Occulus triplex

(Lat. dreifaches Auge), bezeichnet ein wichtiges Modell der christlichen Mystik des Hochmittelalters, das von dem Theologen und Philosophen Hugo von St. Victor entworfen und durch Bonaventura systematisiert wurde. Neben der sinnlichen Anschauung (oculus carnis, Auge des Fleisches) und der rationalen Reflexion (oculus rationis, Auge des Verstandes) ist demnach als ursprüngliches menschliches Erkenntnisvermögen eine dritte Dimension eines Lebens aus der Transzendenz (oculus contemplationis, Auge der Kontemplation) beschrieben. Durch die „Sünde“ wurde das kontemplative Auge jedoch ausgelöscht und das Auge des Verstandes „triefäugig“, sodass der Mensch heute sein Erkenntnisvermögen vor allem auf die sinnliche Anschauung stützen muss. Bezüglich Fragen der Transzendenz bleibt ihm daher nur mehr die Möglichkeit des „Glaubens“. Aufgabe der christlichen Religion ist es somit, zur „restauratio“ jenes ursprünglichen Lebens aus der Transzendenz zu führen.

Lit.: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. Hrsg. von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. Stuttgart: J.B. Metzler, 1996.

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