Haar

Sichtbares und ständiges Zeichen von Wachstum und bei dessen Stillstand Ankündigung des nahenden Todes. Das naziritische Gelübde im Judentum, wozu auch gehört, das Haar wachsen zu lassen, verlieh Samson seine Kraft, die erst verloren ging, als Delilah seine Haare abschnitt (Ri 16,17). Das Gegenstück dazu ist im Christentum die Tonsur für den Klerus, die allerdings 1973 offiziell abgeschafft wurde.
In östlichen Religionen finden sich ebenso vergleichbare Gegenstücke. So ist bei den Hindus keśānta der 13. von 16 praktizierten Samskāras und mit der ersten Rasur des Bartes eines Schülers verbunden, wenn dieser ca. 16 Jahre alt ist. Ein Hindu-Asket wird sein Haar jedoch lang und verfilzt lassen.
Bärte finden in Bezug auf das H. generell besondere Berücksichtigung. Sie stellen den Übertritt in das Mannesalter dar. Der Missbrauch eines Bartes sei ein Zeichen der Missachtung (Samuel 10,49) und die Vernachlässigung desselben ein Zeichen der Trauer (2 Samuel 19,24; Job 1,20).
Bei den Griechen ließen sich Krieger und Priester die Haare nicht schneiden, um im Besitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte zu bleiben.
Bei den Germanen war das lange, ungeschnittene Haar ein Zeichen der freien Männer und der Jungfrauen.
Der Körper der hl. Agnes wurde, als man ihr Gewalt antun wollte, nach der Legenda aurea von ihrem Haupthaar zur Gänze wie mit einem dichten Mantel bedeckt und blieb so vor lüsteren Blicken verborgen.
Im Mittelalter galt das Abschneiden der Haare als entehrende Strafe. Andererseits wurden die Haare auch als Ausdruck der Buße und Hingabe der Gottheit geopfert.
Haare waren insbesondere auch bei den Praktiken der Hexenkunst hoch geschätzt. Der Besitz einiger menschlicher Haarsträhnen reichte für eine erfahrene Hexe aus, um auf die betreffende Person magischen Einfluss auszuüben. Eine Möglichkeit, um sich gegen Zauberei abzuschirmen, war daher, sich die Haare abzuschneiden und zu vergraben, wie dies auch Aleister Crowley tat.
Auf der Suche nach dem Hexenmal oder auch kurz vor der Hinrichtung wurden vermeintliche Hexen einst am ganzen Körper kahl geschoren.

Lit.: Pickering, David: Lexikon der Magie und Hexerei. Augsburg: Bechtermünz Verlag, 1996; Bowker, John (Hrsg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.
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