Brücke

(Lat. pons; engl. bridge; it. ponte), Verbindung zweier getrennter Bereiche und Symbol der Verbindung und Vermittlung. Weit verbreitet ist die Vorstellung von einer B., die ins > Jenseits führt. Als solche gilt z. B. auch die Milchstraße, auf der die Seelen die irdische Welt verlassen. Nach alter finnischer Überlieferung führt über den Todesfluss eine B., die nur aus einem dünnen Fanden besteht. Im Islam ist diese B. so scharf wie ein Schwert und in der christlichen Literatur des Mittelalters wird von der pons periculosus, der gefährlichen B., gesprochen, die den Höllenfluss überquert und zum Himmel führt. Nordgermanische Brücken zum Jenseits waren > Bifröst und > Gjallarbru.
Die B. hat zudem grundsätzlich etwas Bedrohliches an sich. So waren bei den Römern lokale Dämonen zu besänftigen, Opferaltäre sollten Schutz gewähren und die verbreiteten Brückenopfer bildeten einen wichtigen Bestandteil der > Bauopfer. Die Vestalinnen hatten z.B. jährlich 24 bis 30 Binsenpuppen von der alten Holz-B. in den Tiber zu werfen. Beim Bau einer B. wurde dem genius loci, dem > Schutzgeist des Ortes, ein Opfer dargebracht, das dem Pontifex oblag – eine Bezeichnung, die später im übertragenen Sinn vom Papst als „Brückenbauer“ zwischen Diesseits und Jenseits übernommen wurde.
Die psychologische Deutung der B. ist vielfältig. In der Psychoanalyse ist sie ein Sexualsymbol für Einladung und Angst. In der analytischen Psychologie wird sie als Verbindung von Bewusstsein und Unbewusstem beim Selbstwerdungs- und Individuationsprozess bezeichnet.

Lit.: Jeremias, Joachim: Zur Überlieferungsgeschichte des Agraphon: „Die Welt ist eine Brücke“. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1953; Kybernetik: Bruecke zwischen den Wissenschaften; 29 Beitraege namhafter Wissenschaftler u. Ingenieure/Helmar Frank [Hrsg.]. 4., grundl. überarb. u. erhebl. erw. Aufl. Frankfurt a.M.: Umschau-Verl, 1964; Dinzelbacher, Peter: Die Jenseitsbrücke im christlichen Mittelalter. Diss., Wien, 1973.
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