Jenseitvorstellungen

J. entspringen dem Grundstreben des Menschen, ewig und glücklich zu sein. Dem stellt sich die Sicherheit des Todes entgegen, das unausweichliche Ende jeder irdischen Existenz. Von daher das Bemühen des Menschen, ein ewiges Glück zu erreichen jenseits des leiblichen Todes. Dies ist nur möglich, wenn der Mensch über die Körperlichkeit hinaus eine Dimension besitzt, die nicht zeitgebunden ist. Man spricht hier über alle Weltanschauungen hinweg von einem nichtmateriellen, geistigen Personträger.
So wurde ein Konzept des Jenseits mit den Gefilden der Seligen (Paradies und Jenseits) entwickelt. Aber auch die Unterwelt, die Nachtfahrt der Sonne, wurde bereits in der ägyptischen Hochreligion angesprochen. Jenseitswanderungen machten der babylonische Gilgamesch, die antiken Orpheus und Psyche und viele andere, auch der germanische Hermod. Die Griechen kannten Elysion und Hades, die Römer die Unterwelt Orkus, die Germanen Walhall und Hel.
Die vedische Religion des Hinduismus sprach von einem Paradies (Land der Väter), das allen Opfernden bereitstand. Später setzte man neben die Götterwelt der Unsterblichen eine dem Kreislauf der Reinkarnationen unterworfene Väterwelt der Unsterblichen.

Der Buddhismus nimmt die im indischen Raum vorherrschende Glaubensvorstellung der Wiedergeburt auf und sieht in der Loslösung aus dem Kreislauf des bedingten Entstehens (pratityasamutpada) von Geburt und Tod im Nirvāna das Ende allen Leids.
Im Judentum haben sich im Wesentlichen zwei Lehrmeinungen über das Leben nach dem Tod herausgebildet. Nach der einen stirbt der Mensch mit Leib und Seele und geht in den Scheol, wird aber in der messianischen Zeit wiederbelebt und leiblich auferstehen (Dan 12,2). Die andere Lehre nimmt an, dass die reine Seele, unbefleckt durch Geburt, Leben und Tod, wieder rein zu Gott zurückkehrt. Sie geht von der Unsterblichkeit der Seele aus und davon, dass diese nach dem Tod unabhängig vom Körper weiterlebt (Spr 12,28) In der Kabbala, der jüdischen Mystik, ist die Wiederverkörperung eine göttliche Strafe, die dazu dient, die Seele in einem neuen Körper der Vervollkommnung zuzuführen.
Das Christentum glaubt an die Auferstehung der Toten. Die Seele erhält anstatt des irdischen, verweslichen Körpers einen himmlischen Körper (siehe z.B. Mt 17,2; 1 Kor 15). Die christlichen Vorstellungen von Himmel und Hölle brachten eine für alle gültige Aussage der Lebensentscheidung, während die Lehre vom Fegefeuer seit Augustinus ( 430) propagiert wurde und sich erst gegen Ende des 12. Jh. zwischen Hölle und Paradies schob.
Für die Muslime findet nach dem Tod im Grab ein Verhör durch die Engel Munkar und Nakīr im Barzakh statt. Erst mit dem Jüngsten Gericht erfolgt die Zuweisung zum Paradies Dschanna oder zur Hölle Dschahannam. Freuden und Qualen werden im Koran mehrfach beschrieben, eine detaillierte Schilderung findet sich in Sure 56. Die Verdammten erleiden schreckliche Qualen. Die Hölle „bäumt sich auf vor Wut“ über die „Ungläubigen“.

Monistische Weltanschauungen und philosophische Systeme, welche nur eine Daseinswirklichkeit in einer einzigen (Natur‑)Wirklichkeit auf ein einziges Prinzip zurückführen, lehnen die Unterscheidung von Diesseits und Jenseits ab, zumindest insoweit in ihr die Vorstellung von zwei gegensätzlichen Grundprinzipien oder Substanzen implizit oder explizit enthalten ist.
Den esoterischen Traditionen verschiedener Kulturkreise zufolge verfügt der Mensch über eine Vielzahl von nach dem Grad ihrer „Dichte“ unterschiedenen „körperlichen Trägern“, von denen der irdische Körper nur einer ist. Die „feinstofflichen Körper“ (insbesondere der „Astralleib“) werden als jenseitig angesehen, da sie das irdische Dasein überdauern sollen.

Im Okkultismus wird behauptet, dass mit Hilfe dieser feinstofflichen Träger „Jenseitsreisen“ (> Astralreise) unternommen werden können. Die verschiedenen Überlieferungen zu diesem Thema wurden unter anderem in der Theosophie zu einer einheitlichen Lehre zusammengefasst.

Lit.: Lang, Bernhard: Himmel, Hölle, Paradies: Jenseitswelten von der Antike bis heute. München: C.H. Beck, 2019; Hemleben, Johannes: Jenseits: Ideen der Menschheit über das Leben nach dem Tode vom Ägyptischen Totenbuch bis zur Anthroposophie Rudolf Steiners. Berlin: Rowohlt, 1984.

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