Dunkle Nacht der Seele

Deutscher Titel der Schrift Noche obscura del alma (1583-85) des spanischen Mystikers Johannes vom Kreuz (1542-1591).
Nach der klassischen Darstellung des Johannes vom Kreuz bezeichnet die D. N., in Anlehnung an seine biografische Erfahrung, die nächtliche Flucht aus dem Gefängnis von Toledo und das darin erlebte Glück, Gott zu begegnen Symbol der Erfahrung des Glaubens als Dunkelheit und Abwesenheit Gottes auf dem Weg zur liebenden Einheit mit Gott; Schmerz und Nichterfahrung Gottes zur Reinigung von den irdischen Bindungen des Menschen.
Ferner unterscheidet man zwei Arten: die D. N des Geistes, wo dem Verstand alle Gewissheit und alle Sinnzusammenhänge entzogen sind, und die D. N. der Sinne, wo weder Gefühle noch Empfindungen den Glauben an Gott als etwas Sinnvolles erscheinen lassen.
Der Gedanke der göttlichen Dunkelheit geht auf
Philo zurück und findet sich sowohl im östlichen als auch im westlichen Christentum. Dionysius Areopagita lädt dazu ein, Gott in der lichtesten Finsternis, ohne zu sehen und ohne zu erkennen, zu begegnen; für Marguerite Porete ist erst die „vernichtete Seele“ voll mit Gott verbunden; nach Johannes Tauler ist der Weg zu Gott für jeden Glaubenden mit Bedrängnis gepflastert; nach Teresa von Ávila führt erst die Nicht-Erfahrung Gottes zur Reife des Glaubens.
Die D. N. ist auch biblisch begründet: z.B. im nächtlichen Kampf Jakobs mit Gott (Gen 32); im Leuchten des Lichts in der Finsternis (Joh 1,5), in der Umnachtung Jesu am Kreuz und seinem Schrei der Verlassenheit.

Lit: Johannes vom Kreuz: Die dunkle Nacht der Seele: sämtliche Dichtungen. Salzburg: Müller, 1952; Noël, Marie: Erfahrungen mit Gott: eine Auswahl aus den Notes Intimes. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 1961; Fuchs, Gotthard: Die dunkle Nacht der Sinne: Leiderfahrung und christliche Mystik. Düsseldorf: Patmos, 1989.
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