Dämonologie

Von griech. daimon, böser Geist, logos, Darstellung, Kunde; engl. demonology, ital. demonologia, Lehre von den > Dämonen. Der Ausdruck D. tritt zwar erst im 18. Jh. auf, existiert dem Inhalt nach aber bereits bei den Babyloniern, Persern und Etruskern, wie aus den Berichten über eine ausgebildete Exorzisten-Praxis hervorgeht, die immer eine mehr oder weniger ausgearbeitete Dämonologie voraussetzt.
Antike
So entwickelte bereits die babylonische Priesterschaft der > Chaldäer ein ausgeklügeltes System zahlloser Dämonen mit jeweils eng beschriebenen Tätigkeiten, die von der Verursachung von Unwettern bis zu menschlichen Gebrechen reichen. > Ägypten kannte eine ungeheure Zahl von Dämonen auf der Erde, im Wasser und in der Luft. Auch in der sumerischen Mythologie wurden Geister verehrt, die auf der Erde und in der Atmosphäre als Feuer-, Licht- und Weltgeister wirkten. Die iranische Dämonologie mit Einschluss der persischen Dämonenlehre macht für jedes Unglück und Übel einen bestimmten Dämon verantwortlich. Auch in der indischen Mythologie haben die Dämonen (> Asuras) einen festen Platz.
Die philosophische D. war das Werk > Platons (427-347 v. Chr.), der den Dämonen eine Stellung zwischen den Göttern und den Menschen zuschreibt. Der Mensch kann dabei mittels Kult, Zauberei, Wahrsagerei und Traum Kontakt mit den Dämonen aufnehmen (Götz, S. 58). Sein Schüler > Xenokrates unterscheidet zwischen guten und bösen Dämonen. Die bösen können den Menschen beherrschen und Schaden zufügen.
Altes und Neues Testament
Auch im Volksglauben > Israels existieren böse Geister, die jedoch im > Alten Testament nur an wenigen Stellen genannt werden, was die Lehrmeinung der Israeliten widerspiegelt, den Glauben an Dämonen auszuschalten, da neben Jahwe keine anderen Kräfte Anerkennung finden. Als Mittler zwischen Gott und dem Menschen fungieren Engel. Das Verbot von > Zauberei (Dtn 18,10; 1 Sam 15,23) unterstreicht die Unverfügbarkeit Gottes. Trotzdem gibt es Stellen, wo Dämonen mit Namen genannt werden (Lev. 16,8-119, 26). Nach dem Exil treten D. als Gehilfen Satans ins Bewusstsein (Tob 6,8 und 8,3). Weiterentwickelt wurde die jüdische D. von den Kabbalisten.
Das > Neue Testament kennt verschiedene Bezeichnungen von Dämonen überwiegend in frühjüdisch-hellenistisch geprägter Bedeutung als Urheber von Krankheit und mannigfacher Not, Irreführung und Verursachung von Irrlehren. Der griechische Begriff daimonion findet sich 63-mal. Entscheidend ist ihr Unvermögen, Jesus zu bekennen (1 Joh 4,1-6; Mk 1,24), und ihre Furcht vor Gott (Jak 2,19).
Zur Dämonologie der Antike gehört auch der > Satanskult, der vor allem in Zusammenhang mit dem Schlangenkult stand und sich von Osten nach Westen ausdehnte.
Mittelalter
Für das Mittelalter ist die D. des Kirchenvaters > Augustinus bestimmend, der sich in verschiedenen seiner Werke mit dem Dämonenglauben befasst. In
De civitate Dei räumt er den Dämonen, die den Weltstaat (civitas terrena oder diaboli) gegenüber dem Gottesstaat (Civitas Dei) bevölkern, einen wichtigen Platz ein, wobei er sie als urgeschichtlich gefallene, von Gott gestürzte Engel bezeichnet. Die D. sind also erschaffen und können ihr unheilbringendes Wirken als lebendige, affektbewegte, vernünftige, „luftige“ und ewige Geschöpfe nur mit der Erlaubnis Gottes ausüben. Neben der D. des Augustinus sind die Predigten des Erzbischofs > Cäsarius von Arles (um 470-542) von Bedeutung.
Doch wenngleich die Kirche des frühen Mittelalters daran festhielt, dass verschiedene magische Handlungen mithilfe von Dämonen durchaus erfolgreich ausgeübt werden können, gab es auch einzelne Bischofe, die ihnen jede Wirklichkeit absprachen (Agobard). Zudem ließ das Konzil von Tours (813) verlauten, dass > Beschwörungen (
incantationes) weder kranken Menschen noch Tieren helfen können. Schließlich befasste sich auch das Decretum Gratiani (um 1140) in der Causa 26 mit dem Thema. Über das Decretum Gratiani gelangten die Überlegungen von Augustinus über den dämonischen „Aberglauben“ in das Kirchenrecht der späteren Jahrhunderte.
Wenngleich die Dämonen weder den freien Willen des Menschen noch die Naturkräfte ausschalten können, so billigen ihnen die Dämonologen doch die Fähigkeit zu, bei Menschen Sinnestäuschungen zu bewirken, um sie von Gott zu entfernen und selbst angebetet zu werden. Beide Ziele erreichten die Dämonen indem sie Menschen dazu brachten, einen Pakt mit ihnen zu schließen.
Die D. machte daher keinen Unterschied zwischen der Dämonenmagie der > Hexen und anderen Formen von > Magie. Die D. gehörte zu den Elementen der Theologie, wenn auch nicht als eigenes Fach, und wurde sogar von der Kirche der Reformation unverändert übernommen. So sprachen sich > Luther und > Calvin dezidiert für die > Hexenverfolgung aus.
Das bekannteste, wenn auch nicht so einflussreiche dämonologische Werk der Hexenlehre war der 1486 von Heinrich > Kramer verfasste > Malleus Maleficarum (Hexenhammer). 1589 entwickelte Peter > Binsfeld ein System der „höllischen Herrschaft“ mit sieben Dämonenfürsten: > Luzifer fördert die Hoffart, > Mammon den Geiz, > Asmodeus die Unkeuschheit, > Satan den Zorn, > Beelzebub die Unmäßigkeit, > Leviathan den Neid und > Belphegor die Trägheit. Diese höchsten Dämonen nennt Binsfeld „Patrone“ der sieben Todsünden. Der einflussreichste Jurist unter den Autoren der Hexenlehre war Jean > Bodin (1529/30-1596).
Neuzeit
Auch in der Neuzeit blieb die D. ein integraler Bestandteil eines Argumentationsprozesses, der weite Teile von Theologie, Philosophie, Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, politischer Publizistik und Literatur erfasste.
Nach den Jahrhunderten des Hexenwahns setzte jedoch bald eine große Gegenbewegung ein, indem man den Dämon psychologisierte oder entmythologisierte. So dekretierte das Pariser Parlament 1786 Besessene als Kranke. Dieser Ansicht schlossen sich auch Theologen an, wenngleich viele von ihnen an der Realität des Teufels und der Dämonen festhielten, während andere ihre Realität leugnen (Haag).
Doch je mehr man im wissenschaftlichen Raum vom Teufel Abschied nahm, umso mehr tauchte er im Volksglauben und in verschiedenen Formen der sog. Subkultur und des > Okkultismus auf.

Lit.: Bodin, Jean: De la Démonomanie des Sorciers. Paris, 1580; Conway, Moncure D.: Demonology and Devil-Lore. 2 vols. London: Chatto & Windus, 1879; Müller-Sternberg, Robert: Die Dämonen: Wesen und Wirkung eines Urphänomens. Bremen: Carl Schünemann, 1964; Van Dam, W[illem] C[ornelis]: Dämonen und Besessene: die Dämonen in Geschichte und Gegenwart und ihre Austreibung. Aschaffenburg: Paul Pattloch, 1970; Agobardus Lugdunensis: Liber contra insulsam vulgi opinionem de grandine et tonitruis, in: Opera Omnia. Turnhaut (1981); Petersdorff, Egon von: Dämonologie. 2 Bde. Stein am Rhein: Christiana-Verlag, 1982; Balducci, Corrado: Il diavolo : „…esiste e lo si può riconoscere“. Casala Monferrato: Piemme, 1989; Haag, Herbert: Abschied vom Teufel. Düsseldorf: Benziger, 2000; Daxelmüller, Christoph: Zauberpraktiken: die Ideengeschichte der Magie. Düsseldorf: Patmos, 2005; Götz, Roland: Der Dämonenpakt bei Augustinus, in: Georg Schwaiger: Teufelsglaube und Hexenprozesse. Hamburg: Nikol, 2007.
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