Fancher, Mary J.

Genannt Mollie (*16.08.1848 Attleborough/Massachusetts, USA; Februar 1916), ist die Zentralfigur des sog. „Rätsels von Brooklyn“, das ihr durch viele außergewöhnliche Ereignisse gekennzeichnetes Lebensschicksal beschreibt.
1864 fiel F. im Zuge einer Reittherapie unglücklich vom Pferd und verletzte sich schwer. 1865 erlitt sie einen Unfall beim Ausstieg aus der Straßenbahn, der sie für den Rest ihres Lebens ans Bett fesseln sollte. Während dieser Zeit kam es zu einer Reihe von Vorfällen, weshalb sich ihre Tante Susan Crosby, die nach dem Tod von Mollies Mutter die Sorge für die Kinder übernahm, an J. Charles E. West wandte. Er war der Vorstand des Brooklyn-Height-Seminars, welches das Mädchen einst besucht hatte. Seinem Bericht sind u.a. die folgenden Fakten entnommen.
Was F.s körperlichen Zustand betraf, so hatte sie mindestens 12 Jahre in einer Lage auf ihrer rechten Seite geruht. Neun Jahre lang war sie paralysiert, die letzten drei Jahre befand sie sich in einem neuen Zustand, der Übergang war äußerst schmerzhaft.
Während dieser 12 Jahre gab es Zeiten, wo sie keinerlei Gebrauch ihrer Sinne hatte. Mit wenigen Ausnahmen war sie blind. Lange Zeit verfügte sie nur über einen Sinn – den des Tastens. Mit diesem konnte sie manchmal schneller lesen als ein normal Sehender. Sie tat dies, indem sie ihre Finger über die gedruckte Seite mit gleicher Leichtigkeit bei Licht wie bei Finsternis gleiten ließ. Mit den Fingern konnte sie so die Fotografien der Personen, die Gesichter ihrer Besucher usw. unterscheiden. Den übrigen Teil ihres Lebens verbrachte sie in Trance-Zuständen.
Besonders beeindruckend war ihre Gabe des Hellsehens. Alle Orte, an denen sie Interesse nahm, lagen ihren geistigen Blicken offen. Entfernung war für sie kein Hindernis. Keine noch so abgeschlossene Verborgenheit entging ihrem durchdringenden Blick. Sie diktierte den Inhalt versiegelter Briefe, die niemals in ihre Hände gelangt waren, ohne den geringsten Irrtum. Sie besuchte die Zusammenkünfte ihrer Verwandten und Bekannten an entfernten Orten und beschrieb deren Kleidung und Beschäftigungen. Im Dunkeln unterschied sie zarteste Farb-Nuancen mit einer Genauigkeit, die niemals irrte.
Als sie in den erwähnten neuen Zustand überging, vergaß sie alles, was in den vorhergehenden neun Jahren vorgefallen war. Nachdem sie ihre Fähigkeit zu sprechen wiedererlangt hatte, fragte sie nach Dingen, die sich am Anfang ihrer Krankheit ereignet hatten. Die neun Jahre dazwischen waren ihrem Gedächtnis entschwunden.

Lit.: Walsh, Anthony A.: Molly Fancher, the Brooklyn Enigma: The Psychological Marvel of the Nineteenth Century. Salve Regina University: Faculty and Staff, 1978.
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