Carpzov, Benedict der Jüngere

(* 27.05.1595 Wittenberg; † 30.08.1666 Leipzig), Prof. für Rechtswissenschaft, Beisitzer am Schöppenstuhl, einem der höchsten protestantischen Spruchkollegien, und Richter am Höchsten Gericht Sachsens in Leipzig.
C. gilt als einer der Begründer der deutschen Rechtswissenschaft. Von seinen zahlreichen Werken, in denen er die in Deutschland seit Aufnahme des römischen Rechts befolgte juridische Praxis wissenschaftlich abschloss, sind zu nennen: Practica nova Imperialis Saxonica rerum criminalium (1635) und Definitiones forenses (1638). Der eifrige lutheranische Kirchgänger, der von sich behauptete, die Bibel dreiundfünzigmal gelesen zu haben, sprach in ganz Sachsen Urteile bei Hexenprozessen, nachdem sie an das Leipziger Berufungsgericht verwiesen worden waren.
Das Hexenwesen wird von ihm in Practica in einem besonderen Abschnitt (I, 48-50) behandelt. Das Delikt der Hexerei nennt er ein Sonderverbrechen (lat. crimen exceptum), bei dem bereits der Verdacht ausreiche, um die Folter anzuwenden. Als Argument führt er Stellen aus dem AT (Exod. 22,18), aus der klassischen Literatur (Tacitus: Annalen lib. II; Platon: De legibuns II), aus der Praxis des Zivilrechts und aus neueren Autoren, auch katholischen, wie z.B. > Bodin, > Delrio, > Remy und die Autoren des > Hexenhammers an. Eine weitere Quelle ist für ihn die umfangreiche Spruchpraxis des Leipziger Schöppenstuhls von 1582-1622.
Die > Zauberer und Zauberinnen teilt er in fünf Klassen ein: täuschende (praestigiatores), prophezeiende (haruspices, dazu gehören auch Astrologen), bösartig zaubernde (veneficii), die eigentlichen Hexen (lamiae, sagae ac striges, die mit dem Teufel Umgang haben; nur sie sind durch das Feuer hinzurichten) und Nekromanten (necromantici). C. war von den > Hexensabbaten ebenso überzeugt wie vom > Hexenflug und der > Buhlschaft mit Dämonen.
Die Practica genoss bis ins 18. Jh. hinein großes Ansehen und verblüfft ob ihrer gnadenlosen Härte gegen Hexen und Zauberer ebenso wie durch die hohe Gelehrsamkeit.
Von den Gegnern der Hexenverfolgung wurde die Practica als „protestantischer Hexenhammer“ bezeichnet. Die wiederholt vorgebrachte Behauptung, C. sei für die Todesurteile von 20.000 Menschen (vor allem Hexen) verantwortlich, wird jedoch von seriösen Studien als Fabel bezeichnet.

W. (Auswahl): Quaestionum fere universarum in Materia Delictorum Carnis, Furtorum, Rapinae, Sacrilegii, Falsi & Iniuriarum: Ex Iure civili Romano, Imperiali, Saxonico: ordinat. & constitut. Elector. Wittebergae: Wittebergae: Schurerus/Müllerus, 1635; Practicae Novae Imperialis Saxonicae Rerum Criminalium Pars. Wittebergae: Schurerus/ Müllerus, 1635; Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica secundum ordinem Constitutionum Augusti electoris Saxoniae: in Part. IV divisa; rerum et quaestionum in foro, praesertim Saxonico, ut plurimum occurrentium et in dicasterio septem virali Saxonico, quod vulgo Scabinarum Lipsiensem appellitante Jure Civili, Romano, Imperiali, Canonico, Saxonico & Provinciali tractatarum ach decisarum definitiones judicialis … exhibens. Francofurti ad Moenum: Schleichius, 1638; Decisiones Illustres Saxonicae Rerum Et Quaestionum Forensium, In Serenissimi Electoris Saxoniae Supremo Appellationum iudicio, & Scabinatu Lipsiensi utramq[ue] in partem ventilatarum ac discussarum, Responsis & iudicatis Dicasterii utriusque corroboratae: Gemino Indice, uno Decisionum, altero Rerum & verborum locupletassimo. Lipsiae: Kühne/Hönius, 1646.
Lit.: Tacitus, Cornelius: Annalen. Übers. von Erich Heller. Mit einer Einf. von Manfred Fuhrmann. Düsseldorf [u.a.]: Artemis & Winkler, 2005.
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