Fabre d’Olivet, Antoine

(* 08.12.1767 Ganges/Hérault, Frankreich; † 27.03.1825 Paris), Schriftsteller, Historiker, Philologe, Theosoph und Illuminist.
Antoine Fabre wurde als Sohn einer protestantischen Hugenottenfamilie geboren. Später fügte er seinem Namen noch den Familiennamen seiner Mutter (d’Olivet de Sauves) hinzu.
F. war Autodidakt, gehörte während der Französischen Revolution den Jakobinern an und verfasste patriotische Theaterstücke, mit denen er einigen Erfolg hatte. 1801 erschienen seine Lettres à Sophie sur l’histoire, eine Übersicht über alte und neue kosmogonische Systeme und eine Geschichte der Zivilisationen. Eine Lebenskrise führte ihn zu der Überzeugung, dass den verschiedenen kosmogonischen Systemen eine alte Weisheitslehre zugrunde liege, die im alten Ägypten begründet und durch Eingeweihte wie Mose, Pythagoras und Orpheus weitergegeben wurde.
1805 heiratete F. Marie Varin, die ihm dann bei seinen hypnotischen Experimenten und Séancen als Medium diente. Von ihren Visionen inspiriert schuf er eine Lehre, welche die jüngeren Martinisten beeinflusste. Später entwickelte F. esoterische Anschauungen, die der Theosophie (im Sinne Jakob Böhmes) und dem Illuminismus zugerechnet werden. 1811 veröffentlichte er einen Bericht, dem zufolge er durch „Magnetisierung“ einen Taubstummen geheilt habe, und zwar durch Anwendung von Kenntnissen, die er durch eine neue Übersetzung der moseschen Genesis erlangt habe.
1813 präsentierte er mit Les Vers dorés de Pythagore eine Neuübersetzung der Goldenen Verse des Pythagoras, in deren Einleitung er durch Vergleiche mit anderen antiken sowie indischen, chinesischen und persischen Texten und mit Schriften moderner Philosophen zu zeigen versuchte, dass sie alle die „Wahrheiten“ der ursprünglichen altägyptischen Offenbarung enthielten. Um 1816 folgte eine Übersetzung des Pentateuch (La Langue hébraïque restituée) mit einem Kommentar, in dem F. darlegte, dass auch Mose ein Eingeweihter war, die in seinen Schriften enthaltene tiefe Weisheit jedoch unzugänglich geworden sei, weil die erforderlichen Kenntnisse der esoterischen Bedeutung des Hebräischen verloren gegangen und erst durch ihn, Fabre, wiederentdeckt worden seien. Damit sei die ursprüngliche theosophische Kosmogonie des Mose wiederhergestellt worden.
In seiner Darstellung der Geschichte der Menschheit (l’Etat Social de l’Homme, 1822, Histoire philosophique du genre humain, 1824) betonte F., dass man zum richtigen Verständnis der Geschichte nur über die Kenntnis der spirituellen Natur der Menschheit und ihrer Stellung in der Hierarchie des Universums gelangen könne.
1824 gründete er mit einigen seiner Anhänger eine Loge mit Namen Théodoxie Universelle nach dem Vorbild der Freimaurer, in der allerdings die maurerischen Symbole durch landwirtschaftliche ersetzt wurden. Die von der Loge gepflegten Lehren legte er schriftlich nieder. Veröffentlicht wurden diese jedoch erst 1953 unter dem Titel La Vraie Maçonnerie et la Céleste Culture.
Erkenntnistheoretisch knüpfte F. an Immanuel Kant an, betonte aber im Gegensatz zu Kant, der die spirituellen Fähigkeiten des menschlichen Geistes nicht erkannt habe, dass der Mensch aus Körper, Seele und Geist bestehe, dass der Geist der Seele übergeordnet sei und das ontologisch Absolute intuitiv zu erfassen vermöge.
Weitreichendere Bedeutung erlangte F. allerdings erst nach seinem Tod, speziell in den 1830er und 1840er Jahren unter Illuministen. Den größten Einfluss erzielte er in der Epoche des Symbolismus. Seine Histoire philosophique du genre humain fand Ende des 19. Jahrhunderts vor allem bei Okkultisten großen Anklang. Die darin entwickelte Vorstellung aufeinanderfolgender Menschen-„Rassen“ diente als Grundlage für Helena Petrovna Blavatskys „Wurzelrassen“-Lehre.

W.: (Auswahl): Les Vers dorés de Pythagore, expliqués et traduits pour la première fois en vers eumolpiques français, précédés d’un Discours sur l’essence et la forme de la poésie, chez les principaux peuples de la terre (1813). Réédition Lausanne: L’Âge d’homme, 1991 et 2010; La Langue hébraïque restituée et le véritable sens des mots hébreux rétabli et prouvé par leur analyse radicale, ouvrage dans lequel on trouve réunis: (1) une dissertation sur l’origine de la parole; (2) une grammaire hébraïque; (3) une série de racines hébraïques; (4) un discours préliminaire; (5) une traduction en français des dix premiers chapitres du Sépher, contenant la Cosmogonie de Moyse (1815). Réédition Lausanne: L’Âge d’homme, 1985; Histoire philosophique du genre humain, ou L’homme considéré sous ses rapports religieux et politiques dans l’état social, à toutes les époques et chez les différents peuples de la terre, précédée d’une dissertation introductive sur les motifs et l’objet de cet ouvrage (2 vol., 1824). Réédition: Éditions traditionnelles, Paris, 1966.
Lit.: Dufour-Kowalski. Emmanuel: Fabre d’Olivet, Le Théosophe Immortel. Paris: L’Âge d’Homme, 2014.

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