Fatalismus

Eine Weltanschauung (lat. fatalis, das Schicksal betreffend), der zufolge das Geschehen in Natur und Gesellschaft durch eine höhere Macht oder aufgrund logischer, nicht durchschaubarer Notwendigkeit vorherbestimmt ist. Den Fatalisten zufolge sind die Fügungen des Schicksals unausweichlich. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig, dass menschliche Entscheidungen und Handlungen bedeutungslos seien. Mit der Überzeugung vom eigenen Ausgeliefertsein verbindet sich im Fatalismus die „Schicksalsergebenheit“. Das Fatum bzw. das Schicksal ist unbeeinflussbar. F. kann weder mit dem Begriff Prädestination noch mit dem Begriff Determinismus gleichgesetzt werden.
Der antike griechische Glaube an die Moiren, die klassischen Schicksalsfrauen, und deren oft unheilvolle Rolle nach einer Geburt, erwies sich als außerordentlich resistent und ist heute noch lebendig. Mit der Lehre der göttlichen Vorherbestimmung nahm die Weltbetrachtung eine theistische Färbung an.
Die vedische Religion, die älteste aus Schriftquellen bekannte Religion Indiens, kannte die Idee eines allmächtigen, unabwendbaren Schicksals noch nicht. Erst die epische Literatur des frühen Hinduismus rückte fatalistische Begriffe und Vorstellungen markant in den Vordergrund. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete vor allem die im Volksglauben verwurzelte Astrologie.
Nach der Lehre des Konfuzius sendet das Schicksal der Himmel, der über Leben und Tod, über Krankheit, Reichtum und Ansehen, Talent und charakterliche Veranlagung bestimmt.
Nach der griechischen und römischen Mythologie sind vor allem für die Vorbestimmung der Lebensdauer drei Göttinnen zuständig, die bei den Griechen Moiren, bei den Römern Parzen oder Tria Fata genannt werden. Zudem sollte sich künftiges Unheil bevorzugt durch einen Orakelspruch ankündigen.
Dem Christentum zufolge ist der Mensch keinem unausweichlichen Schicksal ausgeliefert, sondern wird von der göttlichen Vorsehung ohne Beraubung seiner Freiheit und Verantwortung geführt.
Nach der Einführung des Islam war in der arabischen Kultur weiterhin die traditionelle Neigung zum Fatalismus vorhanden, weil auch die neue Religion ihr einen Nährboden bot. Die fatalistische Weltbetrachtung nahm fortan eine theistische Färbung an und vermischte sich mit der Lehre von der göttlichen Vorherbestimmung. Laut Koran kann dem Menschen nämlich nur das widerfahren, was Gott bereits schriftlich aufgezeichnet hat.
In afrikanischen ethnischen Religionen erscheint die höchste Gottheit häufig als Schicksalsmacht.
Fatalistische Vorstellungen, nach denen das höchste Wesen der souveräne Beherrscher der Daseinsmächte ist und Glück und Unglück willkürlich zuteilt, kennzeichnen das Weltbild auch in den indigenen Religionen der Schilluk, Kaffa, Massai, Chagga, Ovambo, Barundi, Ila und Dama.

Lit.: Diderot, Denis: Jacques der Fatalist und sein Herr. Erstausgabe von 1796; Bernstein, Mark H.: Fatalism. Lincoln/London: University of Nebraska Press, 1992; Oertner, Monika: Fatalismus. Eine Begriffs-, Phänomen- und Problemanalyse unter exemplarischer Berücksichtigung der Lehren Chrysipps und Calvins. Konstanz: Hartung-Gorre, 2005.
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