Jung, Carl Gustav

(* 26.07.1875 Kesswil/CH; † 06.06.1961 Küsnacht bei Zürich).
Als Pfarrerssohn in Thurgau geboren, wuchs J. im Pfarrhaus Laufen am Rheinfall auf, dann in Klein Hüningen bei Basel; war wie seine Mutter medial begabt und glaubte zuweilen, als zwei verschiedene Persönlichkeiten in zwei Zeiten zu leben. Gymnasiumsbesuch in Basel; Psychoanalytiker, Wegbereiter der modernen Tiefenpsychologie, Gründer der analytischen Psychologie; 1900 Assistent an der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli in Zürich bei Prof. Eugen Bleuler; med. Diss. 1902 unter dem Titel „Zur Psychologie u. Pathologie sog. okkulter Phänomene“. Seit 1906 regelmäßige Korrespondenz mit Sigmund Freud, dem er 1907 in Wien begegnete. Gründung der Freud-Gesellschaft in Zürich; 1905 Oberarzt und Privatdozent, Privatpraxis als Psychotherapeut in Zürich; 1908 Organisation des Ersten Internationalen Psychoanalytischen Kongresses in Salzburg. 1909 gemeinsame Reise mit Freud nach Worcester/USA; 1911 Präsident der von ihm gegründeten Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft; 1913 Abbruch der Korrespondenz mit Freud (bedingt durch Auffassungsunterschiede bezüglich der Libido-Theorie) und 1914 Rücktritt als Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft.
1895-1899 führte J. mit seiner Cousine Helene Preiswerk als Medium spiritistische Experimente und mit Eugen Bleuler, Dir. der Psychiatr. Klinik Burghölzli bei Zürich, Untersuchungen über paranormale Phänomene durch. 1933-1942 war J. Prof. an der ETH Zürich, 1944 Prof. für Medizinische Psychologie an der Universität Basel. Mit dem Physiker Wolfgang Pauli entwickelte J. die Theorie der „Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge“. „Ein unerwarteter Inhalt, der sich unmittelbar oder mittelbar auf ein objektives äußeres Erlebnis bezieht, koinzidiert mit dem gewöhnlichen psychischen Zustand: Dieses Vorkommnis nenne ich Synchronizität“ (Zitat aus: Die Dynamik des Unbewussten, in: Gesammelte Werke, Bd. 8. Zürich/Stuttg., 1967, S. 504f.).
Sein besonderes Interesse galt der gemeinsamen Symbolsprache von Träumen und Mythologien als Ausdrucksformen des Kollektiven Unbewussten (zwischen 1921 und 1926 Reisen nach USA und Afrika zur Erforschung primitiver Kulturen).
Was die Psychologie ganz allgemein betrifft, hat J. das weitaus umfassendste System der Tiefenpsychologie erstellt, das er als Analytische Psychologie bezeichnete. Er versteht dabei Psyche als Gesamtheit aller psychischen Prozesse, bewusste wie unbewusste, und teilt sie, ontogenetisch gesehen, in folgende Schichten ein:

1) Das Bewusstsein als Funktion oder Aktivität, welche die Beziehung der psychischen Inhalte zum Ich darstellt. Alle unsere inneren und äußeren Erfahrungen müssen nämlich, um wahrgenommen zu werden, durch das Ich, sonst bleiben sie unbewusst. So umfasst das Ich einen Komplex von Vorstellungen, die das Subjekt des Bewusstseins bilden. In jedem Individuum gibt es vier angeborene Funktionen des Bewusstseins: Denken, Fühlen, Empfinden und Intuition.
2) Das Unbewusste, das bei J. neben dem Bewusstsein einen besonderen Stellenwert hat. Es umfasst zwei Bereiche, das persönliche Unbewusste und das kollektive Unbewusste.
3) Die Individuation, welche die psychische Entfaltung bis zum Alter einschließt. Diese Entwicklung umfasst folgende Stufen:

Die Erfahrung des Schattens als Begegnung mit jener Uranlage, die man nicht aufkommen lässt, weil sie zu den bewussten Prinzipien im Gegensatz steht;
die Begegnung mit der Gestalt des „Seelenbildes“ anima beim Mann, animus bei der Frau als komplementär-geschlechtlicher Anteil der Psyche;
die Begegnung des Mannes mit dem Archetypus des Alten Weisen, der Personifikation des geistigen Prinzips;
die Begegnung der Frau mit der Magna Mater, der Erdmutter, dem stofflichen Prinzip;
die Begegnung mit dem Selbst als dem letzten Erfahrbaren in und von der Psyche.

Somit ist nach J. die Individualpsyche ein Teil der Universalpsyche, der nach dem Tod in die Universalpsyche aufgeht. Sie ermöglicht die Allverbundenheit und die Individualität.
Was schließlich in diesem Kontext die religiöse Dimension des Menschen betrifft, so sagt J.: „Jegliche Aussage über das Transzendente soll streng vermieden werden, denn sie ist stets nur eine lächerliche Anmaßung des menschlichen Geistes, der seiner Beschränktheit unbewusst ist. Wenn daher Gott oder Tao eine Regung oder ein Zustand der Seele genannt wird, so ist damit nur über das Erkennbare etwas ausgesagt, nicht aber über das Unerkennbare, über welches schlechthin nichts ausgesagt werden kann.“

W.: Über 100 größere u. kleinere Schriften, ca. 25 Bücher; Die psychologischen Grundlagen des Geisterglaubens (1928); Psychologie und Alchemie (1944); Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, in: C.G. Jung/W. Pauli: Naturerklärung und Psyche. Zürich: Rascher, 1952 (auch in C.G. Jung: Ges. Werke, Bd. 8. Zürich, 1967); C.G. Jungs Medium. München: Kindler, 1975; C.G. Jung: Gesammelte Werke (1964ff.).
Lit.: Jaffé, Aniela: C.G. Jung und die Parapsychologie.
ZPGP (1960) 1; Resch, Andreas: Welt- und Menschenbilder (Reihe R; 12). Innsbruck: Resch, 2018.
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