Andreas Resch: Josefina Gabriela Bonino


JOSEFINA GABRIELA BONINO
(1843-1906)

GRÜNDERIN
DER KONGREGATION DER SCHWESTERN DER
Hl. FAMILIE VON SAVIGLIANO

Selig: 7. Mai 1995
Fest: 8. Februar

JOSEFINA GABRIELA BONINO wurde als Tochter des Arztes Domenico Bonino und der Giuseppina Ricci am 5. September 1843 in Savigliano, Provinz Cuneo / Diözese Turin, geboren und am Tag darauf auf den Namen Anna Maria Magdalena Josefina getauft. Als einzige Tochter einer wohlhabenden und zutiefst religiösen Familie erhielt sie von ihren Eltern eine solide Erziehung und Ausbildung, die mehr durch das Beispiel als durch das Wort geprägt war.

Da die kleine Josefina schon sehr früh durch ihre Intelligenz auffiel, wollten sie ihre Eltern zunächst auf das Königliche Institut „Rosine“ schicken, das 1757 von deren Gründerin, Mutter Rosa Gavone, als erste Niederlassung in Savigliano eröffnet worden war. Schon bald bestach Josefina durch ihre intellektuellen Fähigkeiten, was „die Bewunderung des Lehrpersonals, allen voran der Direktorin des frommen Instituts, weckte“. Als besonderes Privileg während der Grundschuljahre wurde sie schon mit sieben anstatt mit zehn Jahren zur Erstkommunion zugelassen und im Jahr darauf gefirmt. Diese Stationen prägten die kleine Josefina, so dass sie von da an eine starke Marienverehrung entwickelte.
Nachdem sie die verpflichtenden Volksschuljahre in Savigliano abgeschlossen hatte, zog sie 1855, im Alter von 12 Jahren, mit ihrer Familie nach Turin. Den Anlass dazu gaben sowohl der Arztberuf des Vaters als auch die Notwendigkeit, eine dem gesellschaftlichen Rang konforme Ausbildung zu bekommen. Die Oberschule besuchte Josefina bei den Schwestern vom hl. Joseph. Zur Entfaltung ihrer Spiritualität vertraute sie sich der Führung eines Priesters an, der der Achtzehnjährigen zugestand, das zeitliche Gelübde der Keuschheit abzulegen.

1869, mit 26 Jahren, kehrte sie mit ihrer Familie nach Savigliano zurück, wobei ihre größte Sorge dem kranken Vater galt, dem sie bis zu seinem Tod am 16. Januar 1874 zur Seite stand. Danach widmete sie sich mit noch größerem Einsatz diversen Aufgaben in der Pfarre und wurde dort auch Leiterin und Präsidentin von S. Pietro, einer frommen Vereinigung der Töchter Mariens. Gleichzeitig war sie vom Wunsch beseelt, sich von den Annehmlichkeiten des Lebens im Kreis ihrer Familie zu entfernen, und so nahm sie am 18. März 1875 unter dem Namen Sr. Gabriele von Jesus, Maria und Josef das Kleid des Dritten Ordens der Karmeliten und legte zwei Jahre später, am 19. März 1877, die Profess ab. 1876 schloss sie sich auch dem Dritten Orden des hl. Franziskus (Büßer) an.

Im gleichen Jahr unterzog sich Josefina wegen einer Geschwulst an der Wirbelsäule einem chirurgischen Eingriff, der am 21. Mai 1876 praktisch bei vollem Bewusstsein durchgeführt wurde, weil die verabreichte Narkose nicht wirkte. Zum Krankenpfleger sagte sie: „Gebt mir mein Kruzifix, dann sollen die Ärzte in Freiheit ihre Pflicht tun.“ Die Heilung von diesem Leiden wurde als wunderbar angesehen und dem besonderen Einfluss der Madonna von Lourdes zugeschrieben. Daher begab sie sich im September 1877 gemeinsam mit ihrer Mutter auf eine Wallfahrt nach Lourdes, um Maria zu danken. Dort hatte sie die Eingebung, sich ganz in den Dienst der Armen zu stellen. Zwei Monate nach Rückkehr von der Pilgerreise bekam die Mutter eine Lungenentzündung, die innerhalb von 14 Tagen zum Tod führte. Damit war Josefina am 1. Dezember des Jahres zur Vollwaise geworden.

Wenngleich sie schon seit Anfang 1875 zu den Gönnern des von Johanna Colombo ins Leben gerufenen „Werkes Colombo“ für die Waisenkinder von Savigliano zählte, knüpfte sie jetzt noch engere Bande mit dem Werk, dem sie auf Empfehlung ihres Spirituals, des Kanonikers Luigi Da Vicino, ein Asyl mit der Bezeichnung „Heilige Familie“ zur Seite stellte, wo all jene Kinder, die niemand haben wollte, Zuflucht finden sollten. Josefina war sich im Klaren darüber, dass die Familie die wichtigste Zelle der Gesellschaft war. Sie öffnete Tür und Tor für jene, die aufgrund verschiedenster familiärer Probleme in Schwierigkeiten waren, um ihnen dadurch kundzutun, dass es auch für sie eine Familie gab. Unentwegt nahm sie Mädchen zu sich, die nirgendwo erwünscht waren und die aufgrund der moralischen Unzulänglichkeit ihrer Eltern im kommunalen Mädchenasyl keine Aufnahme fanden, weil sie nicht die erforderlichen Qualitäten aufwiesen. Da sich Josefina, die einer wohlhabenden bürgerlichen Familie entstammte, mutig zum Wohle der ärmsten Mädchen engagierte, wurde sie von der sog. „besseren Gesellschaft“ als „Fanatikerin“ gesehen. Sie aber traf die Wahl aus dem Geist des Evangeliums heraus und wollte nie und nimmer darauf verzichten. So begann sich jenes Werk abzuzeichnen, das sie demnächst gründen sollte.

Im Jahre 1880 verbrachte Josefina auf Anraten ihres Beichtvaters zweimal je eine kurze Zeit hinter Klostermauern, einmal im Karmelitinnenkloster von Moncalieri, dann im Kloster der Heimsuchung in Pinerolo, um sich auf die Gründung der Schwestern der Heiligen Familie vorzubereiten. Beide Male kehrte sie mit einem wehmütigen Gefühl nach Hause zurück, doch verordnete ihr Spiritual, nicht an ein Klausurleben zu denken, sondern an die Errichtung eines neuen religiösen Instituts mit dem Ziel der Erziehung und Ausbildung von Waisenmädchen und der Hilfe für die Armen und Alten. Die Schwestern ihres Instituts sollten sich die Hl. Familie von Nazareth zum Vorbild nehmen und sich in Demut, Fleiß, Bescheidenheit, Nächstenliebe und Eifer zur Ehre Gottes und zur Rettung der Seelen üben.

Im April 1881 wurde sie mit 38 Jahren zur Oberin des neu sich konstituierenden Instituts der Schwestern der Heiligen Familie von Savigliano (Abb.) ernannt. Sie erfüllte dieses Amt mit Umsicht, Würde und Weisheit bis zu ihrem Tod. Am 8. September 1887 erhielt das Institut die kanonisch-diözesane Approbation. Am 6. Oktober 1887 nahm Josefina Bonino gemeinsam mit elf weiteren Gefährtinnen das Ordenskleid, legte die Gelübde ab und nannte sich fortan Josefina Gabriela von Jesus.

Als Gründerin lag ihr besonders die Formung ihrer Schwestern am Herzen und so bemühte sie sich in erster Linie um die Konsolidierung und Entwicklung des Instituts. In Savigliano errichtete sie das Mutterhaus der Kongregation und die angrenzende Kirche zur Hl. Familie, wobei sie eine Reihe von Schwierigkeiten und Hindernissen mit Kraft und Geduld überwand.

Um ihrer Spiritualität, die vom Beispiel der Hl. Familie getragen war, weiteren Auftrieb zu verleihen, war es ihr Bestreben, mit den nötigen kirchlichen Approbationen das erste Haus in Loreto zu eröffnen. Dieses wurde zum Mittelpunkt ihrer Bemühungen und Pflichten als Gründerin und Generaloberin und zum Bezugspunkt für ihre marianische Frömmigkeit und Kontemplation. Im Verlauf von 16 Jahren pilgerte sie 25-mal zu jeweils längeren Aufenthalten nach Loreto. Sie verbrachte dort insgesamt ca. vier Jahre, wobei sie täglich das Hl. Haus besuchte. An ihre Mitschwestern nach Savigliano schrieb sie: „Seid nicht traurig über meine Abwesenheit, ich trage euch alle im Herzen und nehme euch jeden Tag mit in das Hl. Haus, wo es mir gegönnt ist, an mehreren Messen teilzunehmen und die erhabenen Tugenden von Jesus, Maria und Josef zu meditieren.“

Gefestigt in der Hoffnung, gestärkt im Glauben und einzig auf die Ehre Gottes und das Wohl der Mitmenschen bedacht, baute sie – nachdem sich die Gründung konsolidiert hatte – ihr Werk weiter aus und rief vier zusätzliche Niederlassungen ins Leben. Alle sollten, wenn es nach ihrem Willen ging, von einem authentischen religiösen Leben, das menschliche Wärme und eine familiäre Atmosphäre verbreitete, vom Geist der Opferbereitschaft und der absoluten Hingabe im Dienst der Ärmsten getragen sein.

Das irdische Dasein von Josefina Gabriela Bonino kam, wie sie vorausgesagt hatte, am 8. Februar 1906 in Savona zu seinem Abschluss, als sie im Alter von 62 Jahren von einer tödlichen Lungenentzündung dahingerafft wurde. Ihre letzten Worte fügen sich ganz in ihre stete Hingabe an den göttlichen Willen: „Bin ich jetzt angekommen? Mein Gott, in mir vollende sich Dein Wille.“ Dann sagte sie zu ihren Mitschwestern hin: „Betet für mich!“

Mit diesen Worten wurde Josefina ihrem Vorsatz gerecht, den sie im eigenhändigen Testament von 1899 zum Ausdruck gebracht hatte: „Ich vermache meine Seele dem Herrn mit der Bitte, er möge sie in seiner Barmherzigkeit aufnehmen, und dazu erflehe ich die Fürsprache der Allerseligsten Jungfrau Maria, des hl. Joseph, des Erzengels Gabriel, der hl. Anna, des hl. Franz von Assisi, der hl. Theresia, meines Schutzengels und des ganzen himmlischen Heeres.“

Ihr Leichnam wurde nach Savigliano überführt und auf dem Stadtfriedhof beigesetzt. Von dort kam er am 8. April 1961 in die kleine rechte Seitenkapelle der Kirche des Mutterhauses der Schwestern der Heiligen Familie, Via San Pietro, 9, Savigliano, Italien.

Am 7. Mai 1995 wurde Josefina Gabriela Bonino von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

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