Dittus, Gottliebin

(* 13.10.1815 Möttlingen/Deutschland; 1872), Tochter eines Möttlinger Bäckers, der bereits 1839 völlig verarmt starb. Die Mutter war ein Jahr zuvor verstorben. Nach Beendigung ihrer Schulzeit 1829 arbeitete D. als Dienstmagd, bis sie wegen einer Nierenerkrankung arbeitsunfähig wurde und nach Hause zurückkehrte. Das Haus wurde aber schon zu Lebzeiten des Vaters verkauft und so musste sie es 1840 räumen. Mit drei Schwestern und einem halbblinden Bruder, alle älter als sie, zog sie in eine sehr kleine Erdgeschoßwohnung in Möttlingen. Unmittelbar nach dieser Übersiedlung kam es zu sonderbaren Phänomenen. Es begann damit, dass D. am ersten Tag beim Tischgebet in Ohnmacht fiel. Von da an hörten Geschwister und auch andere Hausbewohner eigenartige Geräusche. Als die Erscheinungen und Plagen immer stärker wurden, suchte D. im Herbst 1841 Pfarrer Johann Christoph Blumhardt auf, der am 31. Juli 1838 die evangelische Pfarre in Möttlingen erhalten hatte. Er schenkte D. zunächst keine besondere Beachtung. Auch als sie von Dezember 1841 bis Februar 1943 krank darniederlag, besuchte er sie kaum, weil ihr Benehmen ihn abstieß. Im April 1842 erfuhr er schließlich von Verwandten Näheres über den Spuk im Haus, der bereits viele Neugierige anzog. In einem Bericht an seine Vorgesetzten schreibt er u.a.:
„Es fing mit Erbrechen von Sand und kleinen Glasstücken an. Allmählich kamen allerlei Eisenstücke, namentlich alte und verbogene Bretternägel, deren einmal vor meinen Augen nach langem Würgen nacheinander 12 in das vorgehaltene Waschbecken fielen, ferner Schuhschnallen von verschiedener Größe und Gestalt, oft so groß, dass man kaum begriff, wie sie den Hals heraufkommen konnten … Es hatte öfters das Ansehen, als ob Stricknadeln mitten durch den Kopf gezogen waren, von einem Ohr bis zum anderen; und es kamen das eine Mal einzelne fingerlange Stücke zum Ohr heraus; ein andermal konnte ich es unter der Handauflegung fühlen und hören, wie die Nadeln im Kopf zerbrachen… Aus dem Auge zog ich einmal 2, dann wieder 4 Stecknadeln heraus… Ich erwähne nur noch das, dass auch lebendige Tiere, welche ich jedoch selbst zu sehen nicht Gelegenheit bekam, aus dem Munde kamen, einmal 4 der größten Heuschrecken, … ein andermal 6-8 Fledermäuse… Ich trat ein; aber ein Blutdunst erstickender Art wollte mich wieder heraustreiben. Sie saß in der Mitte der kleinen Stube, hatte vor sich einen Kübel, der wohl zur Hälfte mit Blut und Wasser gefüllt war, und die ganze Länge der Stube vor ihr und hinter ihr floss eine breite Blutlache. Sie selbst war über und über so mit Blut überzogen, dass man die Kleider kaum mehr erkannte… das Blut rieselte lebhaft aus beiden Ohren, aus beiden Augen, aus der Nase und sogar oben aus dem Kopfe in die Höhe. Das war das grässlichste, das ich je gesehen habe. Ich kann es wahrlich niemand übelnehmen, der misstrauisch gegen obige Mitteilungen wird“ (Blumhardts Kampf, S. 52-54).
„Einmal sah ich sie in den Krämpfen, da eben der Arzt anwesend war. Ihr ganzer Körper zitterte und jeder Muskel am Kopfe und an den Armen war in glühender Bewegung, wiewohl sonst starr und steif. Dabei floss häufig Schaum aus ihrem Munde…. Mir war es klar geworden, dass etwas Dämonisches hier im Spiel sei“ (ebd., S. 24).
Blumhardt sagte zu ihr im bewusstlosen Zustand, sie solle beten: „Herr Jesus hilf mir“. Nach wenigen Augenblicken erwachte sie, alle Krämpfe hörten auf.
Einige Tage später wiederholte sich die angebliche Besetzung. „Bald war es, als führen auf die bezeichnete Weise 3, dann 7, endlich 14 Dämonen aus, wobei jedesmal das Gesicht der Person sich veränderte und eine neue drohende Miene gegen mich annahm“ (ebd., S. 28).
Nach zwei Jahren endete der Kampf zur großen Freude der D. und Blumhardts.

D. leitete dann den von Blumhardt gegründeten Kindergarten, zog 1952 mit der Familie Blumhardt nach Bad Boll und war dort eine große Stütze in dem von Blumhardt errichteten Kurhaus. 1855 heiratete sie und schenkte drei Kindern das Leben.

Bei aller Zurückhaltung den beschriebenen Ereignissen gegenüber, kann man dem Bericht von Blumhardt, was die Phänomene betrifft, vollen Glauben schenken. Der Verlauf der Phänomene, ihre Vielfalt und Eigenart weisen auf eine intelligente Steuerung hin, die über die Fähigkeiten und Möglichkeiten der D. hinausgingen und ein Bild von Formen von Besessenheit aufweisen, die sich rein parapsychologisch nicht erklären lassen. Aufgrund des negativen Charakters der Phänomene ist aus theologischer Sicht ein dämonisches Einwirken, also eine Besessenheit bzw. Umsessenheit, nicht auszuschließen, zumal die Heilung durch Gebet erfolgte. Anstatt von Exorzismus sollte man im vorliegenden Fall von einem Befreiungsgebet sprechen, weil es sich bei dem Gebet nicht um das eigentliche Ritual eines Exorzismus handelte.

Lit.: Blumhardt, Johann Christoph: Die Krankheitsgeschichte der Gottliebin Dittus. Hamburg: Ludwig Appel, 61950; ders.: Der Geisterkampf in Möttlingen: die Krankheitsgeschichte der Gottliebin Dittus. Ausführlicher Original-Bericht. Basel: Brunnen-Verlag, 1957.
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