Adam

Der biblische Urvater (Gen 1,26-29; 2,7-3, 24) wird in der Sage als Zwitter oder zweigeschlechtiges Urwesen (Helm, 330), als aus vier Elementen gebildet oder aus sieben bzw. acht Teilen geschaffen gedacht (Golter, 517). Diese Vorstellungen haben ihre Wurzeln im Orient. Nach den Sagen der Perser, Türken, Araber usw. nahm Gott den Staub, aus dem er ihn bildete, aus der ganzen Welt, und es entstand ein Mannweib, bis Gott die Geschlechter teilte. Seine Größe war unermesslich, das Haupt reichte bis zum Himmel, und wenn er sich niederlegte, reichte er von einem Ende bis zum anderen Ende der Welt. Vor seiner Größe und Macht beugten sich die Engel. Er war aber doch nur ein Geschöpf, denn als er eingeschlafen war, zerstückelte Gott seine Glieder und befahl ihm beim Erwachen, dieselben auf der ganzen Erde zu zerstreuen, damit sie von ihm befruchtet werde. So blieb ihm nur mehr die Weisheit. Daraufhin bildete Gott eine Frau aus Erde, > Lilith. Da sie aus demselben Stoff gemacht wurde, wollte sie ihm nicht untertan sein, sprach die Formel Schem Hammeforasch („Name des Gesegneten“), den Namen Gottes, und entfloh durch diesen Zauber in die Luft. Dann bildete ihm Gott aus einer Rippe eine Frau, die Eva. Diese ließ sich von der Schlange verführen und aß von dem verbotenen Baum, womit sie sich dem Tode weihte. Um nicht allein zu sterben, verführte sie auch Adam zur gleichen Handlung. Beide wurden aus dem Paradies auf die unterste der sieben Erden vertrieben. Adam verlor das Buch der Weisheit und kam auf die zweite Erde Adamah, wo er – getrennt von Eva – 130 Jahre mit Lilith lebte und wider seinen Willen Riesen und böse Geister erzeugte, was auch Eva widerfuhr. Nach dieser Zeit gebar Eva von Adam Kain, Abel und Seth. Dann durfte er aus der Verdammnis zur siebten Erde emporsteigen, auf der wir leben. Trotzdem war er untröstlich über den Verlust seines Buches und wollte sich im Fluss Gihon ertränken, doch das Wasser machte nur seinen Leib unscheinbar. Gott hatte Erbarmen und ließ ihn das Buch wiederfinden, das sich auf seine Nachkommen vererbte und bis zu Abraham gelangte. Darin waren alle Geheimnisse der > Kabbala und alles, was der Mensch weiß, enthalten. Das Buch ging verloren. Indes behaupten die Inder, es in den Büchern zu besitzen, das > Brahman den Menschen von Himmel brachte.
Sehr ähnlich ist dieser Beschreibung die Vorstellung von Adam im > Islam. Nach der Verführung durch die Schlange und der Vertreibung aus dem Paradies erfasste Adam Reue und er flehte um Gnade. Der Herr ließ ihn nach der Stelle des späteren Mekka bringen. Nach 200-jähriger Prüfung wurde Adam schließlich auf das Gebirge Arafat gebracht, wo er Eva wiederfand. 900 Jahre lebte er, dann wurde er in Mekka begraben, der Berg Aburais ist sein Grabhügel, oder: Noah nahm ihn mit in die Arche und begrub ihn am Ort des späteren Jerusalem – daher die Heiligkeit dieser beiden Orte für die Moslems (Vollmer, 284).
Nach Ansicht der Gnostiker verlor Adam seine himmlische Natur, weil er sich in sein Bild im Spiegel verliebte (Seligmann, 284). Ihm wurde auch eine tiefere Kenntnis der geheimen Naturkräfte, der Sympathien und Antipathien, des Sternenlaufs, also der natürlichen > Magie zugeschrieben (Soldan, 294). So sind nach dem Volksglauben Adam und Eva im > Mond zu sehen (Ur-Quell 4, 121).

Lit.: Am Ur-Quell. Monatsschrift für Volkskunde 4 (1893); Golther, Wolfgang: Handbuch der germanischen Mythologie. Leipzig: Hirzel, 1895; Helm, Karl: Altgermanische Religionsgeschichte. Bd. 1. Heidelberg: Winter, 1913; Seligmann, S.: Die Zauberkraft des Auges und das Berufen. Hamburg, 1922; Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Holzminden: Reprint-Verl. Leipzig, 1994; Theologische Realenzyklopädie. Bd. I. Berlin: Walter de Gruyter, 1977, S. 414-437; Soldan, Wilhelm G.: Geschichte der Hexenprozesse. Köln: Parkland-Verl., 1999.
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