Anthropomorphismus

Griech. anthropos, Mensch; morphé, Gestalt, die Übertragung menschlicher Eigenschaften und Verhaltensformen auf nichtmenschliche Wesen und Gegenstände. Am häufigsten geschieht diese Übertragung auf Gott, vornehmlich in den Religionen. So ist in der Bibel öfters „nach Menschenart“ von Gott die Rede, indem sie Gott menschliche Gefühle und Verhaltensweisen zuschreibt, von seinem Antlitz (Jes 58,8), von Mund und Stimme (Dtn 4,36), von Armen und Händen (Dtn 7,19) spricht. Wie ein Mensch empfindet Gott Freude, Zorn und Reue (Gen 6,6f.). Hingegen kann die Liebe Gottes nicht als A. bezeichnet werden, weil sie zum Wesen Gottes gehört. Anthropomorph sind vor allem auch die Götter Homers. Die Kritik solcher Gottesvorstellungen beginnt daher bereits beim Philosophen Xenophanes (565-470). Diese ist vor allem dann vorzunehmen, wenn der Mensch die Analogie seiner Redeweise nicht bedenkt und Gott aufgrund der bildhaften Redeweise dem Menschen verfügbar macht.
Der A. ist bevorzugt auch ein wesentlicher Bestandteil der > Magie, wobei den verschiedensten Gegenständen und Wesenheiten menschliche Fähigkeiten zugeschrieben und diese zuweilen mit besonderer Mächtigkeit versehen werden, wie z.B. Steine, Pflanzen und Tiere. Dieser Zug der menschlichen Identifikation mit dem Nicht-Menschlichen erreicht im Märchen seinen literarischen Höhepunkt.

Schließlich ist der A. auch ein Grundelement menschlichen Lebens. Es gehört mit zur menschlichen Lebensgestaltung, dass persönliche Gefühle und Vorstellungen auf Gegenstände, Pflanzen, Tiere und Wesenheiten übertragen werden, da man nur eigene Empfindungen verspürt und diese notgedrungen auf die Umwelt überträgt, um beim Gespräch mit ihr sie auch fühlend zu erfahren.

Lit.: Kuitert, Harry M.: Gott in Menschengestalt: eine dogmat.-hermeneut. Studie über d. Anthropomorphismen d. Bibel. [Aus d. Holl. übers. von Erich-Walter Pollmann]. München: Kaiser, 1967; Piesl, Helga: Vom Präanthropomorphismus zum Anthropomorphismus: Entwicklungsstadien im altmesopotam. Pantheon, dargest. am präanthropomorphen kur u. an d. Hauptgottheit den.lil2. Innsbruck: Innsbrucker Ges. zur Pflege d. Geisteswiss., 1969; Christ, Franz: Menschlich von Gott reden: d. Problem d. Anthropomorphismus bei Schleiermacher. Einsiedeln u.a.: Benziger, 1982.
Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.