Canon Episcopi

(Lat. canon, Rechtssammlung; episcopus, Bischof), eine Rechtssammlung, die nach dem Textbeginn „Episcopi“ (die Bischöfe) benannt ist. Der C. erschien erstmals um 906 in den in Trier verfassten Libri duo de synodalibus causis et ecclesiasticis disciplinis, dem Sendhandbuch des Abtes Regino von Prüm (um 840-915). Dort wird der Text fälschlicherweise einem Konzil von Ancyra im 4. Jh. zugeschrieben. Über mögliche Vorlagen Reginos lässt sich nur spekulieren.
Von Bedeutung ist hingegen die große Rezeption des Textes. So fand er über > Burchard von Worms († 1025) und Ivo von Chartres († 1115/1116) Aufnahme in die große Kirchenrechtssammlung des Gratian (Decretum Gratiani, 1142) und damit in das Corpus Juris Canonici, das bis 1918 gültig blieb.

Vermutlich diente der C. in der Karolinger- und Ottonenzeit der Bekämpfung verbliebener heidnischer Glaubensvorstellungen, die als Aberglauben und Teufelswerk beurteilt wurden. Er konnte bei der kirchlichen Bekämpfung von > Zauberei und > Hexerei in sehr unterschiedlicher Weise eingesetzt werden. Inhaltlich wendet sich der C. an die Bischöfe, Archidiakone und Archipresbyter.
Der C. verurteilt die Wahrsage- und Zauberkunst (sortilegam und malificam artem) wie auch die Vorstellungen einer nächtlichen Ausfahrt der Frauen als eine vom > Teufel vorgegebene Täuschung: „Auch dies darf nicht übergangen werden, dass einige verruchte, wieder zum Satan bekehrte Frauen von den Vorspiegelungen und Hirngespinsten böser Geister verführt sind und glauben und behaupten, sie ritten zu nächtlicher Stunde mit Diana, der Göttin der Heiden, und einer unzähligen Menge von Frauen auf gewissen Tieren und legten in der Stille der tiefen Nacht weite Landstrecken zurück und gehorchten ihren (Dianas) Befehlen wie denen einer Herrin und würden in bestimmten Nächten zu ihrem Dienst herbeigerufen. Aber wären doch nur diese Frauen allein in ihrem Unglauben zugrunde gegangen, und hätten sie nicht viele Menschen mit sich in den Untergang des Unglaubens hineingezogen! Denn eine unzählige Menge wird von dieser falschen Anschauung getäuscht und glaubt, diese Dinge seien wahr, und indem sie dies glaubt, weicht sie vom rechten Glauben ab und verwickelt sich wieder in den Irrtum der Heiden, weil sie meint, dass es irgendeine Gottheit oder etwas Göttliches neben dem einen Gott gebe“ (Hartmann, S. 421).
Diese Zurückführung des > Hexenfluges auf Täuschung durch den Teufel wurde von den Hexenverfolgern, die ab dem 15. Jh. an die Echtheit des Hexenfluges glaubten, nicht angenommen, während sich die Gegner der Hexenprozesse wie Johann > Weyer und gemäßigte Theologen darauf als ein Element der frühneuzeitlichen Hexenlehre berufen konnten.

Lit.: Tschacher, Werner: Der Flug durch die Luft zwischen Illusionstheorie und Realitätsbeweis. Studien zum sog. Kanon Episcopi und zum Hexenflug. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 116, Kan. Abt. 85 (1999), 225-276; Hartmann, Willfried: Die Capita incerta im Sendhandbuch Reginos von Prüm, in: Thomas Zotz/Oliver Münch (Hg.): Scientia veritatis. Festschrift für Hubert Mordek zum 65. Geburtstag. Ostfildern: Thorbecke, 2004.
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