Hagiographie

(Altgriech. τὸ ἅγιον tò hágion, „das Heilige“, „Heiligtum“ bzw. ἅγιος hágios, „heilig“, „ehrwürdig“ und γράφειν gráphein, „schreiben“), Darstellung des Lebens von Heiligen sowie die wissenschaftliche Erforschung solcher Darstellungen. Darunter fallen Viten (Heiligenleben), Translationsberichte, Kloster- und Bistumschroniken, Erwähnungen in sonstigen Chroniken und anderen historiographischen Gattungen, Authentiken (Beglaubigungsdokumente für Reliquien), Kalendarien, der Verehrung dienende literarische Gattungen in liturgischen Handschriften, wie Hymnen, Sequenzen, Antiphonen oder Litaneien, epigraphische Zeugnisse (Inschriften). Zu den materiellen Überresten zählen z.B. Ikonen und andere bildliche Darstellungen, Kultbauten, Kultgerät, Heiligengräber, Reliquien und Reliquiare, Votivgaben und Devotionalien.
Die Geschichte der christlichen Hagiographie nahm ihren Anfang im 2. Jh. mit Lebensbeschreibungen von Märtyrern, Asketen bzw. Eremiten und heiligen Jungfrauen. Zur Blütezeit der Hagiographie, im Mittelalter, gab es Lebensbeschreibungen nahezu aller Heiligen der Kirche. Im lateinischsprachigen Bereich zählte die Bibliotheca Hagiographica Latina mit ihren Supplementen weit über 10.000 Nummern. Eine weitere wichtige Sammlung ist die von 1263 bis 1273 entstandene Legenda aurea des Jacobus de Voragine. In der frühen Neuzeit folgten neben den Acta Sanctorum der Bollandisten Sammlungen wie das Sanctuarium (Bd. 1-2, Venedig 1474) des Boninus Mombritius (1424-1502?), De probatis vitis Sanctorum ab Al. Lippomano olim [1551-1560] conscriptis nunc primum emendatis et auctis (Bd. 1-6, Köln 1570-1576) des Laurentius Surius (1522-1578) sowie die Acta primorum martyrum sincera (Paris 1689) des Thierry Ruinart.
Die Quellen der christlichen Hagiographie sind Vita, Passio, Miracula, Translationsberichte, Briefe, Heiligenverzeichnisse, Kalendarien, Martyrologien bzw. Menologion und Synaxarion sowie liturgische Bücher wie Antiphonare, Sakramentare, Stundenbücher. Zu den kultgeschichtlichen Quellen gehören Reliquienverzeichnisse, Reliquiare und die ihnen eingefügten Beschriftungen (Authentiken), Memorien, Altäre und Altartituli (Inschriften mit den Namen der Heiligen) sowie Weihenotizen (notae dedicationis), Plastiken und bildliche Darstellungen.
Doch nicht nur das Christentum, sondern auch Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus und Daoismus haben, zum Teil schon lange vor der Entstehung des Christentums, Vorstellungen von vorbildlichen und daher einer Verehrung würdigen Menschen entwickelt, denen die Herausbildung vielfältiger Gedächtnis- und Kultformen entspricht.

Lit.: Stadler, Johann Evangelist/Heim, Franz Joseph (Hrsg.): Vollständiges Heiligen-Lexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, Seligen etc. … in alphabetischer Ordnung, mit zwei Beilagen, die Attribute und den Kalender der Heiligen enthaltend, Bd. 1-5. Augsburg: Schmid, 1858-1882; Subsidia Hagiographica. Brüssel: Société des Bollandistes, 1886ff.; Bibliotheca hagiographica latina antiquae et mediae aetatis, Bd. 1-2 (= Subsidia Hagiographica. Bd. 6). Brüssel: Société des Bollandistes, 1898-1901 (Reprint 1992).
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