Chemiatrie

(Griech. chymia oder ägypt. Kemi, „Chemie“; iater, „Arzt“; syn. Iatrochemie), chemische Herstellung von Arzneien.
Mit dem Begriff C. stellte > Paracelsus (1493?-1541) die chemische Herstellung von Arzneien anstelle pflanzlicher oder mineralischer Naturstoffe in den Mittelpunkt. Wenngleich die Ärzteschaft des 16. Jh. den Gedanken von Paracelsus aufgrund seiner scharfen Kritik nur zögerlich folgen konnte, zumal seine in deutscher Sprache abgefassten Werke lediglich als Abschriften von Hand zu Hand gingen, fanden sie nach der Übersetzung ins Lateinische durch Adam von Bodenstein (seit 1560), Michael Toxites (seit 1564) und Gerhard Dorn (seit 1567) bereits im ausgehenden 16. Jh. Beachtung. Mit der Herausgabe der medizinischen Schriften des Paracelsus durch Johann Huser 1590/91 kam es dann zur Auseinandersetzung zwischen Galenisten (Anhänger der traditionellen humoralpathologischen Medizin nach > Galen) und Paracelsisten, welche die medizinisch-pharmakologische Literatur des 17. Jh. beherrschten.
Die Herstellung der Chemiatrika erfolgte nach dem Prinzip solve et coagula (löse und binde) mittels Extraktion, Sublimation, Destillation, langes Kochen im Wasserbad sowie das Verwesen, Verfaulen und Vergären, um die Quintessenz der Ausgangsstoffe zu gewinnen.
Die C. scheiterte letztlich aufgrund unlösbarer Widersprüche an ihrem Anspruch, eine allgemeine Theorie des Stoffwechsels auf der Basis von Säuren und Alkalien zu formulieren.

Dennoch stellt sie einen Entwicklungsschritt von der > Alchemie zur naturwissenschaftlichen Chemie dar, die über die Phlogistontheorie von Georg Ernst Stahl zu den grundlegenden Arbeiten von Antoine Laurent Lavoisier (1743-1794) führte.

Lit.: Schröder, Gerald: Die pharmazeutisch-chemischen Produkte deutscher Apotheken im Zeitalter der Chemiatrie. Bremen-St. Magnus: Herbig, 1957; Wehle, Martin: Untersuchungen zur Geschichte der Chemiatrie. Diss., Braunschweig, 1964.
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