Ei

Spielt als Keimzelle des Lebens in der Vorstellung der Weltschöpfung und des Weltbeginns eine besondere Rolle. Nach einem alten Naturmythos entstand der erste Gott aus einem Ei, das im Sumpfdickicht lag. > Ägyptische Totenbuchtexte (Kap. 56/9) nennen dieses verborgene Ei „das Ei des großen Schnatterers“. Wer dieser ist, bleibt im Dunkeln. Nach einer anderen Stelle (Kap. 77) kam der > Sonnengott selbst als > Falke aus dem Ei hervor. Als Urheber des Eis wird > Ptah angesprochen. Beliebt waren eiförmige > Amulette. Durch sie glaubte man, sich die Kraft des in ihm ruhenden Urgottes aneignen zu können, weshalb man sie auch Toten mitgab. Bedeutungsvoll ist dabei die Bezeichnung des inneren, mumienumschließenden Sarges als „Ei“, woraus eine Jenseitshoffnung abzuleiten ist.
Auch in vielen religiösen und mystischen Kosmologien ist das E. der Ursprung des Universums. Das goldene Ei der Hindus, aus dem nach dem Brüten > Brahma, der die Sonne verkörperte, schlüpfte, heißt > Hiranyagarbha.
In der griechischen Kosmologie (Orphik) ist das Ei Symbol der Einheit des Universums. Das Gelb stellt die Erde dar, das Weiß das Wasser, in dem die Erde schwimmt, die Schale den Himmel.
Von der Orphik gelangte die Symbolik des E. in die > Alchemie, wo das philosophische E. die > Materia prima bezeichnet, aus der in der Hitze des vitalen Feuers der > Stein der Weisen (Lapis philosophorum) „ausgebrütet“ wird. Der Dotter gilt dabei als Symbol des > Goldes.
In den antiken Frühlingsfeiern symbolisiert das E. die Fruchtbarkeit. Daraus entwickelte sich die christliche Symbolik der Auferstehung Christi, der wie ein Küken dem E., d.h. dem Grab, entschlüpft ist. Daran erinnert das Osterei.
Da das Hühnerei seit jeher als magischer Gegenstand betrachtet wurde, war in der Vergangenheit auch weithin der Glaube verbreitet, die Hexen würden in unzerbrochenen Eierschalen die stürmischen Meere befahren oder könnten mit Hilfe der Schalen auf jene Person einwirken, die den Inhalt der Schalen verspeist hatte. Daher zerdrückte man in manchen Gegenden nach den Mahlzeiten die Eierschalen, um > Schadenzauber zu verhindern.
In einigen Ländern wie Albanien dienten E. auch als Schutz gegen den > bösen Blick.

Lit.: Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Pickering, David: Lexikon der Magie und Hexerei. Bechtermünz Verlag, 1999. Bonnet, Hans: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter, 2000; Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Symbole der alten Ägypter. Frankfurt a.M.: S, Fischer Verlag, 2005.
Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.