Cardanus, Hieronymus

(* 24.09.1501 Pavia; † 21.09.1576 Rom), Mediziner, Mathematiker, Naturwissenschaftler, Astrologe, Philosoph und Schriftsteller, Prototyp des Universalwissenschaftlers der Renaissance.
Von 1520-1526 studierte C. in Pavia und Padua Medizin und arbeitete nach der Promotion zum Dr. med. als Arzt von 1532 an in Mailand, wo er neben der medizinischen Praxis auch als Dozent für Mathematik tätig war. 1536 erschien sein Werk De malo recentiorum medicorum medendi usus libellus, in dem er, ähnlich wie sein Zeitgenosse > Paracelsus, die galenische Schulmedizin durch eigene Beobachtungen zu ersetzen suchte. Von 1543 bis 1552 und dann von 1559 bis 1560 war er Professor für Medizin in Pavia, 1562 in Bologna. 1551/52 folgte er einer Einladung nach Schottland. Seine letzten Jahre waren überschattet von Inhaftierung und Häresie. Da er sich zu einer pantheistischen Naturphilosophie bekannte, wurde er der Häresie angeklagt und am 16. Oktober 1570 vom Heiligen Offizium eingesperrt, nach 77 Tagen aber auf Kaution freigelassen. Beim Prozess am 18. Februar 1571 musste er einige Irrtümer in De rerum veritate widerrufen und durfte nicht mehr veröffentlichen. Schließlich übersiedelte er nach Rom, wo er zahlreiche Prälaten behandelte. 1573 erhielt er vom neuen Papst Gregor XIII. eine Pension. C. starb bald nach Vollendung seiner Autobiografie De propria vita (1575) in Rom.
In seinen über 200 Werken beansprucht C., 40.000 kleinere und größere Probleme gelöst zu haben. Auf mathematischem Gebiet verfasste er wertvolle Werke wie Practica arithmetica (1539) und De regulis algebraicis (1545), wobei er im Liber de ludo alae eine brauchbare Untersuchung der Wahrscheinlichkeitsrechnung vorlegte. In seinem Buch zur Physiologie, Metoposcopia (1546), versuchte er aus den Details der Gesichtsbildungen von 800 Fällen Entsprechungen für menschliche Charaktertypen aufzuzeigen, und zwar aus den astrologisch gedeuteten Stirnlinien.
Zwiespältig sind hingegen seine naturkundlich-naturphilosophischen Werke. In seinem philosophischen Hauptwerk De subtilitate libri XXI (1550) stellt er seine Sammlung von Theorien über den gesamten Bereich der Natur dar. Dabei ist für ihn „subtilitas“ alles, was dem sinnlichen und intellektuellen Erkennen der Sache nach Schwierigkeiten bereitet. Solche Schwierigkeiten seien auf die > Sympathie und > Antipathie der Dinge zurückzuführen.
Das Werk De rerum varietate libri XVII (1557) bringt eine Abhandlung über die physischen, himmlischen und irdischen Phänomene (Buch 1-8), eine Untersuchung der Künste und Handwerke, durch die der Mensch die Natur verändert (Buch 9-13), und eine Abhandlung über die Wahrsagekunst, die als privilegierte Form menschlichen Wissens dargestellt wird (Buch 14-17). Dementsprechend sind auch die Fähigkeiten des Menschen dreifach gegliedert: Der Geist dient der Erkenntnis des Göttlichen, die Vernunft der Erforschung der physischen Phänomene und die Hand der Benutzung des Körperlichen.
In De arcanis aeternitatis (lat., Von den Geheimnissen der Ewigkeit) befasst sich C. mit den Wahrheiten, die hinter der Wirklichkeit stehen und denen sich der Mensch nur durch Mutmaßungen nähern kann, und zwar durch Wahrsagen und Mathematik. Während jedoch die > Wahrsagekunst den Menschen höheren Mächten übergibt und so an einem realen Wesen teilhat, beruht die mathematische Erkenntnis auf der Tatsache, dass sie nicht über den Bereich unserer Phänomene hinausgeht. Die vollkommene Erkenntnis steht nur Gott zu, die sich quantitativ wie qualitativ vom Menschen abhebt. Der Versuch des Menschen, die Identität der beiden Wissensarten zu erreichen, ist nach C. der Ursprung aller menschlichen Fehler.
Entsprechend den genannten Beschreibungen von Natur, Mensch und Gott sind auch seine Ansichten in den Bereichen der > Paranormologie zwiespältig. Bald erklärt er die Astrologie, Chiromantie, Alchemie und Magie für trügerische Künste, kritisiert, dass man in Worten und Charakteren übernatürliche Kräfte suche, nennt die Gespenster Geschöpfe der Einbildungskraft, reklamiert für sich aber einen spiritus familiaris, einen Hausgeist, leitet die Schicksale und Fehler der Menschen aus der Konstellation der Sterne bei der Geburt ab und nennt sich selbst einen Propheten und > Thaumaturgen (Wundertäter). Die Grundlagen der > Inquisition stellt er nicht in Frage, wendet sich aber entschieden dagegen, dass Lügen und Gerede für eine Anklage herangezogen werden. Er glaubt auch an die Möglichkeit, dass die sog. > Hexensalben eine psychoaktive Wirkung hätten. Die > Teufelsbuhlschaft versucht er dadurch zu klären, dass die Dämonen sich an Leichen vergehen, die sie zu diesem Zweck wiederbeleben.
Seine Werke berichten auch von > Visionen und > Astralreisen, insbesondere in seinem Traumbuch De somniis (1585). Schließlich dürfte C. selbst paranormale Fähigkeiten besessen haben.

Lit.: Cardano, Girolamo: Opera omnia/Hieronymi Cardani Mediolanensis. Curâ Caroli Sponii. Faks.-Neudr. d. Ausg. Lyon 1663/mit e. Einl. von August Buck. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann, 1966.

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