Einhorn

Lat. unicornis, Fabeltier in der Gestalt eines Pferdes mit einem waagrecht vorstehenden Horn auf der Stirn. Die ambivalente Symbolik reicht vom Inbegriff der Wildheit über ein Symbol Mariens bis zum Apothekerzeichen.
Den Ausgangspunkt dieses Fabeltiers bildet die um 400 v. Chr. verfasste
Indika („Indische Geschichte“) des griechischen Historikers Ktesias von Knidos. Seine Beschreibung eines Vierbeiners mit einem Horn auf der Stirn (gemeint war vermutlich das indische Nashorn), das nur von Jungfrauen gefangen werden könne, fand über den griechischen Philosophen Aristoteles (384-322), den „Physiologus“ (frühchristliche Naturlehre in griechischer Sprache, 2. Jh.) und den Bischof Isidor von Sevilla Eingang in die „Bestiarien“ des Mittelalters, mit ikonographischer Wirkung bis in die frühe Neuzeit. Dies gilt besonders für die Jagd auf das wilde E., das im Schoß einer Jungfrau zur Ruhe kommt, die Einheit von Gottvater und Sohn und die Jungfräulichkeit seiner Geburt symbolisiert.
Das Horn des Fabeltieres galt als männlich und sein Körper als weiblich. In der Alchemie war es das Zeichen des vollendeten Großen Werkes (Lapis philosophorum). Der Buddhismus betrachtet das E. als Symbol der Tugend und der Weltabgewandtheit. Im Volksglauben galt das Horn des Tieres als kostbarer Talisman, aus dem man Amulette und Ringe fertigte. Zudem erlangte das E. in der Heraldik an Bedeutung. Die Könige von Schottland führten es im Wappen.

Lit.: Ktesias von Knidos: Ancient India as described by Ktêsias the Knidian; being a translation of the abridgement of his “Indika” by Photios, and of the fragments of that work preserved in other writers, 1882; Mode, Heinz: Fabeltiere und Dämonen: die Welt der phantastischen Wesen. Leipzig: Koehler & Amelang, 2005; Wetzel, Christoph: Das große Lexikon der Symbole. Darmstadt: Primus Verlag, 2008.
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