Blei

(Lat. plumbum, Abk. Pb), chemisches Element, Ordnungszahl 82, gehört zu den am längsten bekannten Metallen. Dies ist auf seine leichte Reduzierbarkeit und auf die auffallend glänzenden, meist würfelförmigen Kristalle des wichtigsten Bleierzes, des Bleiglanzes (Galent, Bleisulfid, PbS), zurückzuführen, die nicht selten auch oberflächlich zutage treten. Durch den Silbergehalt seiner Erze spielt das B. nicht zuletzt eine erhebliche Rolle in der Geschichte des > Silbers.
Das B. war bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. im Mittelmeerraum und im Zweistromland bekannt, so bei den Sumerern, den Assyrern, in Mykene und Troja. In Ägypten lässt sich B. im 2. Jahrtausend v. Chr. belegen. In der Bronzezeit (1800 bis ca. 700 v. Chr.) verbreitete es sich auch in Mitteleuropa. Durch die Phönizier gelangte spanisches B. nach Ägypten und Griechenland.

Ursprünglich dürfte der Name B. vom indogermanischen „mliwom“ für blau stammen, von dem sich das germanische „bly“ ableitet. Das lateinische plumbum bedeutete ursprünglich nur „Ziegel“ oder „Barren“. Plinius der Ältere (23-79) spricht in seiner Historia naturalis von Plumbum nigrum (schwarzem Blei) und Plumbum album (weißem Blei = Zinn).
Da B. früher bei der Herstellung von Särgen und Urnen verwendet wurde, um die Geister fernzuhalten, galt es als ein zauberkräftiges Metall. Auf B.täfelchen schrieb man > Zaubersprüche. B.plättchen (chartae plumbae), wie Kaiser Nero sie trug, sollten zu einer schönen Gesangsstimme verhelfen. Der griechische Held > Bellerophóntes tötete das Ungeheuer > Chimaira, indem er ihm einen B.klumpen in den Rachen warf, der im Feueratem schmolz und die Eingeweide zerstörte. Nach einem in Schottland verbreiteten Glauben prallten B.kugeln, gegen eine > Hexe geworfen, ab und töteten stattdessen die angreifende Person. Hingegen konnte B. benutzt werden, um herauszufinden, ob irgendwo Hexerei am Werk war.
Wegen seines hohen Gewichts ist B. ein Symbol der Schwere im physischen wie im psychischen Sinn (bleierne Müdigkeit, bleierne Last).

Eine besondere Rolle spielte B. in der frühen > Alchemie, wo es mit > Saturn identifiziert wurde, den man oft als gebückten Greis mit einer > Sense, gelegentlich auch als grauen Zwerg, darstellte; er galt als kalt, feucht, krank und melancholisch machend. Als Antipode der Sonne bzw. des > Goldes ist er der passende Planet, um das B., den der > Materia prima nahestehenden Ausgangspunkt des > Opus magnum der Alchemisten, zu symbolisieren. Zudem war B. in der Alchemie Bestandteil der > Tetrasomie (> Kupfer, > Zinn und > Eisen); darüber hinaus wurde es auch zum unedlen Urmetall an sich, da die Metalle der Tetrasomie aus ihm hervorgingen. So wurde B. neben Kupfer zum wichtigsten Ausgangsmaterial der antiken Alchemie. Aurum philosophorum est plumbum („Der Philosophen Gold ist Blei“) heißt es im alchemistischen Werk der > Pandora.
Wegen seiner leichten Schmelzbarkeit hielt man es für stark wasserhältig und brachte es in Verbindung mit > Osiris, der nach seiner Wiederbelebung zum Herrscher alles Flüssigen und zum Leben spendenden Garanten des Nilwassers wurde.

Das heute noch praktizierte > Bleigießen, bei dem geschmolzenes Blei in Wasser gegossen wird und die dabei entstehenden Figuren auf künftige Ereignisse hin gedeutet werden, ist ein alter Orakelbrauch.

Lit.: Schmidt, L.: Das Blei in seiner Volkstümlichen Geltung. Mitteilungen des Chemischen Forschungsinstitutes der Industrie Österreichs II/1948; Schmidt, Leopold: Heiliges Blei in Amuletten, Votiven und anderen Gegenständen des Volksglaubens in Europa und im Orient. Wien: Montan-Verl, 1958; Priesner, Claus/Karin Figala (Hg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München: Beck, 1998; Schütt, Hans-Werner: Auf der Suche nach dem Stein der Weisen: die Geschichte der Alchemie. München: Beck, 2000; Haebler, Anna: Bleigießen: Gießen, Bestimmen und Deuten der Bleifiguren. München: Ludwig, 2000; Schreiber, Hermann: Geschichte der Alchemie. Erftstadt: area, 2006.
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