Jenseitsglaube

Die Überzeugung, dass es einen jenseitigen Bereich gibt, in dem die Toten als geistige Wesenheiten weiterexistieren und mit den in dieser Welt Lebenden in Kommunikation treten können. Besonders ausgeprägt war dieser Glaube an ein Jenseits bereits im Alten Ägypten wie im antiken Judentum (Gen 50,10f.; 1 Sam 25,1). Dann wurden auch im Urchristentum die Verstorbenen in einem feierlichen kultischen Akt bestattet, wie es die Apostelgeschichte vom ersten Märtyrer Stephanus überliefert: „Den Stephanus aber bestatteten gottesfürchtige Männer und veranstalteten eine große Trauerfeier für ihn“ (Apg 8,2). Das kultische Seelengedächtnis gehörte ebenso in der Zeit der Kirchenväter zu den zentralen Bestandteilen des religiösen Lebens, um nur an die Bitte der sterbenden Monica gegenüber ihren Söhnen Augustinus und Navigius zu erinnern: „Ich bitte euch nur um das Eine, dass ihr meiner am Altar des Herrn gedenkt, wo immer ihr sein werdet.“
Grundlage und Voraussetzung des Totenkults, im Christentum wie in den anderen Weltreligionen, ist der Seelen- und Jenseitsglaube. Das Mittelalter galt als die hohe Zeit in der religionsgeschichtlichen Entwicklung des Totenkults. Ein beredtes Zeugnis davon legen vor allem die Hymnen und großen Fürbitten des Requiems ab. Einen ersten Rückschlag erlebte diese Form des Kultes in der Reformation, als der Glaube an die Existenz eines postmortalen Zwischenzustandes, des Fegefeuers, abgeschafft wurde. Der katholische Hochklerus unternahm nach dem II. Vatikanischen Konzil, zusammen mit zahlreichen Theologen, den Versuch, den überlieferten, als „mittelalterlich“, „düster“ und „angsterfüllt“ angesehenen Totenkult durch eine „fröhlicher“ und „österlicher“ gestimmte Liturgie zu ersetzen, womit ein in Jahrhunderten gewachsenes Religions- und Kulturgut zerstört wurde.

Lit.: Greshake, Gisbert: Stärker als der Tod. Zukunft – Tod – Auferstehung – Himmel – Hölle – Fegefeuer. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 1976; Feld, Helmut: Das Ende des Seelenglaubens. Vom antiken Orient bis zur Spätmoderne. Berlin/Münster: Lit, 2013; ders.: Die Zerstörung des Totenkultes in der Katholischen Kirche. Grenzgebiete der Wissenschaft (GW) 64 (2015) 1, 5-25.
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