Julian der Theurg

Nach antiker Überlieferung ein Wundertäter, der in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts lebte und u.a. die Chaldäischen Orakel als göttliche Offenbarungen empfing und aufzeichnete. Die Orakel stammen zwar aus diesem Zeitraum, doch könnte es sich bei J., wie manche vermuten, auch um eine fiktive Gestalt handeln. Jedenfalls galt er (bzw. Julian der Chaldäer) in der Spätantike als Begründer der Theurgie der Kunst, mittels bestimmter Riten und Praktiken in direkten Kontakt mit Gottheiten zu treten und von ihnen Hilfe zu erlangen.
Die Suda, eine byzantinische Enzyklopädie des 10. Jahrhunderts, enthält einen Eintrag über einen Autor namens J. d. T., der unter Kaiser Mark Aurel gelebt und Schriften über okkultes Wissen verfasst habe, darunter Theourgiká, Telestiká und Lógia di’epōn (Sprüche in Versen). Bei den Sprüchen handelt es sich um die berühmten, nur fragmentarisch überlieferten Chaldäischen Orakel (lógia Chaldaiká), die in Versen abgefasst waren und anscheinend in nicht erhaltenem Prosaschrifttum, das man J. zuschrieb, erläutert wurden. Ferner berichtet die Suda folgende Wundertat J.s: So soll er einmal, als die Römer am Verdursten waren, dunkle Gewitterwolken herbeibeschworen und schweren Regen mit aufeinanderfolgendem Blitz und Donner erzeugt haben. Es heißt, J. habe dies durch ein bestimmtes Wissen vollbracht, während andere behaupten, der ägyptische Philosoph Arnouphis habe das Wunder verrichtet.
Das „Regenwunder“, von dem auch der Geschichtsschreiber Cassius Dio berichtet und das auf der Mark-Aurel-Säule in Rom bezeugt ist, ereignete sich während eines Feldzugs von Kaiser Mark Aurel.

Lit.: Fowden, Garth: Pagan Versions of the Rain Miracle of A.D. 172, in: Historia 36, 1987, S. 83-95; Goulet, Richard: Iulianus (Julien) le Théurge, in: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 3. Paris: CNRS, 2000; Athanassiadi, Polymnia: Julian the Theurgist: Man or Myth?, in: Helmut Seng/Michel Tardieu (Hrsg.): Die Chaldäischen Orakel: Kontext – Interpretation – Rezeption. Heidelberg: Winter, 2010.
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