Cottin, Angelique

(*1833), das „elektrische“ Mädchen aus dem Provinzstädtchen Bouvigny in Frankreich.
Am Abend des 15. Januar 1846 traten bei der 13-jährigen gesunden und kräftigen, geistig aber unentwickelten A.C. plötzlich paranormale Phänomene auf, die mit kurzen Unterbrechungen bis zum 10. April anhielten und von Anfang an von einem wissenschaftlich interessierten Arzt namens Dr. Tanchou und dem in der Nähe wohnenden Schlossbesitzer genau beobachtet und aufgezeichnet wurden.

An besagtem Tag um 8 Uhr abends wob C. zusammen mit drei anderen Mädchen an einer Webvorrichtung aus Eichenholz Seidenhandschuhe, als der Rahmen, an dem sie arbeiteten, plötzlich herumzuspringen begann. Die Mädchen konnten ihn nicht halten und riefen die Nachbarn zu Hilfe, die ihnen aber nicht glaubten und sie zur Fortsetzung der Arbeit aufforderten. Sie kehrten zurück und der Rahmen blieb ruhig, bis sich C. näherte. Sofort begann er wieder herumzutanzen. Die Mädchen hatten Angst, doch fühlte sich C. vom Rahmen seltsam angezogen.
Die Eltern hielten ihre Tochter für besessen und brachten sie zum Pfarrer, damit er ihr den Exorzismus spende. Dieser wollte jedoch das Phänomen mit eigenen Augen sehen. Als er feststellte, dass es sich um ein physikalisches Phänomen handelte, riet er den Eltern, das Mädchen zum Arzt zu bringen.
Inzwischen häuften sich die sonderbaren Ereignisse. Alles, was das Mädchen direkt oder indirekt berührte, z.B. mit dem Kleidersaum, seiner Schürze, der Kante eines Blattes Papier, einem seidenen Faden u. dgl., wurde fast unbemerkt kurz angezogen und sogleich mit größter Heftigkeit wieder fortgeschleudert. Es waren nicht nur kleine Gegenstände wie Scheren oder Kohlenschaufeln, sondern auch Sofas, Truhen, schwere Betten, Kisten usw. – Gegenstände bis zu 150 kg. Kam C. gleichzeitig vorne und hinten mit zwei Möbelstücken in Berührung, wurden diese entsprechend nach entgegengesetzten Richtungen abgestoßen. C. selbst hatte Angst und vermied Berührungen, wenn sie diese Zustände hatte, denn sie traten nur zu gewissen Tageszeiten auf, morgens zwischen 8 und 9 und abends zwischen 19 und 21 Uhr. Und am stärksten waren sie, wenn C. in direktem Kontakt mit dem Boden stand. Dabei stieg ihr Puls auf 120 Schläge pro Minute. Zudem wurde des Öfteren ein kalter Windhauch verspürt.
In Paris, wohin sie der Arzt mit ihren Eltern brachte, wurde C. dem Wissenschaftler François Arago vorgestellt, der sie in sein Labor aufnahm und die Akademie der Wissenschaften informierte. Es wurde eine sechsköpfige Kommission aufgestellt, darunter Arago, Bequerel, Isidore, Geoffroy, St. Hilaire und Babinet. Alle bestätigten, dass die Phänomene echt waren, aber auf Muskelkraft beruhten. Arago verfasste im Journal des débats (Februar 1846) einen Bericht, in dem er u.a. bemerkt, dass die abstoßenden Kräfte vor allem von der linken Seite ausgingen, während ihr Körper erschüttert wurde wie bei einem elektrischen Schlag. Auf die Frage, wie bis zu 150 kg schwere Gegenstände durch die Muskelkraft eines Mädchens weggeschleudert werden können, wurde nicht eingegangen.
In Paris unternahmen die Eltern den Versuch, C. gegen Bezahlung als Attraktion vorzustellen, gegen den Willen der Wissenschaftler. Doch am 10. April 1846 hörten die Phänomene plötzlich auf, ohne sich je zu wiederholen.

Lit.: Tanchou: Enquête sur l’authenticité des phenomènes electriques d’Angelique Cottin. Paris: Germ. Baillère, 1846; Rochas, Albert de: Die Ausscheidung des Empfindungsvermögens. Leipzig: M. Altmann, 1925.
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