Chiliasmus

(Griech. chilioi ete, tausend Jahre), die Lehre vom tausendjährigen Reich (Millennium; lat. mille, tausend). Durch Kombination der sieben Schöpfungstage (Gen 2,2) mit Ps 90,4 erwarteten die Chiliasten unter Berufung auf Offb 20,1-15 im Kontext von Offb 20-22 ein tausendjähriges Friedensreich am Ende der 6000-jährigen Weltzeit.
Solche Berechnungen gab es schon in der jüdischen > Apokalyptik und besonders seit dem > Buch Daniel. Es geht dabei um ein Zwischenreich zwischen diesem und dem neuen > Äon. Die Idee wird aus dem Parsismus abgeleitet, der bis ins 1. christliche Jahrhundert nur zwischen diesem und dem künftigen Äon unterschied.

Nach Offb 20-22 beginnt das 1000-jährige Reich mit der Bändigung des teuflischen Drachens und dem Einsetzen der Herrschaft Christi mit der Auferstehung der Märtyrer und Bekenner. Auf einen Krieg des für kurze Zeit freigelassenen Widersachers Gottes und seine endgültige Entmachtung folgt das universelle Weltgericht mit der allgemeinen Auferstehung der Toten, der Vernichtung der Gottlosen und der Rettung der Gerechten (1 Kor 15,23ff, Lk 14,14) zum ewigen glücklichen Leben in der neuen Schöpfung.
Durch den Einfluss des > Montanismus, einer schwärmerischen Sekte des 2. Jh., setzte sich der C. im Sinne einer realen Hoffnung durch, so bei Irenäus († 220), Tertullian († nach 222/23) und vor allem Hippolyt († um 234). Gefördert wurde er zudem durch die Chronologie des Julius Africanus (um 222). Nach seiner Berechnung beginne das 1000-jährige Friedensreich im Jahre 6000 nach damaliger Zeitrechung. In der griechischen Theologie konnte sich der C. hingegen wegen der Unvereinbarkeit von Montanismus und > Gnosis kaum durchsetzen und selbst > Augustinus († 430) revidierte seine chiliastischen Ansichten unter dem Einfluss des Hieronymus († 420).
Mit der Verurteilung des C. als Häresie durch > Thomas von Aquin (Summa contra gentiles III, 27; VI, 83) wird er in der katholischen Kirche nicht mehr vertreten. Hingegen wirkte die Vorstellung von Joachim von Fiore († 1202), der den C. mit dem Anbruch der Zeit des Heiligen Geistes verband, über die Armutsbewegung des ausgehenden Mittelalters auf religiös motivierte Laienbewegungen, die Hussiten, die Brüder des Freien Geistes in Böhmen, die Bauernunruhen um Thomas Münzer, die Wiedertäufer, den > Pietismus, die 1916 gegründeten > Zeugen Jehovas, die > Siebenten-Tags-Adventisten, die > Mormonen und die vielen esoterischen Strömungen der Neuzeit bis zur > New Age-Bewegung und dem > Wassermannzeitalter.

Lit.: Bienhard, Hans: Das Tausendjährige Reich. Zürich: Zwingli, 1954; Benz, Ernst: Ecclesia spiritualis. Stuttgart: Kohlhammer 1964; Töpfer, Bernhard: Das kommende Reich des Friedens. Zur Entwicklung chiliastischer Zukunftshoffnungen im Hochmittelalter. Berlin: Akademie-Verlag, 1964; Benz, Ernst: Endzeiterwartung in Ost und West. Freiburg: Rhombach, 1973; Giesen, Heinz: Johannes-Apokalypse. Stuttgart: Verl. Kath. Bibelwerk, 1996.
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