Joachim von Fiore

(Auch: Joachim von Fiori, Gioacchino da Fiore, Joachim von Flore oder von Floris, de Flore, of Flora; * um 1130/1135 Celico, Kalabrien; † 1202 San Giovanni in Fiore), Abt und Ordensgründer in Kalabrien, wirkte im 12. Jh. als Geschichtstheologe.
J. war der Sohn eines Notars und arbeitete anfangs auf Betreiben seiner Eltern ebenfalls als Notar in Cosenza und in der Kanzlei am Königshof von Wilhelm I. in Palermo. Bald aber wandte er sich einem religiösen Leben zu und unternahm 1166/67 eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. Nach Auseinandersetzungen mit seinem Vater über seinen weiteren beruflichen Werdegang zog J. als Prediger und Einsiedler über das Land und wurde in Rende vom Bischof von Catanzaro zum Priester geweiht. Er schloss sich dann einer Ordensgemeinschaft an und trat in das Kloster Corazzo ein, das er von 1171 bis 1177 unter Einführung der Zisterzienserregel leitete. 1183/84 weilte er im Kloster Casamari und begann das Psalterium decem chordarum, das er 1187/88 im kalabrischen Petralata beendete. Nachdem er schon 1183 bei der Kurie um Erlaubnis angesucht hatte, über die Offenbarung (revelatio) schreiben zu dürfen, erhielt er von Papst Clemens III. 1188 die Erlaubnis, sich ausschließlich seinen hermeneutischen Studien zu widmen. Er zog sich daraufhin in das Silagebirge zurück, doch beorderte ihn das Zisterzienser-Generalkapitel 1192 wieder nach Corazzo. J. gründete nun ein neues Kloster, San Giovanni in Fiore, dem er auch als Abt vorstand. An einem Ostermorgen zwischen 1190 und 1195 empfing er während der Meditation über die Johannes-Apokalypse seine entscheidende Erleuchtung. In die Zeit um 1190 fällt auch seine Gründung des Florenser-Ordens. Joachim von Fiore starb vermutlich 1202 (weniger wahrscheinlich 1205) in San Giovanni im Silagebirge.
Seine Lehren verbreiteten sich einige Jahrzehnte nach seinem Tod sehr rasch. Neben dem Joachimismus gewann vor allem der sog. Pseudojoachimismus großen Einfluss. Besonderen Anklang fanden seine Ideen dann im späten 13. und 14. Jh. Vor allem der Franziskanerorden eignete sich im 13. Jh. joachimitische Ideen an, die vermutlich über die spirituelle Strömung der Franziskaner auch Dante Alighieri beeinflussten, der J. in seine Göttliche Komödie aufnahm. Sein Einfluss lässt sich ebenso bei den Täufern der Reformationszeit, z.B. bei Thomas Müntzer, und schließlich auch bei Lessings Erziehung des Menschengeschlechts sowie bei Hegel, Auguste Comte, Karl Marx und in Ernst Blochs Prinzip Hoffnung ausmachen. Ernst Jünger bezieht sich im letzten Kapitel seiner Schrift An der Zeitmauer (Urgrund und Person) ebenfalls auf die Dreizeitenlehre Joachims.
J.s. Einfluss verlor sich nach dem 17. Jahrhundert. Erst die moderne Utopistenforschung hat ihn wiederentdeckt.
Joseph Ratzinger, der emeritierte Papst Benedikt XVI., ist seit Jahrzehnten ein führender Joachim-Spezialist.

Hauptwerke Joachims von Fiore: Concordia novi et veteris Testamenti, Expositio in Apocalypsim, Psalterium decem chordarum, Tractatus super quatuor Evangelia, De articulis Fidei, Adversus Iudeos und die unvollendete Vita Sancti Benedicti.
Lit.: Riedl, Matthias: Joachim von Fiore: Denker der vollendeten Menschheit.Würzburg: Königshausen & Neumann, 2004.
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