Ars moriendi

Lat., „Kunst des Sterbens“, bezeichnet eine seit der Antike (Cicero) bestehende Gattung religiöser Erbauungsliteratur, die den Menschen auf das „richtige“ Sterben vorbereiten soll. Ihre Höhepunkte hatte die A. m. Ende des 14. Jhs. im Gefolge der großen Seuchen und setzte sich bis zum Barock (17. Jh.) fort.
Im Denken des Mittelalters ist die Todesstunde der Ort des Ringens der Mächte des Guten (> Engel) mit denen des Bösen (> Teufel) um die Seele des Sterbenden. In diesem Sinne ist die Ars moriendi eine „Ars vivendi“, eine Kunst heilvollen Lebens, nach dem Motto von Psalm 90, 12: „Lerne mich meine Tage zählen, dann werde ich weise“. Diese Erkenntnis der Eitelkeit alles Zeitlichen (vanitas vanitatum est omne vanum) macht den Tod zum Tor ins eigentliche Leben, im Sinne einer lebenslangen Vorbereitung auf die Erlösung durch den Tod zum ewigen Leben und zur ewigen Glückseligkeit. Eng damit verbunden ist die Vorstellung von einer unsterblichen und für alles verantwortlichen Seele. Mit dem Schwinden der Vorstellung von einer unsterblichen Seele stieg die Angst vor dem Tod und der Wunsch nach einem plötzlichen Tod, weil man dem Tod keine größere Lebensbedeutung zuspricht als das Ende des Lebens.

Lit.: Rudolf, Rainer: Ars moriendi: von d. Kunst d. heilsamen Lebens u. Sterbens. Köln; Graz: Böhlau, 1957; Ariès, Philippe: Studien zur Geschichte des Todes im Abendland. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1981; Klein, Siegfried: Zum Sterben nach Rio und andere spannende Geschichten. Berlin: Frieling, 2001; Borst, Arno/Graevenitz, Gerhart v./Patschkovsky, Alexander/Stierle, Karlheinz (Hg.): Tod im Mittelalter. Konstanz: Univ.-Verl., 1993.
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