Cadiere, Marie-Catherine

(*1709), Protagonistin einer der letzten großen Hexenprozesse vor einem französischen Gericht. C. war eine sehr fromme junge Frau, die nach Heiligkeit strebte, Bücher über Mystik las und sich lebhaft für die „Offenbarungen“ der Visitandine Rémuzat aus Marseille interessierte. Schon bald behauptete sie, ähnliche Gnadenerweise zu erhalten, bezeichnete sich als „Konvulsionärin“ und behauptete schließlich, dass sie die Wundmale habe. Eine Untersuchung erklärte die Aussagen zur Lüge, doch C. bewog ihren Beichtvater, den Jesuiten Jean-Baptist Girard (1680-1733), die Sache selbst zu untersuchen. Dieser war zunächst töricht genug, ihr zu glauben und sie zu beobachten. Als ihm der Betrug bewusst wurde, lehnte er es ab, weiterhin ihr Beichtvater zu sein. C. beschuldigte daraufhin den fünfzigjährigen Pater, sie ausgenützt und dann zur Abtreibung gezwungen zu haben. Um sich damit nicht selber schuldig zu machen, bezeichnete sie sich als unschuldiges und unbewusstes Opfer von Wahrsagerei und Zauberei, die zu ihren Ungunsten von ihrem Beichtvater ausgeübt worden seien. Der Fall erregte großes Aufsehen und führte zu einem der letzten Hexenprozesse, der am 10. Oktober 1731 in Aix-en-Provence mit der Verurteilung von C. zum Spesenersatz endete. P. Girard wurde von jeder Schuld freigesprochen, da er zunächst nur in Gutgläubigkeit die spirituelle Führung von C. übernommen hatte, seine priesterlichen Pflichten jedoch nie verletzte.

Lit.: Orlandi, Giuseppe: La fede al vaglio: quietismo, satanismo e massoneria nel Ducato di Modena tra Sette e Ottocento. Modena: Aedes Muratoriana, 1988; Rochaz, H.: Girard (Jean Baptist). In: Nouvelle biographie générale, XIX, Paris, 1857, S. 652-654; Montigny, Xavier D’Arles de: Der Fall Cadière. Frankfurt/M.; Berlin: Ullstein, 1989.
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