Aenigma

A. (griech.), > Rätsel, > Rätselwort, in Rätseln reden; Begriff aus der Mythenerklärung und der Orakelsprache. In diesem Zusammenhang taucht A. auch in der Philosophie auf. So heißt es bei Platon (Tim. 72 b2), dass die Seher in Rätselworten reden, die erst übersetzt werden müssen. Diese Aufgabe steht den Dolmetschern der Weissagungen, den Propheten, zu, da sie eine besondere Gabe verlangt. Später gelangte der Begriff in die Rhetorik zur Bezeichnung einer undurchsichtigen > Allegorie. Da das Unverständliche und Unverstandene in den Lebensäußerungen der Religion auch als das Rätselhafte verstanden werden kann, wird der > Orakel- und Prophetenspruch sachlich mit dem Begriff des Rätsels verknüpft. Das Wesen der prophetischen Offenbarung ist daher bei den Griechen und Juden eine Rätselrede, die der Auslegung bedarf. Prophetisch sehen wird daher auch als „im Spiegel“ sehen bezeichnet. Diesem unvollkommenen Sehen im Jetzt steht das eschatologische vollkommene Schauen gegenüber: „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13,12). Aus diesem Grunde bezeichnet > Nikolaus von Kues die Philosophie selbst als scientia aenigmatica („rätselhafte Wissenschaft“). „Als erstes aber bedenke mein Sohn , dass wir in dieser Welt durch Gleichnisse und Rätselbilder wandeln, weil der Geist der Wahrheit nicht von dieser Welt ist und auch nur insofern von ihr gefasst werden kann, als wir durch Gleichnisse und Symbole, die wir als solche erkennen, zum Unerkannten emporsteigen werden“ (Cusanus-Texte IV/3, 46 u. 49).

Lit.: Kittel, Gerhard: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. 1. Bd. Stuttgart: Kohlhammer, 1933 / 1966; Nicolaus <de Cusa>: Cusanus-Texte. Heidelberg: Winter, 1956.
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