Andreas Resch: Isidor Bakanja


ISIDOR BAKANJA
(1885/1890-1909)

MÄRTYRER

Selig: 24. April 1994
Fest: 15. August

ISIDOR BAKANJA wurde zwischen 1885 und 1890 entweder in Bokendela-Bekalaka oder im benachbarten Ikengo im Nordosten des Kongo geboren. Über seinen Geburtsort existieren unterschiedliche Angaben. Über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, weil er in einem Land zur Welt kam, in dem es bis Ende des 19. Jahrhunderts keine Geburtenregister gab. Das erste Dokument, in dem er aufscheint, ist das Taufregister. Sein Vater, ein Bauer aus dem Dorf Bokendela, hieß Yonzwa und seine Mutter, die aus einem Fischerdorf stammte, Inyuka. Sie hatten vier Kinder, drei Jungen und ein Mädchen. Isidor wuchs daher einerseits in der bäuerlichen Tradition heran, andererseits war ihm auch das Leben der Leute am Fluss nicht fremd.

Anfang des 20. Jahrhunderts ging Isidor nach Coquilhatville (heute Mbandaka), wo er bei einem belgischen Staatsunternehmen als Hilfsmaurer arbeitete. Unweit seines Arbeitsplatzes, in Boloka wa Nsimba, hatten die Trappisten der Abtei von Westmalle in Belgien 1902 eine Mission eröffnet. Isidor kam so mit den Christen in Kontakt und schrieb sich in das Katechumenat ein. Die Lehre der Trappisten legte ihren Schwerpunkt auf das Zeugnisgeben und die Treue. Ein Nachfolger Jesu zeichnet sich demnach durch das Gebet und das Zeugnis aus, das er von sich gibt. Er ist an seinem Rosenkranz und am Skapulier zu erkennen (so hieß das Kleid Mariens in Isidors Muttersprache). Gott ist unser aller Vater und Maria unsere Mutter, die mehr als einmal bewiesen hat, dass sie ihre Kinder beschützt.

Bei Isidor stießen die Unterweisungen der Trappisten sofort auf ein offenes Ohr, und so erhielt er am 6. Mai 1906 in Boloko wa Nsimba, wo die beiden Trappistenmissionare Gregor Van Duen und Robert Brepoels wirkten, die Taufe und seinen neuen Namen Isidor. Taufpate war Bonifaz Bankutu, einer der ersten Katecheten im Kongo, der den christlichen Namen Isidor für ihn auswählte. Bei dieser Gelegenheit bekam er ein Skapulier und den Rosenkranz als Erkennungssymbole, welche von den Christen dieser Region von Äquatorialafrika verwendet wurden. Am 25. November 1906 wurde er gefirmt und am 8. August 1907 ging er zur Erstkommunion.

Isidor war ein gütiger und aufrichtiger Mann, der die anderen von Natur aus respektierte; ein gewissenhafter Arbeiter, der ab dem Zeitpunkt seiner Taufe mit Stolz das Skapulier Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel als Zeichen seiner neuen Zugehörigkeit trug. Oft traf man ihn mit dem Rosenkranz in der Hand an, und er ergriff jede Gelegenheit, um seinen neuen Glauben mit anderen zu teilen – so sehr, dass viele ihn als Katecheten betrachteten. Nach Ablauf seines Arbeitsvertrages kehrte er für einige Zeit in sein Dorf zurück, um dort ein Haus zu bauen, doch blieb er nicht lange, weil er keine Nachfolger Christi fand; außerdem gab es wenig Arbeit. So beschloss er, mit seinem Cousin Kamillus Boya Kontakt aufzunehmen, der als Zimmermann bei der Firma SAB in Busira arbeitete, die damals über ein weites Gebiet des Kongo das Handelsmonopol für Elfenbein und Kautschuk besaß. Bald darauf wurde er von dem Unternehmen zum Dienstboten eines der weißen Leiter namens Reijnders bestellt, der zur Unterstützung des Gebietsverantwortlichen Van Cauter, auch Longange genannt, in die Fabrik von Bus-Bloc nach Ikili geschickt wurde.

Alle Versuche seines Vaters und seines treuen Freundes Tony Boyoto, welche die Lebensumstände in von Weißen geleiteten Unternehmen kannten und versuchten, Isidor von seinem Vorhaben abzubringen, blieben ohne Erfolg. Isidor, der sehr vertrauensselig war, glaubte, dass die Weißen, die sich Christen nannten, die in der christlichen Religion verankerten Werte von Nächstenliebe und Wohlwollen mit ihm teilen würden. Die Realität sah hingegen völlig anders aus. Isidor war der einzige Christ bei SAB und das System basierte auf brutaler Ausbeutung.Viele der Handelsagenten waren eingefleischte Atheisten und hassten die Missionare, weil diese die Rechte der Eingeborenen verteidigten und die gegen sie begangenen Ungerechtigkeiten anprangerten. „Mon père“ war der von ihnen verwendete Ausdruck des Missfallens für die Geistlichkeit und alles, was mit Religion zu tun hatte. Isidor bekam schon bald die Feindseligkeiten eines in Bezug auf alles Religiöse agnostischen Umfeldes zu spüren, vor allem seitens seines Chefs, Van Cauter, der seinen Hass auf die Katholiken offen zum Ausdruck brachte, denen er die Schuld dafür anlastete, dass die Europäer ihre Autorität gegenüber dem vom Unternehmen abhängigen Personal langsam aber sicher einbüßten. Zum Opfer dieser Abneigung gegen alles Katholische wurde ausgerechnet Isidor, weil er Innerlichkeit und Äußerlichkeit seines Glaubens in voller Einheit lebte und die Symbole seines Katholischseins voller Stolz und Überzeugung offen zur Schau trug. Als er sich aber des unversöhnlichen Hasses seiner Lehrherrn allem Katholischen gegenüber bewusst wurde, bat er um seine Entlassung. Dies wurde ihm verweigert, weil er bei seinen Arbeitskollegen als verantwortungsbewusster und aufrechter junger Mann bekannt war und ihnen daher als ermunterndes Beispiel dienen konnte. Stattdessen wurde er aufgefordert, die Gebetsanleitungen bei den Arbeitskollegen zu unterlassen. Einer der Handelsagenten schrie ihn an: „Das ganze Dorf will nur mehr beten, keiner will mehr arbeiten!“

Nach mehreren erfolglosen Anweisungen, das Skapulier abzunehmen, führte Isidors passiver Widerstand schließlich zu einem Wutausbruch Van Cautiers, der die äußeren Glaubenssymbole seines jungen Angestellten partout nicht tolerieren wollte: „Mit diesen ,Christenhunden‘ ist nichts zu machen! Sie untergraben die Autorität der Weißen. Wenn dieser Kerl länger hier bleibt, fängt noch das ganze Personal samt Hausangestellten und Arbeitern und zum Schluss noch die gesamte Dorfbevölkerung zu beten an! Und niemand wird mehr bei mir arbeiten wollen!“

Folglich war der eigentliche Grund, warum Van Cauter Bakanja ausbeuten ließ, der, dass er Christ war und den anderen Religions- und Gebetsunterricht erteilte. Bakanja selbst bekennt: „Ich bin Christ und betrüge niemanden. Die Wahrheit ist: Der Weiße hat mich geschlagen, weil ich Christ bin! Er wollte keine Getauften um sich… , aber ich bin Christ (…). Wenn du meine Mutter siehst oder zu meinem Richter gehst oder den Priester triffst, sag’ ihnen, dass ich im Sterben liege, weil ich Christ bin.“

Da er sich geweigert hatte, sein Skapulier wegzuwerfen, wurde er zweimal ausgepeitscht. Beim zweiten Mal geschah dies folgendermaßen: Bei der Weigerung Isidors geriet Van Cauter in Rage, er warf sich ihm entgegen, riss ihm das Skapulier vom Hals und schleuderte es zu Boden. Dann befahl er zweien seiner Diener, den am Boden liegenden Isidor an Händen und Füßen festzuhalten, während ein dritter mit der Peitsche auf ihn einschlug. Diese war aus Elefantenhaut und hatte vorspringende Zacken. Isidor, der sich vor Schmerzen krümmte, flehte um Barmherzigkeit. „Mein Gott, ich sterbe“, murmelte er. Van Cauter aber trat weiter auf ihn ein und versetzte ihm Tritte gegen Kopf und Hals, während er seinen Diener anwies, seine Peitschenhiebe zu intensivieren. Anschließend wurde Isidor, an den Füßen gefesselt, in eine Hütte geworfen, in der Kautschuk geräuchert wurde. Er konnte sich nicht bewegen. Drei Tage verharrte er in dieser Lage, bis es zweien seiner Gefährten, darunter dem ihm ergebenen Iyongo Mputu, Van Cauters Koch, gelang, ihn zu befreien, und er in die Sümpfe flüchten konnte. Die tiefen Wunden am Rücken bereiteten ihm furchtbare Schmerzen. Er konnte sich kaum aufrecht halten, fiel immer wieder hin und versteckte sich schließlich bis zum 6. Februar 1909 im Wald, wo er von dem Deutschen W. T. Dörpinhaus, Plantagenaufseher der Firma SAB, entdeckt wurde: „Ich sah einen Mann aus dem Wald kommen, den Rücken von tiefen, eitrigen, übelriechenden Wunden übersät, die voller Schmutz waren und auf denen es sich die Mücken bequem machten. Er stützte sich auf zwei Stöcke, man kann es nicht Gehen nennen, vielmehr schleppte er sich vorwärts.“ Van Cauter eilte herbei und wollte „dieses Stück Christendreck“ umbringen, aber der Aufseher hinderte ihn daran und ließ Isidor in seine Siedlung bringen, wo er hoffte, ihn kurieren zu können. Dieser spürte aber bereits, wie der Tod Macht über ihn gewann. Zu einer Person, die Mitleid mit ihm hatte, sagte er: „Wenn du meine Mutter siehst oder zum Richter gehst oder den Priester triffst, sag’ ihnen, dass ich im Sterben liege, weil ich Christ bin.“

Am 4. Juni wurde Isidor zu seinem Cousin Kamillus Boya nach Busira gebracht, doch verschlechterte sich sein Zustand rapide. Dem Beichtvater, dem Trappisten-Missionar P. Dubruille, der ihm nahelegte, Van Cauter zu vergeben, erwiderte er: „Ich bin ihm nicht böse, Pater. Dieser Weiße hat mich zwar auspeitschen lassen, aber das ist seine Sache. Er muss wissen, was er tut. Im Himmel werde ich sicher für ihn beten.“ Van Cauter wurde zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Isidor schloss sich, obwohl er sich fast nicht mehr bewegen konnte, den Katechumenen von Busira zum Gebet an. Dann zog er sich auf die Bananenplantage zurück, wo ihn, während er in andächtiger Versenkung verharrte, der Tod ereilte.

Er wurde mit einem neuen Skapulier am Rande der Plantage begraben und schon bald zeigten sich die Früchte seines Martyriums. In den folgenden Monaten registrierte man in der Gegend von Busira mehr als 4.000 Taufen. Am 25. Juni 1917 wurden seine sterblichen Überreste in die Mission von Bokoto, Kongo, überführt.

Am 24. April 1994 wurde Isidor Bakanja von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

 

RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1991 – 1995. Innsbruck: Resch, 2008 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 3). XIII, 321 S., 67 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-083-4, Ln, EUR 27.70 [D], 28.63 [A]

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