Charadrius, Caradrius

(Vulgärlat.; griech. charadrios), ein im Physiologus, einem frühchristlichen Kompendium der Tiersymbolik (im 2. Jh. vermutlich in Alexandria, Ägypten, entstanden), in Text und Bild dargestellter Vogel, der am Bett eines Kranken die Heilungsmöglichkeit anzeigt: Setzte er sich so hin, dass sein Kopf dem Kranken zugekehrt war, besagte dies Aussicht auf Heilung; wandte er den Kopf jedoch ab, gab es keine Hoffnung.
Was im deutschen MA über C. berichtet wird, geht auf den jüngeren Physiologus zurück, eine um 1130 niedergeschriebene Übersetzung der lateinischen Bearbeitung einer griechischen Zoologie aus dem 2. Jh. Auch dort steht, dass wenn der Vogel sich abwende, der Kranke sterbe, wenn er sich ihm jedoch zuwende und den Schnabel über den Mund des Kranken halte, um dessen „Unkraft“ an sich zu nehmen, und sodann zur Sonne auffahre, werde der Kranke gesund. Diese Eigenschaft wurde auf Christus übertragen, der unsere Krankheiten und Schmerzen auf sich nahm. So wurde der dem Kranken zugewandte C. zum Symbol für Christus.
Ähnliches sagt > Albertus Magnus, der neben Caladrius auch die Form Caladrion nennt und hinzufügt, dass der Vogel aus Persien stamme und von manchen Königen als Orakeltier bei Krankheiten gesucht werde.

Lit.: Albertus <Magnus>: De animalibus, 12. Jan. 1479; Lauchert, Friedrich: Geschichte des Physiologus. Straßburg: Trübner, 1889; Henkel, Nikolaus: Studien zum Physiologus im Mittelalter. Tübingen: Niemeyer, 1976; Physiologus. Frühchristliche Tiersymbolik; übers. u. hrsg. von Ursula Treu; Berlin: Union Verlag, 1981.
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