Attis/Attys

Phrygischer Vegetationsgott. In einer vermutlich älteren Version des Mythos ist A., wie > Adonis, ein schöner Jüngling, der auf der Jagd von einem Eber getötet wird. Nach einer jüngeren Version der Sage wird Agdistis, ein gefährliches von > Zeus abstammendes Zwitterwesen, von > Dionysos trunken gemacht und entmannt sich unwillkürlich beim Erwachen aus dem Rausch. Aus seinen Geschlechtsteilen erwächst ein Mandelbaum. Die Tochter des Flussgottes Sangarius, Nana, wird von einer Frucht dieses Mandelbaumes schwanger und gebiert den schönen A. Agdistis, so der in Pessinus gebräuchliche Name der > Großen Mutter, liebt A. leidenschaftlich. Als ihr A. mit der pessinuntischen Königstochter bzw. einer Nymphe die Treue bricht, entbrennt Agdistis in solcher Eifersucht, dass sie sich an A. rächt, indem sie ihn wahnsinnig werden lässt. Der Rasende entmannt sich unter einer Pinie und stirbt auf der Stelle. Aus seinem Blut erwachsen Frühlingsblumen und Bäume. Agdistis, die oft auch mit > Kybele identifiziert wird, bereut die Tat, kann A. aber nicht mehr wiederbeleben. Zeus verspricht ihr lediglich, dass der Körper des A. nicht verwesen werde.
204 v. Chr. gelangte A. mit der Großen Mutter nach Rom, wo sich die Kulthandlungen im Rahmen des Frühlingsfestes über zwei Wochen hinzogen. Am 22. März wurde eine Pinie gefällt und als Symbol des A. von den Gallen (galli = Verschnittene), den Baumträgern, zum Heiligtum gebracht. Dann trauerte man um den toten A. Am 24. März steigerten sich die Diener des A. unter Lärm und wilden Tänzen in eine orgiastische Ekstase hinein, wobei sie sich Schnittwunden zufügten. Die neu aufgenommenen Baumträger entmannten sich nach dem Vorbild ihres Gottes (dies sanguis = Tag des Blutes).

Lit.: Hebding, H.: Attis, seine Mythen und sein Kult, 1903 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten; 1); Vermaseren, Maarten Jozef: Der Kult der Kybele und des Attis im römischen Germanien. Stuttgart, Aalen, 1979; Frazer, James George: Adonis, Attis, Osiris: Studies in the History of Oriental Religion. 3. ed. reprinted. London: Macmillan, 1980.
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