Chakra

(Sanskr., Rad, Kreis), ein Mittelpunkt „feinstofflicher“ (psychischer) Energie (> Prana, > Kundalini) im Energieleib (> Astralkörper) des Menschen, den man sich als Lotos vorstellt, vor allem im > Tantrismus. Dieses Energiezentrum hat seinen Ursprung im Yoga des > Shaktismus und ist in verschiedene Funktionszentren gegliedert, deren Beschreibung und Zahl in den tantrischen Schriften und in den modernen westlichen esoterischen Schulen unterschiedlich ist, grundsätzlich aber auf folgender Vorstellung beruht:
Der menschliche Organismus braucht zum Leben kosmische Energie, die sich als Atem manifestiert und von sieben C., gleichsam als Regulatoren, gesammelt und verteilt wird, wobei 6 im grobstofflichen Körper liegen, das 7. außerhalb desselben. Aus jedem C. strahlt eine bestimme Zahl von Energiekanälen (Nadi) aus. Sensitive, die den Astralkörper des Menschen sehen können, beschreiben die C. als „Lotosblüten“ mit unterschiedlichen Blütenblättern. Die Zahl der Blütenblätter entspricht der Zahl der vom jeweiligen C. ausgestrahlten Nadis, die mit den Meridianen, den Energiebahnen der Akupunkturpunkte, identisch sind. Zudem wird jedem C. eine Keimsilbe (sanskr. bīja, z.B. OM, AH), d.h. eine Silbe zugeordnet, der bestimmte Funktionen im Energiesystem entsprechen.
Die 6 C.s im Körper, die sog. Haupt-C.s, liegen im Hauptenergiekanal des Körpers (Sushumma-Nadi; im Buddhismus Avadhuti), der sich entlang der Wirbelsäule erstreckt. Sie sind miteinander verbunden und werden im Hinduismus anerkannt. Es sind dies:

1. Wurzel-C., Muladhara, liegt an der Basis des Rückgrats. In ihm ruht die > Kundalini, die „Schlangenkraft“, dargestellt als zusammengerollte Schlange, die allen C.s Macht und Energie verleiht. Von ihm gehen vier Nadis aus.
Die symbolische Form ist das Quadrat, die Farbe Gelb, die Keimsilbe LAM, das Tiersymbol ein Elefant mit sieben Rüsseln, seine Gottheiten sind > Brahma und > Dakini, die Brahma als > Shakti zugeordnet ist.

Wer meditierend das Wurzel-C. beherrscht, hat die „Erd-Eigenschaft“ überwunden und keine Angst mehr vor dem Tod.

2. Milz-C., Swadhishthana, liegt an der Wurzel der Genitalien, seine körperliche Entsprechung ist der Bereich der inneren Organe, der Ausscheidung und Fortpflanzung beherrscht. Von ihm gehen sechs Nadis aus.
Die symbolische Form ist der Halbmond, die Farbe ist Weiß, die Keimsilbe VAM, das Tiersymbol das > Krokodil, seine Gottheiten sind > Vishnu und als Shakti die niedere Gottheit > Rakini.

Wer meditierend das Milz-C. beherrscht, hat keine Furcht mehr vor dem > Wasser. Er/sie verfügt über verschiedene psychische Kräfte, wie intuitives Erkennen, Beherrschung der Sinne und Überwindung des Ego.

3. Nabel-C., Manipura, liegt in der Nabelgegend. Das ihm entsprechende körperliche Zentrum, der Solarplexus, beherrscht die Leber, den Magen und andere Organe. Von ihm gehen zehn Nadis aus.
Die symbolische Form ist ein Dreieck, die Farbe ist Rot, die Keimsilbe RAM, das Tiersymbol ist der > Widder, seine Gottheiten sind > Rudra und > Lakini.

Wer meditierend das Nabel-C. beherrscht, überwindet die Furcht vor dem > Feuer und kontrolliert seine eigene Gesundheit.

4. Herz-C., Anahata, liegt über dem Herzen. Das ihm entsprechende körperliche Zentrum, der Plexus cardiacus, beherrscht das Herz. Von ihm gehen 15 Nadis aus.
Die symbolische Form ist das > Hexagramm, seine Farbe das Graublau, die Keimsilbe YAM, das Tiersymbol die > Gazelle, die beherrschenden Gottheiten sind Isha und Kakini.

Wer meditierend das Herz-C. beherrscht, kontrolliert die Lufteigenschaften (Satvas-Harmonie), vermag zu fliegen, kann in die Körper anderer eindringen und versteht die kosmische Liebe und andere göttliche Eigenschaften. 

5. Kehlkopf-C., Vishudda, liegt in der Mitte der Kehle und ist das Zentrum des Ätherelements. Von ihm gehen sechs Nadis aus. Die symbolische Form ist der Kreis, die Farbe Weiß, das Tiersymbol der Elefant, die Keimsilbe HAM und die beherrschenden Gottheiten sind Sada-Shiva und die Göttin Shakini.
Wer meditierend das Kehlkopf-C. beherrscht, wird nie vergehen und erlangt die Weisheit über die vier Veden.

6. Stirn-C., Ajna, liegt zwischen den Augenbrauen in der Mitte der Stirn. Körperlich entspricht ihm der Plexus cavernosus, der als Sitz des Bewusstseins gilt. In westlichen esoterischen Systemen wird dieses C. als das > Dritte Auge bezeichnet. Von ihm gehen zwei Nadis aus.
Seine Farbe ist ein milchiges Weiß, die Keimsilbe das kurze A, die zugeordneten Gottheiten sind Param-Shiva in der Form von Hamsa und die Göttin Hakini.

Durch Konzentration auf dieses C. wird alles Karma aus vergangenen Leben zerstört. Der Yogi, der es beherrscht, befreit sich von den Banden des weltlichen Lebens, was im Hinduismus und Buddhismus sehr bedeutsam ist.

7. Scheitel-C., Sahasrara, liegt oberhalb des Scheitelpunktes des Kopfes und daher außerhalb des grobstofflichen Körpers. Dieser „Lotos“ hat tausend Blätter, d.h. tausend Nadis. Die physische Entsprechung ist das Gehirn, die Keimsilbe OM.
Auf den tausend Blütenblättern dieses Lotos laufen die fünfzig Buchstaben des Sanskrit-Alphabets zwanzigmal rundum, sodass diese Nadis die Gesamtheit aller Keimsilben und Chakras darstellen. Das Scheitlel-C. ist allen anderen übergeordnet und gehört einer höheren Ebene der Wirklichkeit an als die anderen sechs Haupt-C.s. Es ist die Behausung des Gottes > Shiva und entspricht dem kosmischen Bewusstsein.

Wer es erfährt, erlebt höchste Glückseligkeit, Überbewusstsein und höchste Erkenntnis.
Im Hinduismus ausgebildet, wo C. auch einen Kreis von Gottesverehrern bezeichnet, spielt das System der C.s als Energiezentren und der sie verbindenden Energiekanäle (Nadis) im Buddhismus die gleiche Rolle wie im Kundalini-Yoga. Die damit verbundene Symbolik ist jedoch der buddhistischen Ikonographie entnommen. Die darauf aufbauende meditative Praxis unterscheidet sich allerdings in vieler Hinsicht wesentlich von der des Kundalini-Yoga (Govinda).

Lit.: Avalon, Arthur: Die Schlangenkraft. [München]: Barth, 1994; Govinda Anagarika: Grundlagen tibetischer Mystik. Grafing: Aquamarin-Verl., 2008; Lübeck, Walter: Die Chakra-Energie-Karten. Oberstdorf: Windpferd, 2009; Sharamon, Shalila: Das Chakra-Handbuch. Oberstdorf: Windpferd, 2009.
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