Hahn

Männliches Haushuhn, auch Gockel genannt, gilt als Orakeltier, das vor allem mit seinem Krähen und Verhalten vieles vorausverkünden soll.
Nach europäischem Volksglauben sollte ein den Weg kreuzender H. Unglück bedeuten. In der Volksmedizin war sein Blut gegen Gesichtsrose und beim Zahnen der Kinder (Blut vom Hahnenkamm) gefragt. Auch besitze der H. besondere Zauberkraft. So sollte die Zunge eines jungen H., die ein junger Mann einem Mädchen unauffällig zu essen gab, Liebeszauber bewirken. Zudem war er ein beliebtes Opfertier, vor allem bei der Ernte wie auch bei Hochzeiten. Als besonders glückbringend und unheilabwährend wurde ein weißer H. angesehen – im Gegensatz zum schwarzen, der als Teufelstier galt. Selbst im Märchen hinterließ er seine Spuren, wenn der Teufel mit Hahnenfeder am Hut auftritt.
Diese und viele andere Züge des H. im Volksglauben finden sich nahezu alle schon in der Antike, nur erscheint er dort vor allem in Verbindung mit dem Totenkult und mit seiner Kampfeslust, die ihn zum Attribut der Kriegsgötter machte. So weckt bei den Germanen ein H. namens Güldenkamm die Helden von Walhall zur Endschlacht. Im Reich der Totengöttin Hel kräht ebenfalls ein H.
Ebenso aber wird berichtet, dass bei der Geburt des griechischen Apollon, als dessen Licht hervorbrach und alles vergoldete, der H. krähte. Die Göttin Athena trug als Herrin der täglichen Arbeit einen H. auf ihrem Helm. Ein H. begleitete Hermes und ebenso Minerva bei den Römern. Für Asklepios, den griechischen Gott des Heilens, war der H. sogar ein heiliges Tier.
Als solches galt er auch im Iran, wo man ihn als besonders stark im Kampf gegen Dämonen wähnte. Einen H. zu töten, kam einer schweren Sünde gleich. Bei den Arabern rief der Hahn nach persischem Vorbild die Menschen rechtzeitig zum Gebet. Aus diesem Grund durfte auch bei den marokkanischen Berbern sein Fleisch nicht gegessen werden.
Ebenso sah man bei den Germanen im H. seit vorhistorischer Zeit den Tagkünder, der die Dämonen der Nacht vertrieb.
Im Parsismus ist er als Tagkünder Ahura Mazda geweiht. Zoroastrische Lehren erklärten den H. zu einem Wächter und Streiter im Reich des guten Geistes, dessen schillerndes Gefieder und roter Kamm das Element Feuer assoziierte. Ein roter H. wird nahezu überall mit Tod oder Feuer in Verbindung gebracht, während ein vergoldeter H. Christi Sieg über die Nacht signalisiert.
Auch in China steht der H., vor allem als männliches Zeichen, für verschiedene Tugenden und dient als Symbol generell für das Gedeihen einer Familie. Im chinesischen Tierkreis ist er das zehnte Tier. Im tibetischen Buddhismus verkörpert er Wollust und Gier, symbolisiert aber auch das Element Luft.
Im Talmud vermittelt der H. dem Volk Israel die Gewissheit der Erlösung. In Mk 13,35 kündigt er das Ende der geistigen Dunkelheit an. Auf altchristlichen Gräbern symbolisiert er den Anbruch des neuen Tages nach der Todesnacht. Nach der dreimaligen Verleugnung Jesu durch Petrus verweist der unmittelbar darauffolgende Hahnenschrei auf die Schwäche des Menschen, zugleich aber auf die nahende Erlösung.
Seit dem 9. Jahrhundert ist der H. auf Kirchtürmen zu finden, wo er Wachsamkeit signalisieren und als Wetterfahne Blitz und Hagel abwehren soll.
Nicht zuletzt gilt der H. als Fruchtbarkeitssymbol. So reiten Liebesgötter vielfach Hähne oder benutzen sie zumindest als Gespanntiere ihres Wagens. Auf dem Hühnerhof demonstriert der H. seinen Fortpflanzungsdrang. In Fabeln wird er häufig mit Grobheit und Schläue in Verbindung gebracht. Der sprichwörtliche Gockel mit Imponiergehabe machte schon im Spätmittelalter von sich reden.
In der romanischen Bilderwelt nimmt der H. häufig Züge des Ziegenbocks an und Hahnendämonen sind Ausdruck von Versuchung und sexueller Ausschweifung. Hahnenkämpfe spiegeln Streitsucht und Konfliktbereitschaft, spielen aber auch in der Gerichtssymbolik eine Rolle, da z.B. für die Germanen der H. auch ein Sinnbild der Rechtsordnung war. Schon in einer babylonischen Keilschrift ist die Rede von dem wachsamen und gegen alles Böse streitenden H.

Lit.: Bächtold-Stäubli, Hanns (Hrsg.): Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Bd. 3. Berlin: de Gruyter, 1987, Sp. 1325-1336; Benecke, Norbert: Der Mensch und seine Haustiere. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. Lizenzausgabe. Köln: Parkland-Verlag, 2001; Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. Mythologie, Religion, Psychologie. Klein Jasedow: Drachen Verlag, 2012.

 

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