Deutsche Mystik

Mystische Erfahrungen, die sich im Mittelalter auf deutschem Boden entwickelten und ab dem 12. Jh. zunehmend auch in deutscher Sprache zum Ausdruck kamen.
Die Bezeichnung wurde erstmals vom Hegel-Schüler Karl Rosenkranz verwendet. „Deutsch“ meint hier den damals relativ einheitlichen mittelhochdeutschen und mittelniederländischen Sprachraum, sodass man auch von „Rheinisch-Flämischer Mystik“ spricht. Während der Anfang der D. im Dunkeln liegt, ist das Ende im 15. Jahrhundert mit der Reformation als Grenze gegeben.
Die geschichtliche Voraussetzung dieser Konzentration auf die innere Erfahrung ist die von Thomas von Aquin und Albertus Magnus beeinflusste lateinische Rezeption des Dionysius, gefolgt von der Spiritualität des Bernhard von Clairvaux, für den die Betrachtung des Lebens Jesu zu einer Liebesschule wurde, wo die Braut im Hohen Lied nicht mehr die Kirche, sondern die Seele des Einzelnen ist. Dieses Gedankengut beeinflusste die spirituelle Frauenbewegung, die besonders bei den Beginen entstand. Die Innenschau wurde immer mehr zu einem Schwerpunkt des religiösen Lebens insbesondere im Umfeld der Dominikaner, Zisterzienser und Franziskaner.
Zu den einflussreichen Einzelpersonen zählen vor allem Hildegard von Bingen, die mit Bernhard von Clairvaux in Verbindung stand, Hugo von St. Viktor, Elisabeth von Schönau, Beatrix von Nazareth, Hadewijch, Mechthild von Magdeburg, Gertrud von Helfta, Mechthild von Hackeborn sowie die drei Dominikaner Eckhart, Tauler und Seuse, aber auch Nikolaus von Cues.
Die dabei erfolgte Betonung der existenziellen Total-Erfahrung des mystischen Subjekts führte jedoch auch zu Missverständnissen und zum Vorwurf des Pantheismus und Quietismus.

Lit.: Gnädinger, Luise (Hrsg.): Deutsche Mystik. München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1996; Wehr, Gerhard: Die deutsche Mystik. Köln: Anaconda, 2011.
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