorth aber erst im Verlauf des Exorzismus möglich. So werde die Arbeit der Exorzisten durch das neue Rituale geradezu verhindert.
Auf die Frage, ob er vor dem Teufel, der Geist und ein gefallener Engel ist, Angst habe, antwortete Amorth hingegen: „Niemals. Er hat Angst vor uns.“

Mitarbeit von Ärzten

Was die Mitarbeit von Ärzten betrifft, so ist folgender Bericht eines Psychiaters aufschlussreich:
„Ich hielt Exorzismus für Hokuspokus“, berichtet der Psychiater Dr. Vincenzo M., der in einem Fall 1993 mit Amorth zusammenarbeitete. „Ich glaubte weder an den Satan noch an Gott, aber ich akzeptierte die Mitarbeit. Die Patientin war eine junge Frau, sie kam in mein Behandlungszimmer, und ich schwöre, die nächste halbe Stunde war die schlimmste meines Lebens. Ich spürte sofort, dass etwas ganz Seltsames geschah, denn ich hatte vor einer Patientin panische Angst. Ich wollte nur, dass sie wieder geht, ich wollte, dass sie so schnell wie möglich mein Zimmer verlässt. Ich schrieb das Rezept auf und hoffte, dass sie gehen würde.“
Was dann geschah, erzählte der Arzt vor einer Untersuchungskommission unter Eid: „Ihre Arme verlängerten sich, von ihrem Stuhl aus wuchs ein Arm blitzschnell um etwa zwei Meter, ihre Hand war eine Kralle, sie zerfetzte meinen Rezeptblock, und die junge, attraktive Frau sagte mit der tiefen Stimme eines alten Mannes: ,Solchen Unsinn brauche ich nicht.‘ Dann schrumpfte der Arm wieder, ich rannte in Panik aus dem Raum.“1

Amorth bekam aber nicht nur Unterstützung von Gläubigen und Ärzten, sondern auch von Atheisten. Das Sprachwissenschaftliche Institut der Universität Rom bestätigte Amorth 1998 einen wissenschaftlich nicht erklärbaren Fall. Eine junge Bäuerin, die schlecht Italienisch sprach, fluchte während eines Exorzismus stundenlang grammatikalisch korrekt in acht Sprachen, darunter in der nahezu ausgestorbenen Sprache der Zeit Jesu Christi, die nur ein paar Dutzend Menschen auf dem Globus beherrschen: Alt-Aramäisch. In dem Gutachten heißt es: „Es ist unerklärlich, wie die Frau diese Sprachen erlernen konnte.“2

TEXTE AUS DEN MEMOIREN AMORTHS

In diesem Abschnitt sollen aus den Memoiren eines Exorzisten von Gabriele Amorth3 ausgewählte Beschreibungen zu folgenden Themen und Fällen mit genauer Quellenangabe wiedergegeben werden: Die Streitkräfte des Feindes – Ein seit der Kindheit Besessener – Eine befreite Magierin – Satanische Riten auf dem Friedhof. Diese Originaltexte vermitteln einen anschaulichen Einblick in die Arbeit des Exorzisten Amorth und bezeugen seine Kompetenz und seinen unerschrockenen Einsatz.

Die Streitkräfte des Feindes

„Sehen Sie, die Macht des Feindes ist immer die gleiche geblieben, denn der Teufel hat immer dieselbe Macht. Was aber enorm zugenommen hat, ist etwas anderes, nämlich die Zahl der Türen, die sich seinem Eindringen geöffnet haben. Früher gab man sich viel weniger okkultistischen Praktiken hin als heute. Unter Okkultismus verstehe ich Magie, spiri­tistische Sitzungen, satanische Sekten usw. Früher, als man noch zur Kirche ging, betete und die Familien noch einträch­tig und intakt waren, war die Situation anders … Sie sehen doch, wie heutzutage die Gesellschaft aussieht. Die jungen Leute leben ohne Trauschein zusammen, sie pfeifen auf die standesamtliche Trauung … und die Schwulen, die die Anerkennung ihrer gleichgeschlechtlichen ,Ehe‘ fordern und dazu noch, dass sie Kinder adoptieren können. Wo sind wir denn eigentlich gelandet! Bei Absurditäten, die zur Zeit meiner Jugend völlig undenkbar gewesen wären.
All dies – Magie, Okkultismus, Spiritismus – trägt dazu bei, die Eingangstüren zu öffnen. Sind die Türen einmal geöffnet, hat Satan freie Hand. Nicht dass er machtvoller wäre als früher, sondern dass er von seiner Macht frei Gebrauch machen kann. Denken Sie etwa an all die vielen Fälle von Personen, die sich dem Satan weihen!
Sie sind sehr zahlreich. Wie viele jener Zettel habe ich doch schon verbrannt, auf denen Sätze geschrieben standen wie etwa diese: ,Satan, du bist mein Gott, ich will Satan, ich will immer mit dir sein, ich verehre dich, ich bete dich an.‘ Und dann: ,Gib mir, gib mir, gib mir.‘ Gib mir Reichtum, gib mir Vergnügen, gib mir Erfolg. Und der Teufel gibt es ihm und raubt ihm dafür die Seele. Es handelt sich hier nicht um eine Besessenheit, denn in diesen Fällen besitzt der Teufel bereits die Seele, da diese Personen bereits beschlossen haben, sie ihm auszuliefern. Man muss bedenken, dass der Teufel von sich aus nicht zur Seele gelangt. Er kann körperliche Beschwerden hervorrufen, aber die Seele erreicht er nicht. Er dringt bis zur Seele vor, wenn der Mensch sie ihm ausliefert und ihm erlaubt, von ihr Besitz zu ergreifen, sich ihrer zu bemächtigen.
Die Zettel, die ich eben erwähnte, sind mir von Personen zugetragen worden, die sich dem Satan geweiht hatten, dann aber von Furcht ergriffen wurden, weil es sehr schwierig ist, aus einer Sekte auszutreten. Es gibt Zeugnisse, laut denen es in Amerika vorkommt, dass wer aus einer satanischen Sekte austritt, getötet werden darf. Daher haben auch die Mitglieder selbst viel Angst.“4

Ein seit der Kindheit Besessener

„Der folgende Fall betrifft einen Knaben, der in der frühen Kindheit in die Obhut seiner Großmutter väterlicherseits gegeben wurde. Diese, so scheint es, habe das Kind den bösen Geistern anvertraut. Mit fünf Jahren machte der Knabe die Erstkommunion und von da an ging er regelmäßig als Messdiener und als junger Sakristan und Vertrauensperson des Pfarrers in die Kirche. So ging es weiter bis ungefähr zu seinem vierzehnten Lebensjahr.
Am Ostermontag hat der Knabe die Vision von einem leuchtenden Kreuz und vernimmt eine Stimme, die ihm sagt: ,Du wirst viel leiden.‘ Von da an erlebt er an seinem Körper seltsame Phänomene: Geißelungen, Schrammen in der Rippengegend, ikonographische Zeichen an Händen und Füßen. Dann erfolgen Erscheinungen Jesu und der Madonna.
Der Tränenfluss auf einem Herz Jesu-Gemälde erregt die Aufmerksamkeit vieler Menschen, die sich um das Bild und den jungen Sakristan scharen. Das Phänomen wird allgemein bekannt, die Lokalzeitungen schreiben darüber. Schließlich interveniert die bischöfliche Kurie. Ein reguläres Untersu­chungsverfahren über dieses außergewöhnliche Ereignis wird eingeleitet. Doch bald wird das Ganze zu den Akten gelegt, weil anscheinend Anzeichen von Unglaubwürdigkeit auftauchen. Doch die Phänomene von tropfenden blutroten Tränen ereignen sich weiterhin und der Jüngling bleibt im Brennpunkt der Aufmerksamkeit eines Freundeskreises.
Im darauffolgenden Jahr nimmt das Szenario der Ereignisse eine weitere Wendung. Der Jüngling trifft sich mit einem Pseudocharismatiker, der über ihn Gebete spricht.
Am Jüngling geschehen Levitationen und die Leute, die ihn aufsuchen, fallen während des Gebetes manchmal in eine Art von Einschlafen im Geiste. Der Jüngling wendet sich ab vom regelmäßigen Empfang der Sakramente und bricht auch jeden Kontakt mit dem Pseudocharismatiker ab.
Eines Tages – ich erinnere mich nicht mehr an das genaue Datum – bringen ihn einige seiner Freunde zu mir. Sie wollten sich über den Ursprung der außergewöhnlichen Phänomene Klarheit verschaffen sowie auch meinen Rat hinsichtlich des weiteren Verhaltens einholen. Der Junge sieht arglos aus, er lächelt, er ist reinlich, ruhig und heiter. Er erzählt das Geschehen um den Tränenfluss auf den Gemälden. Er zeigt mir das Herz Jesu-Bild, wobei er mir erklärt, dass er es jeweils aus dem Kasten herausholt und es den Leuten zur Schau stellt, während er seine Andacht verrichtet. Das Gemälde zeigt auffällige Spuren von blutigen Tränen, das auf dem Glas geronnen war. Ich frage seine Freunde nach der Meinung der bischöflichen Kurie. Sie sagen mir, dass diese Vorbehalte gegen den übernatürlichen Ursprung der Phäno­mene habe. Ich bitte den Jüngling, diesen Ereignissen keine große Bedeutung beizumessen, das Gemälde nicht mehr aus­zustellen, nicht in der Öffentlichkeit zu beten und große Vorsicht walten zu lassen in Erwartung, dass der Herr dies­bezüglich seinen Willen offenbart.
Im folgenden Jahr betreten der Pfarrer und der Pfarrvikar die Szene. An diese hatte sich nämlich der Vater des Jungen gewandt und sie um Hilfe ersucht, da es seinem Sohn schlecht ging und sein Pfarrer sich nicht mehr um ihn küm­merte. Die beiden Priester nahmen sich nun des Jünglings an. Sie nahmen an ihm Befreiungsgebete vor, denn er schien vom Teufel belästigt zu sein. Das ging so weiter, bis sie eines Tages den Jungen zu mir brachten. Sie waren überzeugt, dass dieser mit Exorzismen behandelt werden müsse.
Seit dem Dezember jenes Jahres habe ich fünf Exorzismen vollzogen.
Erster Exorzismus: Anwesend sind die zwei Priester, die den Jüngling begleiten, zusammen mit anderen Personen, die mit diesen hierhergekommen sind. Auch eine kleine Gruppe Charismatiker ist zugegen. Zu Beginn des Gesprächs ist das Gesicht des Jungen fröhlich und unbeschwert. Einige Minuten später ein paar Rülpser und Anzeichen von Unbe­hagen. Er sagt mir, die seltsamen Phänomene hätten bei ihm seit der frühen Kindheit begonnen, wenige Jahre vor der Erstkommunion, die er mit kaum fünf Jahren empfing. Die Hostie habe fast immer den Geschmack von ,faulem Fleisch‘ gehabt. Während der Wandlung kamen stets Gotteslästerungen in ihm hoch und bedrängten unzüchtige Phantasien seinen Geist.
Die seltsamen Phänomene nahmen ihren Anfang im Alter von dreizehn Jahren: Levitationen (freies Schweben), Stig­mata (Wundmale), ikonographische Zeichen auf dem Körper, ferner Statuen, die zerbrachen und aus denen Blut tröpfelte, Zerrungen in den Gliedern, Lähmungen, Visionen, Blüten­blätter und Knospen von Rosen, die aus seinem Munde tra­ten.
Ich beginne vorsichtig mit einem sondierenden (,diagnos­tischen‘) Exorzismus. Der Junge fällt zu Boden, er wälzt sich hin und her, schlägt heftig aus, knirscht mit den Zähnen, spuckt mich an und versucht, mich anzugreifen. Seine Stimme klingt rau, seine Augen sind rot und hasserfüllt. Nach diesem Sondierungs-Exorzismus fahre ich fort mit dem imperativen Exorzismus, wobei dem Teufel bestimmte Befehle gegeben werden. Das Weihwasser, mit dem der Patient besprengt wird, brennt ihn. Nur mit Mühe wird er von vier Personen auf dem Boden festgehalten. Die Reaktionen wurden noch heftiger, als ich beim Exorzismusgebet die Jungfrau Maria eines einheimischen Marienheiligtums erwähnte. Nach einer Viertelstunde tritt Ruhe ein. In dieser Phase der Erholung unternimmt der Jüngling plötzlich einen neuen Angriff und schlägt überraschend zu. Er wird aber mit Leichtigkeit gebändigt. Und er schafft es sogar, mit dem Exorzisten zu beten. Er ist aber sehr müde. Als ich ihm auf Wiedersehen sage, zeigt er sich zufrieden, aber rülpst einige Male.
Zweiter Exorzismus: Anwesend sind die gleichen Personen wie beim ersten Mal. Es wiederholen sich die gleichen Phä­nomene. Ein unerwarteter Fußtritt trifft mein Bein.
Dritter Exorzismus im Februar des folgenden Jahres: Der ihn begleitende Pfarrer bringt mir sechs oder sieben Gemälde in verschiedener Größe, die das Herz Jesu oder die Madonna darstellen. Sie sind entsetzlich verunstaltet und mit geronne­nem Blut verschmiert. Ich empfehle ihm, sie wieder in ihre Behälter einzuschließen und außer Sichtweite der Neugierigen zu verwahren. Während des Exorzismus sind die Reaktionen des Jünglings weniger heftig als bei den vorangehenden. Doch der Patient bleibt sehr gefährlich und es braucht starke Männer, um den Rasenden festzuhalten. Etwas ist neu: Er spricht in verschiedenen Sprachen.
Vierter Exorzismus im März desselben Jahres, in Anwe­senheit von ungefähr fünfzehn Priestern, die zu einem Pasto­ralkurs über Dämonologie zusammengekommen sind: Der Teufel offenbart sich mit den Worten: ,Er gehört mir, seit langem schon gehört er mir, jeder Exorzismus ist erfolglos. Er ist an mich gebunden.‘ Die Reaktionen sind weniger hef­tig. Er erholt sich schneller. Der Junge erinnert sich nicht an all das, was vorgefallen ist. Er hat nur den Eindruck, als ob er mit einem Ring am Fußknöchel angebunden sei.
Fünfter Exorzismus im folgenden Monat Mai: Anwesend sind fast alle Priester und einige Laien, die am Kurs über Dämonologie teilnehmen. Die Reaktionen des Knaben sind noch weniger heftig. Ich führe ein Zwiegespräch mit dem Dämon, der geltend macht, dass der Knabe seit dessen Kindheit ihm gehöre und dass er ihn nicht loslassen werde.
Ich habe den Pfarrer, der den Jungen begleitet, gebeten, einen kurzen Bericht abzufassen. Hier ist er:
,Der Unterzeichner ist Augenzeuge vieler selt­samen Phänomene. Ich bin zu seinem Krankenbett gerufen worden, um ihm die Kommunion zu bringen. Von Schmerzen gepeinigt, wälzte er sich im Bett hin und her, auf dem Rücken hatte er Kratzwunden. Er kommunizierte. Später wurde ich wegen nächtlicher Geräusche zum Hause eines seiner Freunde gerufen. Ich sah, wie eine Tür in Stücke zerfiel. Das Zimmer war in völliger Unordnung. Der Junge duldete nie­manden in seinem Zimmer. Wenn alles zu Ende ist, liegt er unter dem Bett völlig erschöpft und am Ende seiner Kräfte. In diesem Haus gab es sechs solch furchtbarer Nächte. Ende Juli weitere solche Nächte in einem anderen Haus, wo eine Frau wohnt, die an Besessenheitsqualen leidet.
Die Phänomene während dieser Zeit sind: fliegende Gegenstände, Zerstörung von Möbeln, Kratzspuren an den Wänden, scharfer Geruch von Schwefel. Der Junge leidet unter einer Anziehungskraft, wie wenn sein Körper von einer unsichtbaren Macht bewegt und getrieben würde. Seine Freunde müssen ihn mit viel Kraftaufwendung auf dem Bett festhalten. Es kommt zu einem konfliktgeladenen Dialog zwischen ihm und einem unsichtbaren, jedoch präsenten Wesen. Er sagt: < Nein, ich will es nicht, ich werde es nie tun; geh weg, Satan. > Ich wohnte blumigen Huldigungen bei: Blütenblätter und Knospen von Rosen kamen aus seinem Munde heraus. Auf seinem Körper lassen sich ikonographi­sche Zeichen erkennen wie zum Beispiel das Monogramm der Hostie (IHS) und das skizzierte Gesicht eines Menschen … Sein christliches Leben ist sporadisch, kommt nur noch gelegentlich zum Vorschein. Sein Betragen überzeugt mich nicht … Nun, nach dem ersten Treffen mit dem Exorzisten und dank der Befreiungsgebete scheinen die Reaktionen schwächer geworden zu sein. Es dauern weiterhin fort: die nächtlichen Störungen, Schüttelfrost, das Gefühl, von etwas Schleimigen umhüllt zu sein, das zu ihm sagt: < Du gehörst uns >‘.“5

Eine befreite Magierin

„Ich befand mich im Pfarramt, als zwei Frauen mein Büro betraten. Die erste kannte ich gut, die zweite hatte ich noch nie gesehen. Jene, die ich gut kannte, sagte zu mir: ‚Herr Pater, diese Frau braucht Ihre Hilfe.‘ Ich wandte mich an die mir unbekannte Frau und fragte sie, aus welchem Grund sie sich an mich wende. Ich schaute ihr fest ins Gesicht. Mit ihren Augen und mit den Händen machte sie merkwürdige Zeichen. Und schon war mir klar, mit wem ich es zu tun hatte, und sagte zu ihr: ‚Signora, vor wem haben Sie Angst? Hier gibt es keinen Teufel, hier ist Christus der Herr.‘ Und ich zeigte ihr das Kruzifix, das ich immer auf dem Schreibtisch habe.
In diesem Moment geriet die Frau in noch stärkere Aufregung. Ich war auf das Schlimmste gefasst und schrie sie an: ‚Du bist eine Hexe! Was willst du von Gott?‘ Zunächst war sie ganz verblüfft, dann sagte sie: ‚Ich will vom Dämon befreit werden, denn mein Mann liegt im Sterben.‘ Ich antwortete ihr in einem entschiedenen Ton: ‚An was stirbt dein Mann? Hast du ihn etwa behext oder verwünscht?‘ Mit Tränen in den Augen gestand sie mir, dass sie ihn voll Bosheit angeschrien habe: ‚Ein Krebsgeschwür soll dich packen!‘ Die Verwünschung hatte ihr Ziel erreicht. Ihr Mann befand sich im Spital auf der Intensivstation und lag im Sterben.
Mit ernster Stimme sagte ich ihr: ‚Ich bin kein Heiliger und mache keine Wunder. Ich bin Exorzist, der mit der Hilfe und im Namen Gottes die Dämonen austreibt. Deinem Mann kann ich das Leben nicht zurückgeben.‘ Da sprang die Frau mit einem Satz, die Knie voran, auf meinen Schreibtisch, streckte die Arme aus und wollte mich am Hals packen. Ich war auf eine solche Reaktion des Teufels gefasst. Rechtzeitig schaffte ich es, sie anzuschreien: ‚Satan, im Namen Gottes, hör auf!‘ Mit aufgerissenen Augen und aufgesperrtem Mund rührte sie sich nicht von der Stelle, ihre Arme immer noch gegen meinen Hals gestreckt. Gott hat mich beschützt. Dann wies ich mit lauter Stimme den Dämon zurecht: ‚Satan, im Namen Gottes befehle ich dir, dich nicht von dieser Stellung wegzubewegen.‘
Dann ging ich in die Kirche, legte eine geweihte Hostie in das Ziborium und dieses auf meine Brust. Als ich ins Pfarramt zurückkehrte, war die Frau immer noch in dersel­ben Stellung, in der ich sie verlassen hatte. Ich befahl ihr, vom Schreibtisch herunterzusteigen, Platz zu nehmen und ja nicht zu versuchen, den Sitzplatz zu verlassen, um mir näher zu kommen.
Mit der geweihten Hostie war ich ruhiger geworden. Mit resoluter Stimme sagte ich ihr: ,Statt wegen deines Mannes zu weinen, solltest du wegen der vielen Menschen weinen, denen du während zwanzig Jahren Böses zugefügt hast.‘ Da schrie sie mich an: ‚Wenn mein Mann stirbt, werde ich der ganzen Stadt Böses zufügen.‘ Mit einem Ruck erhob ich mich, packte sie an den Schultern und stieß sie aus dem Arbeitszimmer und aus der Kirche, wobei ich ihr nachrief: ‚Mit dem Hass, den du im Herzen hast, bist du nicht würdig, hierzubleiben.‘
Da sagte mir die Frau, die sie begleitete: ‚Herr Pater, Sie behandeln doch alle mit großer Freundlichkeit und schicken jene, die vom Dämon besessen sind, nicht weg. Warum haben Sie diese da auf unhöfliche Weise fortgejagt?‘ Ich gab ihr zur Antwort: ‚Wir Exorzisten können nur jenen helfen, sich von der dämonischen Besessenheit zu befreien, die dies wünschen. Wer aber Hass im Herzen hat, wünscht nicht, befreit zu werden. Übrigens können sie sicher sein, dass die Hexe noch vor Ablauf einer Stunde wieder hier sein wird.‘
In der Tat ist sie kurz darauf zurückgekehrt. Ich sagte ihr, wenn sie wirklich wünsche, dass ich an ihr den Exorzismus vollziehe, dann müsse sie mir zuerst beweisen, dass sie befreit werden wolle, indem sie mir alles, was sie an magi­schen Zaubermitteln besitze, hierher bringe.
Um drei Uhr öffnete ich die Kirche und ich sah, dass die beiden Frauen dort standen und mich erwarteten. Sie trugen zwei große vollgestopfte Plastiktaschen. Der Anblick der Dinge, die sich darin befanden, ließ mich vor Entsetzen erschauern. Außer kleinen Instrumenten wie Tabletten zum Verbrennen von Weihrauch waren da rote und schwarze Kerzen, Nägel, Nadeln, Zitronen, Fotografien, aus welchen jeweils das Portrait einer Person herausgerissen war. Sehen wir einmal ab von den Dutzenden bereits vollzogener Verwünschungen, so gab es hier viele Bücher über Magie, Zauberei, Verwünschungen, ferner Bücher über schwarze Messen, satanische Orgien und über viele andere Dinge. Nachdem ich das Ganze mit Weihwasser besprengt und Gott angerufen hatte mit der Bitte, jegliche Verwünschung zu annullieren, schloss ich das ganze Zeug in einen Schrank ein, so dass es niemand finden konnte.
Dann habe ich die Magierin aufgefordert, am Abend, wenn die Kirche abgeschlossen wird, mit vier Männern hier­her zurückzukommen. Es war mir klar geworden, dass es nicht nötig war, einen Psychiater beizuziehen, so eindeutig war hier die Präsenz des Dämonischen wahrzunehmen. Ich zog die liturgischen Gewänder an und begann mit dem Exorzismus. Ich befahl sogleich dem Dämon, keinem der hier Anwesenden ein Leid anzutun, sich keinem zu nähern und mindestens einen Abstand von einem halben Meter zu wahren. Dann begann ich mit dem Ritus. Mehrmals sprang die Magierin auf, schrie und lästerte. Ich tat so, als ob ich sie nicht hörte. Sie streckte die Hände nach allen Seiten aus, berührte aber niemanden, so dass der Teufel schrie: ‚Was habt ihr da hingestellt, da vor mir? Ich komme ja hier nicht durch!‘
Oft unterbrach der Dämon das Gebet. Er sagte, sie seien zu dreizehn gekommen, ich aber ganz allein sei, und dass es mir nie gelingen werde, sie auszutreiben. Im Namen Gottes befahl ich ihm zu schweigen. Bei diesem Befehl geriet er in Wut und schrie mich auf einmal an: ‚Was hast du denn da in die Mitte zwischen dir und mir gestellt? Eine kristallene Platte?‘ Schließlich schrie er: ‚Hör auf damit! Sie will nicht befreit werden, sonst hätte sie dir alles hierher gebracht. Im Schrank ihres Zimmers hat sie nämlich noch zwei Taschen von vorbereiteten und <versandfertigen> Behexungen.‘ Da erklärte die Frau, sie sei müde und dass sie es nicht mehr aushalte. Ich nutzte die Gelegenheit, um den Exorzismus zu unterbrechen, und sagte: ‚Mit müden Dämonen kämpfe ich nicht. Wir werden morgen weitermachen, aber nur unter der Bedingung, dass du mir morgen die beiden Taschen mit den Behexungen, die du, wie mir der Dämon verraten hat, im Schrank versteckt hast, bringst. Ich erwarte dich morgen um sieben Uhr.‘
Am darauffolgenden Tag stand sie um sieben Uhr mit den zwei Taschen vor der Kirchentür. Weinend sagte sie zu mir: ‚Mein Mann liegt im Sterben. Man hat ihn in die eiserne Lunge gelegt.‘ Ich antwortete: ‚Geh jetzt gleich ins Spital. Besuche deinen Mann. Gott wird an ihn denken. Komm heute abends um acht Uhr zurück, und zwar zusammen mit den Männern, die dich gestern begleitet haben.‘ Bereits um sieben Uhr waren alle in der Kirche. Ich schloss die Türen, zog das liturgische Gewand an und bereitete mich innerlich auf den Kampf vor. Die Magierin wiederholte ständig, ich solle schnell machen, denn die Ärzte hätten ihrem Mann nur noch eine Stunde zu leben gegeben.
Ich sprach einige wenige Gebete und begann dann sogleich mit dem Befehls-Exorzismus. Auf einmal begann die Frau unter lautem Schreien zu erbrechen. Aus ihrem Mund trat ein mit Speichel vermischter Klumpen kastanien­brauner Erde heraus. Während ich diesen mit Weihwasser besprengte, zählte ich: Dies ist der erste Dämon. Ich fuhr fort zu beten und Befehle zu geben. Zwölf weitere Dämonen sind einer nach dem anderen herausgekommen. Darauf schrie mich eine dunkle, raue Stimme an: ,Ich bin Satan, es wird dir nicht gelingen, mich auszutreiben.‘ Ich schaute auf die Uhr und sah, dass Mitternacht seit einigen Minuten schon vorbei war. Ich sagte: ,Wir sind am Festtag der Unbefleckten Empfängnis. Satan, im Namen der Allerhei­ligsten Jungfrau Maria befehle ich dir, aus dieser Frau aus­zuziehen und dorthin zu gehen, wohin dir Gott zu gehen befohlen hat.‘ Diesen Befehl habe ich ungefähr zehn Mal wiederholt, bis sich schließlich die raue Stimme wieder bemerkbar machte: ‚Schluss mit diesem Namen, ich will ihn nicht mehr hören!‘
Ich antwortete ihm: ‚Teufel, ich werde dir diesen Namen die ganze Nacht über wiederholen, Wenn du den Namen der Unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria nicht hören willst, dann verlasse diese Frau und verschwinde.‘ Dann begann die Magierin wieder zu erbrechen und nach einem lauten Schrei fiel sie ohnmächtig zu Boden. Sie war endlich von allen ihren Dämonen befreit. Während die Magierin schlief, begannen wir, das Zimmer aufzuräumen und zu rei­nigen. Ich benutzte dazu gesegnetes Wasser und schüttete viel Alkohol in den Eimer. Dann zündete ich ein Blatt Papier an und warf es auf das beim Auszug der dreizehn Dämonen Erbrochene. Erst nachdem alles gereinigt war, befahl ich der Magierin aufzustehen. Sie erhob sich sehr langsam, wie wenn der Teufel sie in Stücke zerrissen hätte. Ich teilte ihr mit, dass ich sie an diesem Morgen in der Kirche erwarte, sie müsse beichten und kommunizieren.
So geschah es denn auch. Wenige Tage später, als ich mich anlässlich eines Befreiungsgebetes in einem Haus befand, läutete das Telefon. Die Hausfrau ging ans Telefon und kam dann eilends zu mir, um mir zu berichten: ‚Jene Frau (die eine Zauberin war) hat mir eben gesagt, ich solle Ihnen mit­teilen, dass es ihrem Gemahl gut gehe. Am Tag der Unbefleckten Empfängnis seien die Ärzte erstaunt gewesen; sie glaubten, sie würden einen toten Patienten vorfinden, stattdessen sahen sie einen, dem es besser ging und der zu essen wünschte. Man habe ihn dann in den Krankensaal gebracht; es gehe ihm zusehends besser und er esse regelmä­ßig. Vor Weihnachten noch könne er geheilt nach Hause gehen.‘
Am Weihnachtstag waren Gatte und Gattin in der Kirche. Nachher kamen sie ins Pfarreibüro, um mir zu danken. Sie haben gebeichtet und kommuniziert. Wie groß ist doch Gott!“6

Satanische Riten auf dem Friedhof

„Die Person, um die es sich im folgenden Bericht handelt, ist ein zwanzigjähriger Jüngling.
Er kam zu mir in Begleitung seiner Eltern. Er klagte über qualvolle Schmerzen an den Hoden und am ganzen Körper. Er schreit wirklich wie ein Besessener. Er durfte das Spital, in das er eingeliefert worden war, für ganz kurze Zeit verlas­sen, um an einem Befreiungsgebet teilzunehmen. Die Ärzte konnten die Ursache von so viel Leiden nicht eruieren. Es war der Jüngling selbst, der unser Eingreifen wünschte.
Er erzählt mir seine Geschichte mit großer Mühe zwischen furchtbaren Krämpfen, wobei er sich den Unterleib hielt.
‚Vor ungefähr drei Jahren hatte ich die Gelegenheit, an satanischen Riten teilzunehmen. Ich wurde dazu von Freun­den in meinem Alter eingeladen. Ich glaubte nicht an solche Dinge, doch aus Neugier machte ich mit. Die Riten wurden auf einem Friedhof vollzogen. Wir waren etwa zehn Jugend­liche und einer von uns war der Chef. Für den Opferritus und die schwarze Messe setzten wir uns alle eine Kapuze auf. Die Opferriten wurden in einem unterirdischen Gang des Friedhofgebäudes auf der Steinplatte eines offenen Grabes durchgeführt. Sie fanden unregelmäßig nach jeweils einigen Monaten Unterbrechung statt. Das Tieropfer bestand in der Tötung einer Katze, eines Vogels, einer Schlange. Das Fleisch dieser Tiere wurde vermischt mit den aus dem Beinhaus entwendeten zerriebenen Knochen von Toten. Wir aßen das Fleisch des Vogels oder Katze, nachdem man es über ein Feuer gehalten und dann mit dem Blut der Schlange und den zerriebenen Knochen vermischt hatte. Man muss vermerken, dass die Schlange das Symbol der Sekte ist. Hernach bestand das Ritual in einem Geschlechtsverkehr mit einem jungfräulichen Mädchen, das wir verführt hatten. Im Ganzen dauerte das rituelle Geschehen im Durchschnitt etwa drei Stunden. Das Opfer wurde dem Gott Abu Katabu, des­sen Präsenz wir spürten, sowie auch dem indischen Gott Zei dargebracht. Das letzte Mal fand das Ritual am vergangenen Sonntag statt. Ich bin allein dorthin gegangen, ohne dass ein Freund mich abholen kam. Ich fühlte, dass sie mich riefen. Ich habe jedoch erfahren, dass ich zum Opfer ausersehen war. Ich habe Angst.‘
Ich stellte dem jungen Mann folgende Frage: ‚Wie hast du es angestellt, um in das unterirdische Geschoss einzudringen, das Beinhaus zu öffnen und die Rituale zu vollziehen, ohne dass die Wächter es bemerkten?‘ Er antwortete mir, er selber habe den Schlüssel gestohlen, da er den Ort gut kannte und wusste, wie man das Gitter des Ganges, der zum unterirdi­schen Geschoss führt, öffnet. Nach Beendigung des Rituals, das nachts vollzogen wurde, habe er alles wieder an seinen Platz gestellt.
Ich fragte ihn auch, wie sie es machten, um die Mädchen zu ködern, die sie entjungfern wollten. Meistens, so erklärte er mir, gewinnen sie diese unter dem Vorwand, sie zu einem Gebet in der Kirche oder auf dem Friedhof am Grabe eines Bekannten einzuladen. Jedes Mal bringen sie eines oder zwei mit, lassen sie am Ritual teilnehmen und hernach paaren sie sich mit ihnen. Sie geben ihnen Geld als Entschädigung und um ihnen Stillschweigen aufzuerlegen. Es komme vor, dass die Mädchen wiederkommen; doch diese Jugendlichen wol­len für das Ritual immer unberührte Mädchen, die anderen nehmen sie nur, wenn sie keine jungfräulichen finden.
Ich stellte ihm noch Fragen über den Namen der Sekte, wie man in sie hineinkomme und ob zwischen den Mitgliedern ein Pakt bestehe. Es sei die Sekte der Schwarzen Schlange, antwortet er mir. Der Gott, den sie anbeten, heiße Abu Kata­bu. Er sagt mir auch, dass wenn man einmal in die Sekte eingetreten ist, es schwierig sei, aus ihr auszutreten. Zwei Jugendliche seien ausgetreten, daraufhin seien sie von den anderen während eines Ritus verflucht worden. Nach kaum zwei Tagen sei einer der beiden bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, der andere erlitt einen Schädelbruch. Der Chef der Sekte sei vierundzwanzig Jahre alt.
Ich wollte wissen, wie sie die schwarzen Messen zelebrie­ren. Er sagte mir, dass sie gestohlene Hostien benutzen. Er selber habe solche in seiner Kirche, wo er Messdiener gewe­sen war, gestohlen. Er wusste daher, wo sich die Schlüssel befanden. Er habe die Hostien direkt dem Tabernakel ent­nommen. In letzter Zeit sei das aber komplizierter geworden. Da habe er sich jeweils bei einer heiligen Messe der Reihe der Kommunizierenden angeschlossen und habe die Hostie in die Tasche gesteckt.
Die schwarze Messe werde von einem ehemaligen Mönch zelebriert, wobei er für diesen Anlass ein rotes Gewand trägt. Sie spucken alle auf die Hostie und verbrennen sie. Sie benutzen auch Gebeine von Toten und rufen dann Ver­wünschungen über ihre Feinde herab. Er selber habe solche gegen seine eigenen Angehörigen ausgestoßen. Nach seiner Aussage haben solche Verfluchungen stets die gewünschte Wirkung erzielt.
Nach diesem Vorgespräch beginne ich mit dem Exorzismus. Beim Anhören der Allerheiligenlitanei bäumt sich der Jüng­ling auf, schlägt aus, brüllt und wird gefährlich. Er ruft Abu Katabu an. Ich nehme die Präsenz von Dämonen wahr und besprenge den Patienten mit Weihwasser. Er schreit auf und ruft wiederum seine Götter an: Abu Katabu, Zei und andere. Wegen der Schmerzen an den Hoden fängt er zu heulen an. Er ergeht sich in Beschimpfungen gegen seine Großmutter und seine Mutter, die beim Exorzismus anwesend ist. Sie sagt zu ihrem Sohn, dass die Großmutter und die Tante ihn immer geliebt haben. Darauf erwidert er, dass er Liebe nicht von der Großmutter noch von der Tante wollte, sondern von der Mutter.
Nun sehe ich ein, dass im Verhalten des Patienten eine starke psychologische Komponente zu berücksichtigen ist, die dazu geführt hat, dass er aus Liebesentzug auf diese Weise reagierte. Infolge der Verwünschungen musste sich die Großmutter wegen eines Tumors an der Brust einer Operation unterziehen, die Mutter wurde am Blinddarm operiert und der Vater hatte eine lebensbedrohende Verbrennung durch elektrischen Strom erlitten. Diese unheilvollen Ereignisse hat der Sohn selber seinen Verfluchungen zugeschrieben.
Dann auf einmal wird er blind, spricht in verschiedenen Sprachen und verspottet mich, indem er die Zeigefinger über den Kopf hält. Dann erbricht er, ein Zeichen, dass seine Befreiung beginnt. Er fühlt sich leichter, weint, bittet um Hilfe und macht sogar ein Kreuzzeichen.
Einer meiner Assistenten, ein Freund des Friedhofwächters, begab sich zum Friedhof und besichtigte dort den Ort, wo die Sekte ihren Kult durchführte, und machte fotografische Aufnahmen. Die vom jungen Mann erzählten Einzelheiten entsprechen der Wahrheit.
Wir kommen zum zweiten Exorzismus. Markerschütternde Schreie und unerträgliche Schmerzen im Unterleib. Der Jüngling ruft wieder seine Götter um Hilfe an. Während des ganzen Exorzismus fühlt er sich von Flammen umzingelt, die ihn brennen. Er schreit aus voller Kehle und bittet, dass man ihm Wasser über Brust und Schultern schüttet. Doch das Weihwasser verstärkt die Schmerzen. Dann beginnt er auszu­packen, um all dem, was ihn belastet, Luft zu machen. Er ist voller Schuldgefühle und hat Gewissensbisse. Einmal mehr stelle ich fest, dass all seinen Qualen eine starke psychologi­sche Komponente zugrunde liegt. Er sagt auch, dass es seine Freundin gewesen war, die ihm bei der sexuellen Verge­waltigung einen Fußtritt in den Unterleib versetzt hat. Dieses Mädchen, das nach dem satanischen Ritual ins Spital einge­liefert werden musste, befindet sich immer noch im Koma.
Wiederum erbricht der Jüngling. Damit er noch mehr erbricht, gebe ich ihm Weihwasser zu trinken. Er beruhigt sich, kommt wieder zu vollem Bewusstsein. Er bittet, dass man ihn rette. Er will den Vater, die Mutter, die Großmutter und seinen Bruder sehen. Die Szene ist ergreifend. Er bittet alle um Verzeihung; mit Tränen in den Augen umarmt er sie. Auch mich umarmt er. Und er ruft den Namen des Herrn an und betet mit uns.
Er fürchtet immer noch, von der Sekte getötet zu werden, da er von dieser zum Opfer ausersehen war. Der junge Mann braucht nun eine besondere Pflege und ganz besondere Schutzmaßnahmen.“7

FORMEN UND METHODEN DES BÖSEN

Die Frage,  in welcher Form und mit welchen Mitteln das Böse den Menschen befallen kann, beantwortete Amorth mit einer von verschiedenen Autoren und seinen eigenen Überlegungen angeregten schematischen Darstellung der Behexung, die auch als Leitfaden seiner Tätigkeit verstanden werden kann.

Formen der Behexung

„Die ‚Behexung‘ ist ein Übel, das durch die Tätigkeit des Teufels herbeigeführt wird.
In Bezug auf das Ziel und den Zweck gibt es verschiedene Modalitäten, die folgendermaßen näher bezeichnet werden:
– ,Liebes‘-Behexung, die darauf abzielt, eine Liebes­beziehung zu einer Person zu fördern oder zu zerstören.
– Vergiftende Behexung, die darauf abzielt, ein körperli­ches, psychisches, wirtschaftliches oder familiäres Übel herbeizuführen.
– Bindungs-Behexung, die zum Ziel hat, Unternehmungen, Bewegungen oder Beziehungen zu behindern oder zu verei­teln.
–  Übertragungs-Behexung, die darauf abzielt, auf jeman­den die Qualen, die man einer Puppe oder dem Foto der zutreffenden Person symbolhaft bereitet hat, zu übertragen.
– ,Verwesungs‘-Behexung, die zum Ziele hat, eine tödli­che Krankheit hervorzurufen, indem man einen verweslichen Stoff verfaulen lässt.
– ,Besessenheits‘-Behexung, die darauf abzielt, eine teuf­lische Präsenz in das Opfer einzuführen und dieses in den Zustand einer eigentlichen Besessenheit zu stürzen.“8

Art und Weise der Behexung

„In Bezug auf die Art und Weise kann die Behexung bezeichnet werden als
– ,Direkte‘, wenn es einen Kontakt gibt zwischen dem Opfer und dem Gegenstand als dem Träger des Bösen, z.B. wenn man dem Opfer etwas Verhextes zu essen oder zu trinken gibt.
– ,Indirekte‘, wenn sie durch die Behexung eines Gegenstandes, der das Opfer repräsentiert, vorgenommen wird.“ 9

Vorgangsweise bei der Behexung

„– Durch Einschlagen und Quälen mit Nadeln, Nägeln, Hammer, Stichen, Feuer, Eis.
– Durch Fesselung oder Bindung mit Schnüren, Knoten, Riemen, Bändern, Gürteln, Reifen.
– Durch Verwesung, wenn man den Gegenstand oder das Tier-Symbol, nachdem man es zerbrochen hat, begräbt.
– Durch Verfluchung, direkt ausgesprochen über die Per­son, über eine Fotografie der Person oder ein Symbol von ihr.
– Durch ein satanisches Ritual wie zum Beispiel der Satanskult oder eine schwarze Messe, die mit der Absicht, jemanden zu schädigen, zelebriert wird.“10

Verwendete Mittel

„– Bei Verwünschungen: Puppen oder mit Nadeln, Gebeinen von Toten und Blut vermischtes Fleisch, Kröten, Hühnchen.
– Mit behexten Objekten, z.B. Geschenke, Pflanzen, Kopfkissen, Puppen, Bänder, Talismane.
– Mit dem Blick (,böser Blick‘), Kontakt mit der Hand, Umarmung.
– Per Telefon: sei es ohne Worte, sei es durch den Atem oder auf andere Weise.“11

Die für die Befreiung erforderliche Zeit

Die Zeit, die für die Befreiung durch Exorzismen erforderlich ist, dauert heute länger als in der Vergangenheit.
„Meiner Meinung nach trifft dies zu, weil der Glaube weni­ger stark ist, auch auf Seiten der Exorzisten. Er ist auch weniger stark bei den Personen, die sich exorzieren lassen, und auch bei deren Angehörigen.
Denken Sie an jene Stelle im Evangelium (Mt 17,14-21), wo berichtet wird, dass es den neun Aposteln nicht gelang, einen „fallsüchtigen“ Knaben zu befreien, obwohl sie – wie sie zu ihrer Verteidigung sagten – im Namen Christi handel­ten. Da fragten sie Jesus: ‚Warum konnten wir den Dämon nicht austreiben?‘ Und Jesus gab ihnen zur Antwort: ‚Wegen eures Kleinglaubens‘…
Die Dauer der Befreiung hängt auch ab von der kurzen oder längeren Zeit der Verwurzelung des Dämonischen…12

Das Amt des Exorzisten

Was das Amt des Exorzisten betrifft, so ist dieses nach Amorth schwierig und wird verkannt, selbst in der eigenen Gemeinschaft und bei vielen Vertretern der Kirche.
„Was mich betrifft, so liebt man mich so sehr, dass man mich schon dreiundzwanzig Mal vom Ort, wo ich Exorzismen vornehme, vertrieben hat … Man vertreibt mich, man hat mich immer wieder von meiner Arbeitsstätte vertrieben! Denn die Leute wollen das Geschrei nicht hören. Man hat mich hier in Rom von allen Orten, wo ich arbeitete, weggejagt…
Man gewöhnt sich daran…“13
„Ich habe viele Exorzismen vollzogen und mache immer noch viele. Sie haben meinen Terminkalender gese­hen … Jetzt sind es etwas weniger, weil ich alt werde. Aber nicht allzu sehr. Tatsächlich verbringe ich meine Tage mit der Durchführung von Exorzismen, morgens und nachmittags, und zwar jeden Tag, sogar an Weihnachten und Ostern. Immer. Mit Ausnahme der Zeit, die den Predigten oder mei­nen Fernsehsendungen gewidmet ist – Tätigkeiten also, die mit meinem Amt in Zusammenhang stehen.
Ich habe, grob berechnet, mehr als siebzigtausend Exorzismen durchgeführt. Selbstverständlich habe ich nicht siebzigtausend Personen exorziert. Die Zahl der exorzierten Personen kann ich nicht berechnen. Ich kann nur die Sitzungen zählen. Es sind heute ungefähr achtzehn täglich, früher waren es mehr. Der Vormittag ist für die schwereren Fälle bestimmt; ich behandle also nicht mehr als fünf Personen; wer sich ohne Verabredung vorstellt, hat keine Chance, empfangen zu werden. Ich würde sonst verrückt.“14

DIE INTERNATIONALE VEREINIGUNG DER EXORZISTEN (Aie)

Bei seiner Arbeit als Exorzist von Rom machte sich Gabriele Amorth auch daran, die Exorzisten Italiens in einen Verein einzubinden, um so die Begegnung zu fördern, die verschiedenen Erfahrungen und Vorstellungen abzustimmen, Richtlinien einer einheitlichen Leitung zu erarbeiten, Übereinstimmung in der Ausführung des Berufes zu erreichen und schließlich eine konkretere und wirksamere Hilfestellung für all jene zu gewährleisten, die bei ihrer Tätigkeit einer solchen bedürfen.
So gründete er am 4. September 1991 die Italienische Vereinigung der Exorzisten, um den Priestern die Möglichkeit zu bieten, den Gläubigen, die sich in Besessenheitsfragen an sie wenden, konkreter helfen zu können.
1993 nahm er  mit  anderen italienischen Exorzisten an einer internationalen Tagung über Exorzismus teil, die von dem französischen Exorzisten René Chenessau und dem Theologen René Lauréntin organisiert wurde. Vom 27. Juni bis 1. Juli 1994 fand dann im Haus „Divino Amore“ in Ariccia bei Rom eine weitere Tagung statt, an der 81 Exorzisten aus verschiedenen Ländern teilnahmen. Amorth wurde einstimmig zum Präsidenten der Internationalen Vereinigung der Exorzisten (AIE) gewählt. In dieser Funktion entfaltete er weitreichende Aktivitäten, berief Tagungen ein, verfasste Rundschreiben und förderte die Ausbildung und die Verbindungen unter den Mitgliedern. Er führte den Vorsitz bis zum Jahre 2000 und war dann Ehrenvorsitzender bis zu seinem Tod.
Am 23. Juni 2014 anerkannte schließlich der Heilige Stuhl durch die Kongregation für den Klerus mit Zustimmung von Papst Franziskus die Internationale Vereinigung der Exorzisten als Rechtspersönlichkeit.15

SCHLUSSBEMERKUNG

Der hier vorgelegte Nachruf auf den weltbekannten Exorzisten Gabriele Amorth bot gleichzeitig die Gelegenheit, anhand seiner Aussagen und seiner Veröffentlichungen einen Einblick in die Arbeit eines Exorzisten schlechthin und in die Vielfalt der zu betreuenden Fälle zu geben. Daraus wird deutlich, dass der Exorzismus bei der Behandlung von Ratsuchenden in Sonderfällen nur durch einen bewährten Exorzisten die notwendige Hilfe leisten kann.

(GW) 66 (2017) 1, 51-76

ANMERKUNGEN:

1 Artikel vom 16. September 2004 im Hamburger Abendblatt.
2 Ebd.
3 Amorth, Gabriele:  Memoiren eines Exorzisten. Kisslegg-Immenried: Christiana-Verl. im Fe-Medienverl., 2016, 4. Aufl.
4 Ders., ebd., S. 76-77.
5 Ders., ebd., S. 79-84.
6 Ders., ebd., S. 85-90.
7 Ders., ebd., S. 97-101.
8 Ders., ebd., S. 112.
9 Ders., ebd., S. 113.
10 Ders., ebd.
11 Ders., ebd.
12 Ders., ebd. S. 117.
13 Ders., ebd. S. 168.
14 Ders., ebd. S. 169.
15 Resch, Andreas: Die Exorzisten. Grenzgebiete der Wissenschaft (GW) 64 (2015) 1, 67-79.