Baumkult

Verehrung des Baumes als Träger göttlicher und geheimnisvoller Kräfte. Man sieht den Baum wachsen, sich bewegen und hört ihn rauschen wie die Stimme eines Lebenden; man hält ihn für einen hilfreichen Geist, für den man Gaben in die Zweige hängt, den man berührt, um seine Kräfte aufzufangen und mit der Mutter Erde in Verbindung zu treten. Von der Erdmutter hat er die Fähigkeit geerbt, die Zukunft zu kennen; damit besitzt er eine weissagende Funktion, die sich besonders in der germanischen Mythologie erhalten hat. Der germanische Gott > Odin hängte sich neun Tage lang an der tief verwurzelten Esche > Yggdrasil auf, um an das geheime Wissen der > Runen zu gelangen.
Schon Tacitus berichtet (Germania 9), dass die Germanen Haine und Wälder verehrten. Diese Verehrung lebte auch nach der Christianisierung im Volksglauben noch lange weiter. So wird in süddeutschen Beichtspiegeln des 15. Jhs. das Baumopfer („Baumfüttern“) erwähnt.
Im prähistorischen Kreta verehrte man Bäume als Erscheinungen der Götter. In der griechisch-römischen Antike finden wir in > Dodona den Kult der Eiche, zu Olympia den des wilden Ölbaums.

Auch die Buddhisten stellten sich den Wald beseelt vor. Wenn eine Baumgottheit den Menschen erscheinen will, so zeigt sie sich in den Zweigen, kann aber auch ganz aus dem Baum hervortreten und als > Brahmane umherwandeln.
Bäume werden nicht zuletzt wegen ihrer magischen Heilkraft verehrt. So wird ein Kranker, der durch einen gespaltenen Baum kriecht, von seinem Leiden angeblich geheilt.

Lit.: Höfler, Max: Wald- und Baumkult in Beziehung zur Volksmedicin Oberbayerns. München: E. Stahlsen, 1892; Harva, Uno: Der Baum des Lebens: Göttinnen und Baumkult. Bern: ed. amalia, 1996; Magie und Mythos der Bäume. Wien: Ed. Brandstätter, 1997; Eggmann, Verena: Baumzeit: Magier, Mythen und Mirakel; neue Einsichten in Europas Baum- und Waldgeschichte. Zürich: Werd-Verl., 2003.

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