Lama

So heißen bei den Mongolen alle Geistlichen, bei den Kalmücken nur die vornehmsten und in Tibet allein der höchste Priester, der jedoch zum Unterschied von zwei anderen, ähnlich würdigen Geistlichen dem Tischu-L. und dem Taranant-L. Dalai-L. genannt wird. Er ist das Oberhaupt aller Bekenner der L.-Religion, ihr sichtbarer, auf Erden weilender Gott, geistlicher und weltlicher Herrscher zugleich, unumschränkter Gebieter von ganz Tibet. Seine Residenz hat er in einem von zwei großen Klöstern nahe der Hauptstadt Lassa oder Lhasa, die er, nach Sommer und Winter, abwechselnd bewohnt. Das Volk glaubt, er sei unsterblich und nur sein Körper altere, den er aber verlasse, um sogleich in den Körper eines Kindes einzugehen, das schon lange vorher dazu bestimmt und erzogen nun die L.-Würde bekleidet.
Der Name Dalai-L. bedeutet die sehr große Mutter der Seele. Die Priester der Mongolen nennen sich L. (Mutter), um damit anzudeuten, dass sie alle lebenden Geschöpfe durch Gebete und Segnungen glücklich machen wollen und sie so lieben wie eine Mutter ihre Kinder.
Das Ansehen des Dalai-L. beruht auf der dem Buddhismus eigentümlichen Lehre von der Seelenwanderung, der zufolge man glaubt, die Seele des verstorbenen L. trete unmittelbar in den Körper des neuen über und alle L. seien von der Seele des Chomschim Bodhissadoa, des Ersten der erschaffenen Gottheiten, bewohnt gewesen. Daher werden sie auch als der verkörperte Gott betrachtet, der in ihnen allen nur verschiedene Hüllen angenommen hat.
Der Dalai-L. gilt als Mittler zwischen Mensch und Gott. Er wird als eine reine Offenbarung der Gottheit angesehen und in seiner Person hat die ganze Religion ihren Grund.

Lit.: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Erftstadt: area verlag, 2004.

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