Artemidoros von Daldis

(135-200), griech. Schriftsteller, der durch seine Schriften über die > Traumdeutung berühmt wurde. Seine Geburtsstadt ist eigentlich Ephesos, während seine Mutter aus Daldis in Lydien stammte. A. v. D. verfasste fünf Bücher mit dem Titel Oneirokritikon (griech. oneiros, „Traum“), die jahrhundertelang als Standardwerk der Traumdeutung galten. Auf seinen ausgedehnten Reisen hatte er sehr viel Fallmaterial gesammelt von Träumen, die sich in bestimmter Weise erfüllten. Schon bei ihm klingt die Vieldeutigkeit von Symbolen in Träumen an, welche ein großes Hindernis für die Zukunftsprognose anhand eines Traumes darstellt. Diese Schwierigkeit kommt in folgender Traumbeschreibung des A. v. D. zum Ausdruck: „Ein Mann hatte seinen Sohn als Ringkämpfer nach Olympia gebracht und träumte nun, dass der Sohn auf der Rennbahn getötet und begraben worden sei. Der Sohn wurde natürlich Sieger in den olympischen Spielen; denn ebenso wie man dem Toten eine Gedenktafel errichtet und ihn selig preist, so tut man dies auch bei den Siegern in den olympischen Spielen“ (Lehmann, 550). Oder ein anderes Beispiel aus der Sammlung des A. v. D.: „Ein Mann träumte, dass sein Stock zerbrochen wäre. Er wurde krank und lahm; seine körperliche Kraft und sein Wohlbefinden waren nämlich mit dem Stocke angedeutet. Als er nun über die anhaltende Lähmung sehr verstimmt war, träumte er wieder, dass sein Stock zerbrochen sei. Er wurde gleich gesund; der Traum sagte jetzt, er hätte seinen Stock nicht länger nötig“ (Lehmann, 550).
Seine Traumdeutung berücksichtigt bereits die Mehrdeutigkeit der Symbole, weist jedoch bestimmten Traumbildern eine feste Bedeutung zu. Träumt ein armer Mann, dass er in eine Frau verwandelt wird, so ist dies ein gutes Zeichen, denn es wird sich jemand seiner annehmen. Der gleiche Traum aber kündigt dem reichen Mann an, dass es mit seiner Autorität zu Ende ist. Ein Kranker stirbt, wenn er im Traum einen Gastwirt sieht, denn dieser heißt jeden willkommen wie der Tod. Trotz dieser festen Aussagen fordert A. v. D. die Kenntnis des Geisteszustandes und der sozialen Stellung des Träumenden.

W.: Viele Ausgaben des Oneirokritikon wie etwa Venedig 1518 (griech.), Lyon 1546, 1555 (franz.), Paris 1547 (franz.), Straßburg um 1580 (dt.), Paris 1603 (griech.-lat.), Rouen 1664 (franz.), Leipzig 1677, 1735 (dt.).
Lit.: Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste. Graz: ADEVA, 1968; Artemidorus <Daldianus>: Des griechischen Philosophen Artemidori grosses und vollkommenes Traum-Buch: In dem d. Ursprung, Unterschied u. d. Bedeutung allerhand Traeume, die einem im Schlafe vorkommen koennen, aus natuerlichen Ursachen hergeleitet u. erklaeret wird. Darmstadt: Bläschke, 1969; Drury, Nevill: Lexikon des esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Lehmann, Alfred: Aberglauben und Zauberei. Bindlach: Gondrom, 1990.
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