Dalai Lama

Mongol.-tibet. Dalai bla-ma, Lehrer, dessen Weisheit so groß ist wie der Ozean; Ehrentitel, der 1578 erstmals vom Mongolenfürst Altan Khan an seinen spirituellen Lehrer Sönam Gyatso (1543-1588), das dritte Oberhaupt der > Gelug-Schule, verliehen wurde und seinen sämtlichen Widerverkörperungen eigen ist. Die enge Bindung an die Mongolei brachte die Schule in eine politische Vormachtstellung, die mit dem großen 5. D., Lobsang Gyatso (1617-1682), zur Herrschaft über ganz Tibet führte.
Seit jenem Zeitpunkt wird der D., der seinen Hauptsitz in Potala in Lhasa hatte, als das politische und religiöse Oberhaupt der Tibeter und als Inkarnation des > Avalokiteshvara, eines Bodhisattva, angesehen, während der > Panchen Lama als sein geistiger Stellvertreter verehrt wird. Jeder D. gilt als Wiedergeburt des Vorausgegangenen. Die einzelnen D. bis heute waren:

   1. Dalai Lama Gendün Drub              (1391-1474)
  2. Dalai Lama Gendün Gyatso          (1475-1542)
  3. Dalai Lama Sönam Gyatso            (1543-1588)
  4. Dalai Lama Yönten Gyatso            (1589-1617)
  5. Dalai Lama Lobsang Gyatso          (1617-1682)
  6. Dalai Lama Jamyang Gyatso        (1683-1706)
  7. Dalai Lama Kelsang Gyatso           (1708-1757)
  8. Dalai Lama Jampel Gyatso            (1758-1804)
  9. Dalai Lama Lungtog Gyatso          (1806-1815)
10. Dalai Lama Tsültrim Gyatso         (1816-1837)
11. Dalai Lama Kedrub Gyatso            (1838-1856)
12. Dalai Lama Trinle Gyatso              (1856-1875)
13. Dalai Lama Tubten Gyatso            (1876-1933)
14. Dalai Lama Tenzin Gyatso            (1935-         )

Unter den 14 D. finden sich auch große Gelehrte und lebensfrohe Dichter, wie eben der 6. D.
Die Wahl eines neuen D. ist äußerst kompliziert. Der traditionellen Auffassung nach wird der D. kurz nach seinem Tod als neugeborenes Kind inkarniert. In der Regel gibt der sterbende D. bekannt, wo er wiedergeboren wird. Das betreffende Kind muss die richtige Ohrengröße und Ohrenform sowie andere Körpermerkmale aufweisen, die sich als Spuren des zweiten Armpaares deuten lassen. Nach dem die ernannten Suchkommissionen das Kind gefunden haben und die Entscheidung für den Kandidaten gefallen ist, wird das gefundene Kind offiziell zur Reinkarnation des vorherigen Dalai Lama erklärt. Es erhält eine klösterliche Ausbildung in tibetischem Buddhismus, tibetischer Kultur, Sprache, Schrift, Kalligrafie und Allgemeinwissen. Bei dieser Ausbildung spielte auch der Penchen (= Panchen) Lama eine Rolle, der seit der Zeit des Lobsang Chökyi Gyeltshen zum Dalai Lama in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis der Gelug-Schule stand.
Die heutige tibetische Jugend betrachtet den D. nicht mehr als ihren Oberen.

Lit.: Schulemann, Günther: Geschichte der Dalai-Lamas. Leipzig: VEB Harrassowitz, 1958; Hicks, Roger: Great Ocean: an authorized biography of the Buddhist monk Tenzin Gyatso, His Holiness the Fourteenth Dalai Lama. London [u.a.]: Penguin Books, 1990; Leben und historische Bedeutung des ersten Dalai Lama (1391-1474). Nettetal: Steyler Verl., 2002.

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