Andreas Resch: Salvator Lilli

SALVATOR LILLI
(1853-1895)

PROFESS-PRIESTER
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER (FRANZISKANER)
UND
SIEBEN ARMENISCHE MÄRTYRER

Selig: 3. Oktober 1982
Fest: 22. November

SALVATOR LILLI wurde am 19. Juni 1853 als sechstes und letztes Kind von Vinzenz Salvator und Annunziata Lilli in Cappadocia, Provinz L’Aquila, Italien, geboren und noch am gleichen Tag auf den Namen Salvator getauft. Die Familie lebte in einem gewissen Wohlstand, was es den Eltern er­laubte, dem Jungen eine schulische Ausbildung zuteil werden zu lassen. So be­suchte er in Nettuno, wo der Vater ein Geschäft hatte, die Schule bei den Kon­ventualen. Später erhielt er Privatunterricht durch einen Priester in Trevi. Als er mit 16 Jahren den Vater verlor, wurde er einem Priester in Rom anvertraut, wo er die öffentliche Schule besuchte. 1870 ersuchte Lilli als Siebzehnjähriger um Aufnahme in den Franziskanerorden. Am 24. Juli desselben Jahres begann er das Noviziat im Kloster Nazzano in Rom, wo er am 6. August 1871 die einfa­che Profess ablegte. Anschließend setzte er seine Studien im Kloster von Castel­gandolfo fort. Die Aufhebung der religiösen Orden im Jahre 1872 zwang ihn zum Verlassen des Konvents, doch gestattete man ihm, in die Kustodie des Hei­ligen Landes zu gehen, um Missionar zu werden. Nach Abschluss des Philoso­phiestudiums in Bethlehem begann Lilli mit dem Theologiestudium in Jerusa­lem, wo er am 6. April 1878 zum Priester geweiht wurde. Am Tag darauf feier­te er am Heiligen Grab die erste Hl. Messe. Zur Vertiefung seiner Studien ver­blieb er noch zwei weitere Jahre in Jerusalem. Im August 1880 wurde er nach Marasc in Armenien entsandt, einer erst kurz zuvor eröffneten und wegen der Gegensätze zwischen den verschiedenen christlichen Riten sowie der häufigen Scharmützel zwischen unterschiedlichen nationalen Gruppen schwierigen Mis­sion. Also begab er sich vorerst nach Aleppo und dann nach Marasc, um auch die türkische Sprache zu lernen.

Im Sommer 1885 kehrte Lilli nach Italien zurück, um die Sache mit dem Mi­litärdienst zu regeln. Er war nämlich nach Palästina abgereist, ohne seiner Wehrpflicht nachgekommen zu sein, weshalb man ihn verurteilt hatte. Nach seiner Ankunft in Cappadocia feierte er dort am 15. August seine Primiz. Am nächsten Tag kamen jedoch die Karabinieri mit einem Haftbefehl, weil er sei­ner Einberufung nicht gefolgt war. Man verständigte sich dahingehend, dass sich Lilli tags darauf dem Amtsrichter von Avezzano stellen wollte. Dieser setz­te ihn auf freien Fuß, doch kam es auf Veranlassung des Staatsanwalts zum Be­rufungsverfahren in L’Aquila, bei dem Lilli zu drei Monaten Kerker verurteilt wurde. Das Urteil wurde nicht vollstreckt, weil P. Lilli ein Gnadengesuch an den König richtete, dem dieser stattgab.

Ungeachtet der Warnungen seiner Mitbrüder und Verwandten kehrte P. Lilli im Sommer 1886 in das Heilige Land zurück und wurde neuerlich für die Mis­sion in Marasc bestimmt. Dort wählte man ihn 1890 zum Oberen – ein Amt, das er bis 1894 innehatte und für das er sich couragiert und tatkräftig einsetzte. So schrieb er am 4. Dezember 1890, während der schrecklichen Choleraepidemie, an seine Schwester, dass er „um für die Kranken zu sorgen, wie ein Postbote hin- und herlaufen“ müsse, und er fügte hinzu: „Ich spüre eine solche Kraft inmir, dass es mir ganz normal vorkommt, die Cholerakranken aufzusuchen, sie zu berühren, ihnen Medikamente zu verabreichen usw. Anstatt zu verzagen, fühle ich mich, der ich die Cholera nie erlebt hatte, wie ein alter Frontsoldat.“

Als Lilli sah, dass viele Christen in sehr ärmlichen wirtschaftlichen Verhält­nissen lebten, erwarb er unter großen Opfern ein ausgedehntes Grundstück, um jede Familie mit dem Notwendigsten zu versorgen, und ließ aus Italien die besten landwirtschaftlichen Maschinen kommen, die es damals gab. Gleichzei­tig entstand in Marasc eine neue große Kapelle für die Christen, die bis dahin keine gehabt hatten. Es handelte sich um ein ziemlich riskantes Unternehmen, nicht nur wegen der geringen Mittel, die ihm zur Verfügung standen, sondern vor allem weil die Moslems Kultstätten fremder Religionen nicht tolerierten. Hier eröffnete er zudem eine Apotheke zur Verteilung der Medikamente und zur Erstversorgung der Kranken.

Mit diesen Initiativen trug Lilli zur Ausweitung der seelsorglichen Tätigkeit seiner Mitbrüder bei und bemühte sich auch, ihre Unterkünfte wohnlicher zu gestalten.

1894 wurde P. Lilli zum Oberen der Missionsstation von Mujuk-Deresi er­nannt, das (zu Pferd) sieben Stunden von Marasc entfernt war. Die Mission war von den Franziskanern der Kustodie errichtet worden, um dort die katholische Bevölkerung zu versammeln, die in den weitläufigen und unwirtlichen Tälern verstreut war, und den Menschen so besser helfen und sie beschützen zu kön­nen. Die Friedfertigkeit und der allgemeine Arbeitseifer unter seiner weisen Führung schienen eine ruhige Zukunft zu versprechen. Doch es kam alles an­ders. Am 23. Oktober 1895 wurde in einer Straße von Marasc ein Moslem schwer verletzt und die Schuld wurde abrupt den Christen zugeschoben. Als der Verwundete tags darauf starb, entlud sich der Hass der Menge: es kam zu einem Massaker, die Opfer gingen in die Tausende. Der Obere der nächstgele­genen Mission Jenige-KalA forderte P. Lilli in zwei Botschaften auf, die geweih­ten Hostien und den Wein aufzubrauchen und das Land mit so vielen Personen als möglich zu verlassen. Doch P. Lilli konnte seine Herde nicht im Stich lassen und so war er zu allem bereit – auch zu sterben.

Am 18. November 1895 kam ein Bataillon Soldaten in das Dorf. Am Tag darauf drang der Kommandant Mazhar Bey mit seiner Eskorte in die Missions­station ein. P. Lilli ging ihnen entgegen und bot ihnen Kaffee an. Sie aber ver­langten von ihm, seinem Glauben abzuschwören. Seine entschiedene Ableh­nung war der Auslöser für sein Martyrium: Durch Schläge mit dem Bajonett wurde er verwundet und verlor dabei reichlich Blut. Vier Tage später wurden 12 Männer aneinandergefesselt und gemeinsam mit P. Lilli in ein entlegenes Tal gebracht, wo man sie aus Hass gegen das Christentum umbrachte.

Augenzeuge des Martyriums war ein Türke, der Kommandant des Dorfes Don-Kal6 in der Nachbarschaft von Mujuk-Deresi. Nach seiner Rückkehr er­zählte er den ganzen Vorfall in Anwesenheit einiger Armenier. Einer von ihnen, der sehr viel später vor das Untersuchungstribunal von Teheran berufen wurde, brachte dort vor, was er von besagtem Türken erfahren hatte. Seine Zeugenaussage lautet wie folgt: „Der Priester wurde gemeinsam mit 12 Män­nern und einem etwa 8- bis 10-jährigen Mädchen zu einem großen Baum ge­führt, wo man ihn aufforderte, sich zum Islam zu bekennen. Er aber erhob die Arme zum Himmel und rief: ,Ich erkenne nur Jesus Christus an!‘ und fuhr in seinen Gebeten fort. Die 12 Männer, die mit ihm gekommen war, befanden sich in einer Entfernung von etwa zehn Metern. Man sagte zu ihnen: ,Wenn ihr nicht zum Islam übertretet, bringen wir euch um!‘ Da rief der Priester: ‚Hört auf Christus und betet!‘ Vier von den zwölf bekannten sich zum Islam und wur­den abseits gebracht. Dem Priester und den andern acht gegenüber hieß es: ,Seht, diese Männer haben ihre Haut gerettet! Euch aber werden wir – wenn ihr euch nicht zum Islam bekennt – töten!‘ Alle riefen: ,Wir sind für Christus!‘ Der Offizier befahl: ,Rasch, bringt sie um! Wir müssen hier weg!‘ Zuerst wurde der Priester getötet, dann die übrigen acht. Da die Soldaten jenen Armeniern, die sich zum Islam bekannt hatten, keinen Glauben schenkten, töteten sie auch diese.“ Ihre Leichen wurden auf Geheiß des Offiziers verbrannt und mit Erde bedeckt.

Außer P. Lilli erlitten mit Sicherheit noch sieben weitere Personen den Mär­tyrertod. Der achte ist zwar ebenfalls ein Märtyrer, dieser wurde aber nicht eindeutig identifiziert, weil die Zeugenaussagen unklar und einander wider­sprüchlich sind. Bei den sieben armenischen Märtyrern handelt es sich um: Baldji Oghlou OhantWs, Khodianin Oghlou Khadjir, Kouradji Oghlou Tzeroum, Dimbalac Oghlou Wartavar, Jeremias Oghlou Boghos, David Oghlou David und dessen Bruder Toros Oghlou David. Alle stammten aus Mujuk-Deresi und Umgebung – einfache Leute, die ihre religiösen Pflichten hochhielten. Sie ar­beiteten auf den Feldern und lebten von den Früchten ihrer Arbeit.

Wir kennen ihre Namen (bzw. Rufnamen) aus der Zeugenaussage jenes klei­nen Mädchens, von dem weiter oben die Rede war. Es hieß Maria und war die Nichte des ermordeten Baldji 0. Ohannes. Mit Schrecken wurde es Zeugin des Massakers an einigen Märtyrern. Der Offizier hatte Maria für einen Harem be­stimmt. De facto wurde sie einem Polizisten übergeben, der sie in sein Haus führte, um sie dort zur Muslimin zu machen. Sie aber weigerte sich, es gelang ihr die Flucht und sie fand Unterschlupf bei den Armeniern.

Als nach ca. 5 Monaten die Untersuchungskommission vor Ort eintraf, wurde die Kleine zu Baron de Vialar, einem Kommissionsmitglied, gerufen und zu dem Vorfall befragt. Sie erzählte, was geschehen war, von dem Massaker, und nannte die oben aufgeführten Namen. Baron de Vialar befragte auch noch an­dere Personen aus Mujuk-Deresi und vervollständigte so Marias Aussage.

Am 3. Oktober 1982 wurden Salvator Lilli und seine Gefährten von Papst Jo­hannes Paul II. seliggesprochen.

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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