Askese

Griech., Übung, Verzicht; Übung in der Beherrschung des Körpers mit seinen Sinnen und seinem Begehren und Übung in der Entfaltung von Seele und Geist zur Erreichung des Ideals der Weisheit, der Tugend und Frömmigkeit. A. ist somit eine Grundhaltung persönlicher Lebensgestaltung, die sich bereits in sehr alten Kulturen, in Hochreligionen, Naturreligionen, philosophischen Strömungen und seit Neuestem in zahlreichen Gesundheitsbewegungen findet.
Im Alten Testament wird A. unter „Beten, Fasten und Almosen geben“ zusammengefasst (Tob 12,8). Die Griechen verstehen A. als Übung zum Erreichen einer Kunstfertigkeit (Homer, Herodot), als körperliches (Thukidides, Xenophon, Plato) und militärisches Training (Sophisten), als Enthaltung (Stoiker, Epiktet, Ältere Sophistik) und als religiöse Übung (Isokrates, Philo von Alexandrien). Im Neuen Testament bedeutet A., das Kreuz auf sich zu nehmen und Christus nachzufolgen (Mt 16,24).

Während in lebensbejahenden Religionen mit positiver Auffassung von Welt und Körper (vorderorientalische Schriftkulturen, Naturreligionen, Konfuzianismus, Judentum) eher eine negative Einstellung zur Askese vorherrscht, gewinnt sie in lebensverneinenden Religionen und hier vor allem in dualistischen Anschauungen (> Gnostizismus, > Manichäismus) und in Mönchskreisen des Hinduismus, Buddhismus sowie des chinesischen Taoismus ein vielgestaltiges Gesicht. Verzicht, Enthaltsamkeit, Gottesfurcht und Frömmigkeit bilden auch die Grundhaltung der gesamten islamischen Pflichtenlehre.
Das Verhaltensspektrum des Asketen reicht, je nach Weltanschauung, von der einfachsten Selbstkontrolle über Fasten, Schlafverzicht, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Einmauern in Reklusen oder Ausharren auf einer Säule bis zur täglichen Kasteiung.
„Petrus von Alcantara (1499-1562) hat nach den Zeugnissen der hl. Teresa, die mit ihm in vielfacher Verbindung stand, 40 Jahre hindurch, bei Tag und Nacht nie mehr als anderthalb Stunden, und zwar sitzend, das Haupt an einen Pfahl gelehnt, geschlafen, meist nur über den dritten, oft erst über den achten Tag Brot und Wasser gegessen und durch jegliche Abtötung das organische Leben in seiner leiblichen Ent­wicklung in so enge Schranken zurückverwiesen, dass er aussah wie aus Baumwurzeln zusammengeflochten“ (Benz, S. 49).
Bei der Bevölkerung genießt der Asket nicht nur wegen seiner strengen Lebenshaltung eine besondere Verehrung, sondern vor allem auch, weil die A. die intellektuellen und visionären Fähigkeiten steigert und in besonderen Fällen zu Visionen und Verzückungen führen kann. So wird von der hl. > Margareta von Ungarn, die äußerst asketisch lebte, berichtet, dass sie die Gabe der > Weissagung besaß, sich über den Boden erheben, Heilwunder bewirken und das Wetter beeinflussen konnte.
Diese Wertschätzung der Askese hat allerdings auch zu scheinasketischem Verhalten geführt, indem man vorgab, auf Nahrung zu verzichten, während man sich heimlich reichlich sättigte, weshalb allzu asketisches Verhalten in den Ruf der Betrügerei geriet. So wurde > Therese von Konnersreuth wegen ihrer > Nahrungslosigkeit der heimlichen Nahrungsaufnahme beschuldigt.
Während die religiöse Askese der persönlichen Vergeistigung und der Gottesbegegnung dient, konzentriert sich die rein immanent ausgerichtete Askese auf das Wohlergehen des eigenen Körpers. Neben den tausend Rezepten der gesunden Ernährung des offiziellen Gesundheitswesens wartet die > Esoterik mit Alternativvorschlägen auf, die vom Mondkochbuch bis zur reinen Lichtnahrung reichen.
Sicher ist, dass jede körperliche, seelische und geistige Entfaltung eine entsprechende A. erfordert, die jedoch Leib, Seele und Geist bereichern und nicht mindern soll.
Schließlich ist noch zu bemerken, dass A. auch pathologische Züge aufweisen kann, damit ein therapeutisches Problem darstellt und nichts mehr mit Persönlichkeitsentfaltung zu tun hat.

Lit.: Auer, Albert: Die philosophischen Grundlagen der Askese. Salzburg: Jgonta, 1946; Benz, Ernst: Die Vision. Erfahrungsformen und Bilderwelt. Stuttgart: Klett, 1969; Nikolau, Theodoros: Askese, Mönchtum und Mystik in der orthodoxen Kirche. St. Ottilien: EOS-Verl., 1996; Gramlich, Richard: Weltverzicht: Grundlagen und Weisen islamischer Askese. Wiesbaden: Harrassowitz, 1997; Krön, Martin: Das Mönchtum und die kulturelle Tradition des lateinischen Westens: Formen der Askese, Autorität und Organisation im frühen westlichen Zönobitentum. München: tuduv-Verl.-Ges., 1997; Stahlmann, Ines: Der gefesselte Sexus: weibliche Keuschheit und Askese im Westen des Römischen Reiches. Berlin: Akad.-Verl., 1997; Fürst, Alfons: Hieronymus: Askese und Wissenschaft in der Spätantike. Freiburg i.Br. u.a.: Herder, 2003; Hartmann, Götz: Askese und Heiligkeit: Voraussetzungen und Wirkmöglichkeiten charismatischer Autorität bei lebenden christlichen Heiligen der Spätantike. Jena, Univ., Diss., 2005.
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